Sonntag, Dezember 22, 2024
»Innovation muss Teil der Unternehmens-DNA werden«
Fotostudio Furgler

Ideen zu entwickeln und umzusetzen, ist eine Führungsaufgabe. In der Praxis mangelt es weniger an finanziellen Ressourcen als an Zeit, weiß Bianca Prommer, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Growth Factory.

(+) plus: Wie können Unternehmen Innovationen fördern und vorantreiben?

Bianca Prommer: Die wichtigste Voraussetzung ist das Commitment der Unternehmensleitung: Sie muss wirklich dahinterstehen und die nötigen Ressourcen bereitstellen. Ich erlebe oft, dass zwar viel Geld in die Hand genommen wird, wenn es aber darum geht, Ideen neben dem Tagesgeschäft zu fördern und umzusetzen, scheitert es. Am Geld liegt es meist gar nicht, sondern eher an den zeitlichen Ressourcen.

(+) plus: Ist eine eigene Innovationsabteilung notwendig?

Prommer: Erfahrungsgemäß ist es zielführender, alle Mitarbeiter einzubinden, weil Innovation überall entstehen sollte und muss. Ein Innovationsteam kann aber helfen, Ideen in Gang zu bringen und aufzubereiten. Es hat auch den Überblick, welche Ideen gerade im Unternehmen am Laufen sind, damit keine Doppelgleisigkeiten entstehen. Sich aber zurückzulehnen und alles dem Innovationsteam zu überlassen, wäre falsch. Gerade bei der Umsetzung braucht es die Zusammenarbeit mehrerer Abteilungen, etwa wenn eine neue Idee in der Produktion getestet werden soll.

(+) plus: Kann man auch mit nicht ganz so kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Innovationen entwickeln?

Prommer: Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten. Innovationen können durch einen Geistesblitz entstehen: Es gibt diese kreativen Köpfe, die Impulse von außen aufnehmen und Ideen sozusagen im stillen Kämmerchen entwickeln. Dieser Prozess lässt sich aber auch systematisch herbeiführen.

Durch Methoden wie Design Thinking, geführtes Brainstorming usw. können auch scheinbar nicht so kreative Menschen gute Ideen entwickeln. Im Grunde steckt diese Fähigkeit in uns allen, nur ist das Potenzial im Laufe der Zeit verkümmert – weil man es sich nicht zutraut oder zu sehr im täglichen Tun verstrickt ist.

Wir brauchen im Innovationsprozess aber ohnehin auch Personen, die diese Ideen umsetzen. Oft kristallisieren sich daher zwei Personenkreise heraus: die Kreativen, die eine Idee entwickeln und dann gleich wieder bei der nächsten sind, sowie Menschen, die gut kommunizieren und begeistern können und Innovationen vorantreiben.

(+) plus: Was passiert in Ihrer »Ideenklinik«?

Prommer: Bei einigen Projekten haben wir »Klick«-Prototypen erstellt und dann sogenannte »Lead-User«, also potenzielle Kunden aus der Zielgruppe, zum Testen eingeladen. Wir nehmen uns bewusst einen Tag Zeit, um frühzeitig Feedback einzuholen.

So kann man ohne große Investitionen viel schneller Produkte weiterentwickeln. Viele Unternehmen haben Zweifel, ob sie Kunden ein Modell oder ein Produkt in 3D-Druck zeigen können – doch ja, das kann man und soll man. Was bringt es, tausende Euro in einen teuren Prototypen zu stecken, wenn man erst dann draufkommt, der Kunde braucht das gar nicht? Das ist heute der entscheidende Faktor: nah am Kunden zu sein.

(+) plus: Welche Rolle spielt Kommunikation im Innovationsprozess?

Prommer: Information und Kommunikation sind sehr wichtig, weil wirklich alle erreicht werden müssen – von der obers­ten Führungskraft bis in die kleinste Zelle des Unternehmens. Es muss allen klar sein: Wohin wollen wir mit dem Thema Innovation? Dieses »Warum« ist eigentlich der Antrieb. Nur wer das versteht, wird auch Zeit und Gedanken investieren. Damit kann ich auch frühzeitig Ängste oder Vorbehalte vorwegnehmen.

