Freitag, März 29, 2024
Kreatives Ökosystem
Thomas ­Arnoldner, CEO der A1 Telekom Austria Group, im Interview. (Bild: Rennee del Missier)

Offene Plattformen, nicht zentrale Lösungen haben die Digitalisierung vorangebracht. Jetzt kommt mit 5G der nächste massive Schub, sagt Thomas ­Arnoldner, CEO der A1 Telekom Austria Group.


(+) plus:
Die Pandemie hat uns als Gesellschaft vor enorme Herausforderungen gestellt. Was haben wir gelernt?

Thomas Arnoldner: Besonders die ersten Wochen der Covid-Pandemie waren für uns alle ein großes Trainingslager. Unmittelbar nachdem man das durchgemacht hat, glauben viele, alles zu wissen, was man anders und besser machen muss. Nach ein paar Wochen ist dann vieles wieder vergessen, außer man arbeitet intensiv daran, die Lernerfahrungen zu konservieren. Wir haben gelernt, wie wichtig die Digitalisierung ist. Sie war der Impfstoff für die Wirtschaft, ohne sie hätten wir die Krise in dieser Form nicht überstanden. Wir können uns ausmalen, was eine Pandemie vor 25 Jahren bedeutet hätte.

Man muss sich vergegenwärtigen, welchen enormen wissenschaftlichen Erfolg die vergangenen Monate bedeutet haben. So hat die globale Vernetzung beispielsweise dazu geführt, dass innerhalb weniger Wochen PCR-Tests zur Verfügung standen. Anfang März 2020 hatte man Testkapazitäten in Österreich von wenigen Tausenden, kurze Zeit später standen Antigentests zur Verfügung, die Ergebnisse innerhalb von 15 Minuten geliefert haben.

Heute führen wir täglich hunderttausende Tests durch. Das ist nur die Testung, da reden wir noch gar nicht von der Impfung. Privat betriebene Innovation mit öffentlicher Unterstützung hat das möglich gemacht. Und die Digitalisierung hat den dafür notwendigen Informationsaustausch erst ermöglicht.

Vor 25 Jahren haben wir gerade die ersten E-Mail-Accounts für Private ausgerollt. 1996 ist die zweite Mobilfunklizenz vergeben worden. Heute haben viele ein Zweithandy, eine Smartwatch, Digitalfernsehen und demnächst auch ein selbstfahrendes Auto. Der Preis von Covid ist hoch, aber vor 25 Jahren wäre die Anzahl der schwer Erkrankten und auch Toten noch viel höher gewesen und der wirtschaftliche Schaden wäre ins Unermessliche gegangen.


(+) plus: Die Digitalisierung steckte vor 25 Jahren in den Kinderschuhen, alle wussten, da kommt eine enorme Veränderung, kaum einer hat wirklich geahnt, wie genau sie ausschauen wird. Was waren die Fehleinschätzungen, die es gegeben hat?

Arnoldner: Es zeigt sich, dass der Mensch ziemlich schlecht darin ist, schnelle Entwicklungen zu antizipieren. Die ganze Branche hat jahrelang nach der nächsten Killer-Applikation gesucht. Endlose Strategiesitzungen, Standardisierungsanläufe und hohe Investitionen waren die Folge und nahezu alles ging an den Kundenbedürfnissen völlig vorbei.

Es hat lange gedauert, bis wir verstanden haben, dass die Antwort nicht eine App ist, sondern eine Plattform. Das iPhone und das damit verbundene Ökosystem haben den Weg gezeigt. Dieses hat vielen eine Plattform für ihre Innovationen gegeben, eine Vielzahl von oft auch kleinen technologischen Fortschritten verbreitet und damit die Intelligenz der Crowd genutzt. Es hat sich gezeigt, dass ein zentralistischer, planerischer Zugang in der Sackgasse endet.

Deshalb glaube ich auch, dass 5G eine enorme Veränderung bringen wird.
Diese Infrastrukturplattform wird es erlauben, auf ihr innovative Anwendungen zu entwickeln. Manche davon erahnen wir bereits, aber es werden viele entwickelt werden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.


(+) plus: Die Dezentralisierung und die Chance möglichst Vieler an Innovationsprozessen teilzunehmen, war der Erfolg der vergangenen Jahre. Aber erleben wir nicht gerade, dass diese Entwicklung radikal auf den Kopf gestellt wird, und dass es wieder zu einer Zentralisierung kommt, in der die Giganten Google, Facebook und Co fast die Rolle der ehemaligen Ölbarone übernehmen?

