Sonntag, Dezember 22, 2024
Robotic Process Automation: 6 typische Fehlannahmen
Foto: Thinkstock

Welche falschen Erwartungen der Einsatz von RPA in Unternehmen weckt. Ein Kommentar von Daniel Schmidt, Senior Product Marketing Manager bei Kofax.

Der Vorteil von Robotic Process Automation (RPA) besteht darin, wiederkehrende, wertschöpfungsarme Aufgaben zu automatisieren. Doch viele Unternehmen glauben, dass sie mit RPA selbst komplexeste Business Process Management (BPM)-Tätigkeiten automatisieren könnten, obwohl es dafür deutlich geeignetere Lösungen gibt. Mit welchen weiteren Fehlannahmen Unternehmen RPA-Lösungen häufig begegnen, zeigt die folgende Übersicht.

1. Fehlannahme: RPA kann Prozesse von A bis Z vollständig automatisieren

Die Entscheidung, strukturierte, repetitive Aufgaben mit RPA zu automatisieren, ist definitiv richtig. RPA ist das beste Tool, das Unternehmen hierfür einsetzen können. Seine Stärke spielt es insbesondere bei kürzeren, sich wiederholenden Tätigkeiten von üblicherweise wenigen Minuten aus. Darunter fällt etwa das Abholen von Daten in einem und das Ablegen in einem anderen System. Durch RPA lassen sich Aufgaben, die eine mehrfache Wiederholung der gleichen Tätigkeitsabfolge erfordern, parallel erledigen. Also beispielsweise, wenn ein Mitarbeiter Daten von zehn verschiedenen Websites abrufen soll, was sich nur hintereinander erledigen lässt.

RPA kann diese Tätigkeit dank den Software-Robotern, die als „digitale Kollegen“ fungieren, zeitgleich innerhalb weniger Sekunden oder Minuten abarbeiten. Das kommt insbesondere B2B-Unternehmen zugute, die mehrere Portale oder Lieferanten überprüfen müssen, um zu den besten Konditionen einkaufen zu können. Dafür muss ein Mitarbeiter eigentlich alle Schritte in jedem Portal sequentiell abarbeiten. Entscheiden sich Unternehmen für RPA, dann überwachen die Software-Roboter Produktpreise und informieren Mitarbeiter regelmäßig über die Preisentwicklung – die Zahlen lassen sich parallel von allen Portalen zeitgleich einholen. Im Gegensatz zu BPM-Plattformen ist es mit RPA allerdings nur sehr aufwendig möglich, Prozesse über eine längere Laufzeit end-to-end zu betreuen.

Ein Beispiel: Ein Kunde möchte etwas bestellen, sich beschweren oder eine Auskunft einholen. Entsprechend wird im Unternehmen ein Prozess ausgelöst. Mitunter kann es bis zu 14 Tage dauern, bis die Anfrage abgeschlossen ist. Zwar kann der digitale Kollege den Mitarbeiter dabei unterstützen, indem er Daten zum Kunden abruft, aber die Entscheidungen trifft nach wie vor der Mensch. Darum ist hier eine BPM-Lösung die deutlich bessere Wahl, weil das System Mitarbeiter je nach Verfügbarkeit und Skills gezielt in den Prozess einbinden kann. Als besonders effizient erweist sich eine kombinierte Lösung aus BPM und RPA – das BPM-System übernimmt in dem Fall die Verwaltung und steuert je nach Bedarf Mitarbeiter sowie die digitalen Kollegen.

2. Fehlannahme: RPA kann andere Lösungen komplett ersetzen

Konzeptionell lässt sich RPA in nahezu allen Prozessen einsetzen. Es gibt aber sogenannte Commerical off-the-shelf (COTS)-Software, die Prozesse bereits mit geringem Aufwand automatisiert, beispielsweise in der Rechnungsverarbeitung. Dafür ist eine fertige Lösung die geeignetere Wahl. Das liegt daran, dass Unternehmen solche Tools oft schon seit vielen Jahren einsetzen – dort haben sich deshalb großes Know-how und viele Prozesse manifestiert und die Lösungen wurden entsprechend über Jahre verbessert.

