In der Rubrik »Fragen an die Politik« haben Vertreter der Bau- und Immobilienwirtschaft die Möglichkeit, konkrete Fragen an Spitzenpolitiker zu richten. In der aktuellen Ausgabe kommt die Frage von Peri-Geschäftsführer Christian Sorko. Gerichtet wurde sie an die Europäische Kommission. Die Antwort kommt von Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Kommission in Österreich.
Christian Sorko, Geschäftsführer Peri:
»Die Bauwirtschaft zählt aus meiner Sicht unbestritten zu den wichtigsten europäischen Leitindustrien. Welche Rolle kann die Branche bei der Umsetzung des Green Deal spielen? Wie kann die Industrie die Politik unterstützen?«n
Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich:
»Die Mitwirkung der Baubranche ist fundamental für den Erfolg des europäischen Grünen Deals: Schließlich entfallen 40 % des Energieverbrauchs und 36 % der Treibhausgasemissionen in der EU auf den Gebäudesektor. Rund drei Viertel des Gebäudebestands haben großen Aufholbedarf in Sachen Energieeffizienz. Die jährliche Renovierungsquote in der EU liegt derzeit zwischen 0,4 und 1,2 %. Diese Quote muss sich mindestens verdoppeln, damit die EU ihre Energieeffizienz- und Klimaziele erreichen kann. Die Europäische Kommission arbeitet an einer Strategie für eine Renovierungswelle. Bis 9. Juli läuft eine öffentliche Konsultation dazu, und wir hoffen auf zahlreiche Rückmeldungen aus der Bauwirtschaft.
Um unterstützende Rahmenbedingungen zu schaffen, hat die EU die Energieeffizienzrichtlinie für Gebäude überarbeitet. Die Mitgliedstaaten mussten die neuen Regeln bis März in nationales Recht umsetzen. Dabei geht es um die Förderung von Renovierungen, die Einführung eines Intelligenzindikators für Gebäude, die Vereinfachung der Inspektionen von Heizungs- und Klimaanlagen sowie eine Steigerung der Elektromobilität durch Stellplätze für Elektrofahrzeuge. Sanierungen sind unbestritten auch eine Kostenfrage: Daher hat die Europäische Kommission gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank einen Kreditrahmen für den öffentlichen Sektor vorgeschlagen, der 25 bis 30 Milliarden Euro an Investitionen mobilisieren soll. Auch der billionenschwere EU-Aufbauplan wird Mittel freisetzen.
Die Bauindustrie kann die Politik unterstützen, indem sie ihre Innovationskraft für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzt. Auf das Baugewerbe entfallen rund 50 % der abgebauten Materialien und mehr als 35 % des gesamten Abfallaufkommens in der EU. Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, wird die Europäische Kommission eine Strategie für nachhaltige Gebäude präsentieren und die Bauprodukteverordnung überarbeiten. Das bietet große Chancen für die Recyclingwirtschaft und die Bauzulieferindustrie.«