Arnoldner: Das sind Entwicklungen, die in der Geschichte nicht ganz neu sind. Auch die Telekom-Unternehmen hatten eine Zeit, in jener der Grad der Monopolisierung sehr hoch war. AT&T und die Baby-Bells hatten enorme Macht, bis es dann zu Eingriffen kam und diese Monopole zerschlagen wurden. Diese Entwicklungen kommen in Wellen.


(+) plus: Sind wir jetzt in einer Phase, in der Zerschlagung von Monopolen ein Thema wird?

Arnoldner: Den öffentlichen Diskurs gibt es. Es gibt aber gelindere Mittel und diese sollten zunächst bei jedem ordnungspolitischen Eingriff genutzt werden. Aber natürlich müssen wir über neue Monopole reden. Wenn wir sehen, wo Wertschöpfung passiert und wohin sie abfließt, dann wissen wir: an dieser Diskussion kommen wir nicht vorbei.


(+) plus: Sehen Sie 5G als Chance der Telkos, auch Wertschöpfung im eigenen Haus zu generieren und damit ein Gegengewicht zu den Playern aus den USA zu schaffen?

Arnoldner: Unser Spielfeld ist, den Nutzer*innen die Digitalisierung so einfach wie möglich zu machen. Das heißt aber nicht, dass das immer eigene Lösungen sein müssen. Wir haben etwa viele Partnerschaften im Digital-TV.

Aber auch bei Geschäftskunden-Lösungen integrieren wir sehr viele Anwendungen von anderen Anbietern. Viele Kund*innen haben Herausforderungen mit der Komplexität von Digitalisierung und hier sind wir als Problemlöser sehr gut positioniert. Wir können maßgeschneiderte Lösungen bauen. Das bringt uns in eine einzigartige Position.


(+) plus: Was ist aus Ihrer Sicht in der Liberalisierung des österreichischen Telekommarktes gut gelaufen und was ist nicht ganz so gelungen?

Arnoldner: Die Liberalisierung hat die Branche fitter und wettbewerbsfähiger gemacht. Wir haben davon enorm profitiert und zählen heute zu den am stärksten wachsenden Telkos in Europa. Wir sind deutlicher profitabler und bieten ein einzigartiges Kundenerlebnis.
Ein aktueller Test belegt, dass wir weltweit unter den Top-Ten-Anbietern im Mobilfunk liegen. Dabei sind wird immer noch einer der preisaggressivsten Märkte in Europa.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Telekommarkt immer noch stark reguliert ist. Der Regulator hat erst spät die Richtung gewechselt – von mehr Wettbewerb hin zu mehr Investitionsorientierung. Im Mobilfunk sind wir knapp am großen Desaster vorbeigeschrammt. Wir erinnern uns noch an die Zeiten, wo wir vier bis fünf Anbieter hatten, denen Milliarden­investitionen für die Lizenzen und die Infrastruktur aufgelastet wurden. Im internationalen Vergleich hinken wir dadurch hinterher, was die Verfügbarkeit von Gigabit-Netzen betrifft.

Was die Lizenzgebühren betrifft, waren wir ja in guter Gesellschaft in Europa. Auch in Deutschland zum Beispiel wurden enorme Summen gezahlt. Deutschland hat auch noch viel aufzuholen, was Netzabdeckung, Breitbandausbau, aber auch Effizienz der Provider betrifft.


(+) plus: Was sind die Herausforderungen für künftige Technologieentwicklungen?

Arnoldner: 5G bietet mehr Bandbreite, kürzere Latenz und die Möglichkeit viele Endgeräte anzubinden. Gemeinsam mit dem größten Glasfasernetz, das wir haben, ist das eine hervorragende Plattform, um neue Anwendungen zu entwickeln.

Wir werden viel im Bereich der Anbindung des ländlichen Raumes sehen, ebenso industrielle Anwendungen, Stichwort Internet der Dinge. Es wird auch Hochsicherheitsnetzwerke, Campus-Netzwerke für Unternehmen geben. Und im landwirtschaftlichen Bereich entstehen innovative Anwendungen etwa in Richtung Precision-Farming. Smart-Citys entstehen durch die Durchdringung aller möglichen Infrastrukturen mit digitalen Endgeräten und deren Vernetzung.

Bei jedem neuen Technologiesprung haben wir gesehen, dass es Herausforderungen auf technischer Ebene gibt, die wir mittlerweile gut im Griff haben. Wie aber die Anwender*innen mit den neuen Technologien umgehen werden, ist eine andere Frage. Das lässt sich nicht so leicht vorhersagen.

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