Ein Nachbauen solcher Lösungen ist daher nicht zielführend, da es viel Zeit in Anspruch nehmen würde, alle vorhandenen Funktionen mit RPA abzubilden. Nichtsdestotrotz gibt es seitens vieler Unternehmen weiterhin Bedarf, RPA an diese Bestandslösungen anzubinden, sodass die Software-Roboter das System bedarfsgerecht mit den benötigten Daten füllen oder mit anderen Applikationen abgleichen können. Das funktioniert allerdings nur, wenn Unternehmen bei der Auswahl einer RPA-Lösung darauf achten, dass sie über entsprechende Schnittstellen (APIs) verfügt und sich unkompliziert an andere Systeme anbinden lässt.

3. Fehlannahme: RPA automatisiert Prozesse am besten über User Interfaces

Auch wenn es in vielen Fällen sinnvoll ist, auf bereits vorhandene Tools zurückzugreifen und diese nicht einfach durch RPA zu ersetzen, hat RPA definitiv seine Daseinsberechtigung – nämlich, um verschiedene Systeme miteinander zu integrieren. Das ist eine große Herausforderung, vor der viele Unternehmen stehen. Eine Integration nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und verursacht hohe Kosten.

Das Problem: Der Nutzer bedient täglich verschiedene Clients, beispielsweise SAP, den Webbrowser oder andere Applikationen wie Legacy Systeme, die nur schwer mit modernen Technologien integrierbar sind. Mit RPA gibt es allerdings die Möglichkeit, über Benutzeroberflächen – sogenannte User Interfaces (UI) – sehr schnell eine Integration zwischen Systemen einzurichten. Grundsätzlich sollte man sich aber überlegen, ob es direkte Schnittstellen wie APIs oder Webservices gibt, da diese üblicherweise schneller sind und sich nicht so häufig ändern wie Benutzeroberflächen. Sollte sich die UI durch ein Update ändern, so können manche Software-Roboter ihren Dienst nicht mehr ausführen und eine Anpassung ist erforderlich.

Gute RPA-Lösungen funktionieren allerdings in beide Richtungen: Sie erlauben einerseits die einfache Einbindung von direkten Schnittstellen und andererseits die Verwendung von Benutzeroberflächen, ohne dass es notwendig ist, auch nur eine Zeile Code zu schreiben.

4. Fehlannahme: RPA ersetzt Mitarbeiter

Viele befürchten, dass die Mitarbeiter durch ein Automatisierungstool wie RPA ersetzt werden. Diese Angst wird immer größer, da seit Kurzem auch sogenannte Intelligent Automation-Plattformen von sich reden machen. Bestandteil einer solchen Lösung ist Next Generation RPA. Denn RPA allein ist nicht in der Lage, zum Beispiel unstrukturierte Daten wie Dokumente zu verarbeiten, da es dem Tool an der notwendigen „Intelligenz“ mangelt. RPA der nächsten Generation beinhaltet Funktionen der künstlichen Intelligenz, sodass die Lösung problemlos den Unterschied zwischen einer Rechnung und einem Beschwerdeschreiben erkennen kann, ohne dafür einen Menschen zurate ziehen zu müssen. Das bedeutet, dass die Software dank neuer Technologien immer intelligenter wird. Das heißt aber nicht, dass sie Menschen ersetzt.

Ganz im Gegenteil: Intelligent Automation mit RPA oder Next Generation RPA entlastet Mitarbeiter von monotonen Aufgaben und gibt dem Mitarbeiter wertvolle Zeit zurück. Kein Mitarbeiter möchte seine Arbeitszeit damit verbringen, Daten von A nach B zu kopieren. All das übernimmt der digitale Kollege für ihn. Der RPA-Anbieter Kofax hat sogar die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter seit der Einführung einer RPA-Lösung deutlich zufriedener sind. In 90 Prozent der Fälle ist es so, dass RPA sie spürbar unterstützt und deutlich effizienter macht. Also ersetzt RPA keine Jobs, sondern ist vielmehr ein Value Maker und stellt Unternehmen mehr wertvolle Zeit ihrer Mitarbeiter für wichtigere Aufgaben zur Verfügung.