(+) plus: Kommen Widerstände häufig vor? Wie können Unternehmen damit umgehen?

Prommer: Es gibt in jeder Firma unterschiedliche Gruppen. Einige Mitarbeiter sind gleich begeistert. Sie können als »Innovationsbotschafter« das Thema vorantreiben. Dann gibt es  skeptische Mitarbeiter, die erst einmal abwarten möchten. Und es gibt Mitarbeiter, die das Thema gar nicht interessiert und die sich überdies ständig negativ äußern. Hier ist eine Führungskraft gefragt, die mit diesen Mitarbeitern das Gespräch sucht.

Häufig ist die ablehnende Haltung durch Ängste begründet, etwa mit einem neuen System nicht umgehen zu können. Dieses Problem kann durch Schulungen ganz einfach behoben werden. Wenn eine Person aber weiterhin beharrlich gegen das gemeinsame Ziel arbeitet, muss man Konsequenzen ziehen – im schlimmsten Fall die Kündigung, so hart das klingt. Um langfristig am Markt zu bestehen, braucht es Innovationen. Es geht hier nicht nur um einen Arbeitsplatz, sondern um viele.

(+) plus: Ist Führung überhaupt notwendig oder wird der freie Ideenfluss dadurch nur eingeschränkt?

Prommer: Führung braucht es für bestimmte Rollen. Führungskräfte sind für Information und Kommunikation verantwortlich, müssen Ressourcen bereitstellen, auch Fehler zulassen, vor allem aber Freiräume schaffen. Mitarbeiter sollen sich mit neuen Trends beschäftigen, auch einmal zu einem Kongress oder einer Messe fahren können. Diese Rahmenbedingungen sind notwendig, damit sich Kreativität entfalten kann. Gleichzeitig müssen Führungskräfte die aktuellen Projekte im Auge behalten, wenn der Prozess stockt oder zu scheitern droht.

(+) plus: Welche Hindernisse gibt es bei der Umsetzung?

Prommer: Das größte Hindernis ist das Tagesgeschäft. Ich höre oft: Wir haben keine Zeit dafür. Der Alltag frisst alles auf. Führungskräfte werden noch immer an den üblichen Kennzahlen gemessen – Ausschuss, Ertrag, Gewinn. Man sagt zwar »Innovation ist wichtig«, aber es gibt keine Zielvorgaben dafür. Deshalb investieren Führungskräfte ihre Ressourcen lieber in messbaren Bereichen.

Statt einer Produktivitätssteigerung von 10 % könnte man jedoch auch Ziele im Bereich Innovation vorgeben, beispielsweise jährlich drei Ideen für Unternehmenswachstum zu liefern. Innovation muss ebenso Teil der täglichen Arbeit werden wie Qualität, Marketing, Logistik, Vertrieb oder Buchhaltung. Nur dann kann es wirklich funktionieren.

(+) plus: Lässt sich das wirklich so vergleichen? Innovationen haben doch einen eher langfristigen Fokus und liefern nicht sofort Ergebnisse.

Prommer: Das ist auch der Grund, weshalb viele Unternehmen zögern. Einige Innovationen sind rascher umsetzbar, bei manchen sieht man erst nach fünf Jahren, ob sie etwas bringen. Trotzdem sollten sie denselben Stellenwert bekommen. Innovation muss Teil der Unternehmens-DNA werden.

(+) plus: Wann ist das Zurückgreifen auf externe Ideen, etwa durch die Kooperation mit Startups, eine Option?

Prommer: Es kann eine Option sein, wenn ich es schaffe, die Ideen gut zu integrieren. Die Mechanismen sind die gleichen: Es braucht Menschen im eigenen Unternehmen, die direkt mit dem Startup zusammenarbeiten, davon überzeugt sind und die Notwendigkeit dieser Innovationen verbreiten. Unternehmen sollten sich immer mehrere Kanäle offen halten: die eigenen Mitarbeiter einbeziehen und Ideen von außen holen, z.B. von Lieferanten, Kunden und Forschungseinrichtungen. Auch für die Umsetzung kann ich mir Unterstützung holen – technisches Know-how oder finanzielle Partner.

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