5. Fehlannahme: RPA im Backoffice hat keinen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit

Da RPA überwiegend für einfachere Tätigkeiten eingesetzt wird, könnte man glauben, dass es auf die Kundenzufriedenheit keinerlei Auswirkungen hat. Das ist nicht richtig. Es gilt zu bedenken: Wenn digitale Kollegen die Mitarbeiter von repetitiven Aufgaben entlasten, können sich diese auf deutlich wichtigere Aufgaben konzentrieren, wie etwa die Betreuung oder Beratung von Kunden. Aber auch Anliegen lassen sich deutlich schneller bearbeiten. Zudem steigert RPA die Datenqualität. Man geht davon aus, dass etwa fünf Prozent der in Unternehmen verfügbaren Daten durch Fehleingaben falsch sind.

Das liegt daran, dass beim Kopieren Informationen schnell verloren gehen oder Mitarbeiter versehentlich falsche Daten übertragen. Liest beispielsweise ein Mitarbeiter eines Energieversorgers die Stromzählerdaten ab und ordnet bei der Eingabe im System den Stand aus Versehen einem anderen Kunden zu oder hat einen Zahlendreher, wird sich dieser vermutlich über die Abrechnung wundern, die deutlich höher oder niedriger als bisher ausgefallen ist. Das wiederum bedeutet für den Kunden einen hohen Aufwand, da er seine Abrechnung reklamieren muss – was für Missmut sorgt. Übernimmt das Datenkopieren oder -ablegen ein Roboter, sind Fehler nahezu ausgeschlossen. Ebenso kann ein Roboter sehr schnell und einfach überprüfen, ob die eingegebenen Daten tatsächlich plausibel sind. Das bedeutet: Durch RPA lässt sich die Datenqualität erheblich verbessern, und Fehler reduzieren sich auf ein Minimum.

6. Fehlannahme: RPA ist für komplexe Prozesse und sofort im gesamten Unternehmen einsetzbar

Oftmals wissen Unternehmen, welches enormes Optimierungspotenzial sie durch den Einsatz von RPA haben. In der Tat ist es richtig, dass RPA sich inzwischen unternehmensweit einsetzen lässt – sogar für komplexere Prozesse. Allerdings können Unternehmen anfangs nicht einschätzen, welche Prozesse überhaupt für die Automatisierung geeignet sind.

Deshalb begehen sie den Fehler, RPA gleich für sehr komplexe Prozesse und in vielen Unternehmensbereichen einsetzen zu wollen. Dieser Ansatz ist zum Scheitern verurteilt – denn viel hilft nicht viel. Stattdessen sollten Firmen im ersten Schritt identifizieren, welche Prozesse nicht sonderlich komplex sind, Mitarbeitern allerdings sehr viel Zeit kosten. Wenn Unternehmen beispielsweise eine Art „RPA-Taskforce“ einrichten, die sich darum bemüht, RPA schnell einsetzbar zu machen, ist es hilfreich, Prozessverantwortliche in das Projektteam aufzunehmen.

Diese können besonders gut einschätzen, wie viel Zeit Mitarbeiter für welche Aufgabe benötigen. Für den Anfang ist es empfehlenswert, kleinere Aufgaben zu automatisieren und damit Erfahrungen zu sammeln. Oftmals starten Unternehmen in der Finanzabteilung, in der die Roboter die sehr zeitintensive Erstellung von Reports übernimmt. Danach können Unternehmen RPA auf weitere Bereiche ausweiten und immer komplexere Tätigkeiten automatisieren. Sie reduzieren damit das Risiko, und selbst kleine Aufgaben lassen sich mit einem kurzfristig hohen ROI gewinnbringend automatisieren.

Über den Autor

Daniel Schmidt ist Senior Product Marketing Manager bei Kofax. Dort ist er dafür verantwortlich, Marktanforderungen zu eruieren, den weltweiten Marketingplan umzusetzen und die verschiedenen Softwarelösungen wie Robotic Process Automation, Customer Communications Management, E-Signatur und einige andere Prozessautomatisierungstools zu positionieren. Schmidt verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Unternehmenssoftwarebranche und ist spezialisiert auf die Verbesserung von Technologien und Prozessen zur Kundenbindung.

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