Beim »Rohstoffsymposium 2019« des Forums mineralische Rohstoffe wurden Versorgungssicherheit und nachhaltige Gewinnung mineralischer Rohstoffe diskutiert. Fazit: Die wachsenden Ballungsräume bedingen eine starke Nachfrage nach Baurohstoffen.
Beschäftigung, Artenvielfalt und Wohlstand – das waren die Leitthemen einer Enquete des Forums mineralische Rohstoffe am 7. Mai in Wien. Beim »Rohstoffsymposium 2019« im Palais Niederösterreich wurde nicht nur über den Bedarf an Sand, Kies, Ton und Naturstein für Gebäude und Infrastruktur diskutiert. »Die nachhaltige Sicherung von Rohstoffen ist ein Thema, das alle betrifft«, betont Robert Wasserbacher, Geschäftsführer des Forums mineralische Rohstoffe. Zehn bis zwölf Tonnen mineralische Rohstoffe werden in Österreich pro Kopf und Jahr genutzt. Ein Einfamilienhaus benötigt durchschnittlich 440 Tonnen, ein Meter Autobahn braucht 33 Tonnen, für jeden Meter Brückenkonstruktion fallen bis zu 85 Tonnen mineralische Rohstoffe an. Vergleichsweise gering stellt sich der Bedarf von einer Tonne für einen Meter Gehsteig dar. Insgesamt werden rund 100 Millionen Tonnen Baurohstoffe und Industrieminerale – ohne Metalle – jährlich in Österreich benötigt. Sie werden überwiegend bedarfsorientiert bereitgestellt, werden also kaum langfristig gelagert. Bei einem durchschnittlichen Transportradius von 26 km versorgen aktuell rund 1.300 Gewinnungsstätten den Bedarf der heimischen Bauwirtschaft sehr lokal. Die meisten davon befinden sich in Niederösterreich – rund um den Ballungsraum Wien –, in der Steiermark und in Oberösterreich.
Rund 150 Teilnehmer verfolgten im Palais Niederösterreich ein buntes Vortrags- und Diskussionsprogramm zu Herausforderungen und Problemfeldern der Rohstoffgewinnung in Österreich hinsichtlich des Bedarfs, der Nutzung, des Transports und der Verwendung mineralischer Rohstoffe. Eine zentrale Herausforderung für die Branche sind Oberflächenrohstoffe, die generell einem allgemeinen Widmungsregime unterliegen. Das heißt: Es gibt zwar Empfehlungen, noch vor einer langfristigen Versiegelung von Flächen durch Bautätigkeiten diese auf eine nutzvolle Entnahmemöglichkeit von Rohstoffen zu prüfen – im Hinblick auf eine langfristige Versorgungssicherheit wären allerdings verpflichtende Maßnahmen sinnvoll.
Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger eröffnete die Veranstaltung mit einem Startschuss für die Erarbeitung einer integrierten Rohstoffstrategie, die auch zur Erreichung der Energie- und Klimaziele beitragen soll. »Wir brauchen in Österreich ausreichende mineralische Ressourcen, um für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein«, betont Köstinger. »Jedes Windkraftwerk und viele moderne Energiespeicher bestehen aus mineralischen Grundstoffen. Indem wir erstmals eine umfassende Strategie entlang der gesamten Rohstoff-Wertschöpfungskette – von der Gewinnung bis zur Abfallwirtschaft – erarbeiten, gestalten wir die heimische Ressourcenpolitik zukunftsfit und nachhaltig«, erklärt Köstinger.
Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf verweist darauf, dass eine wachsende Bevölkerung und ein steigender Wohlstand auch einen erhöhten Bedarf an Rohstoffen mit sich bringen. Dennoch möchte niemand Rohstoffgewinnung in seiner Nähe haben. »Dieser ›not in my backyard‹-Zugang ist allerdings problematisch. Denn gerade bei schweren Rohstoffen ist es besser, die Transportwege kurz zu halten. Wir sollten daher ein entsprechendes Augenmaß bei Genehmigungsverfahren walten lassen«, sagt Kopf.
Robert Holnsteiner, Abteilung Mineralrohstoffpolitik im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, rechnet mit »moderaten Steigerungen« des Bedarfs an Baurohstoffen in den nächsten Jahren. Auch er sieht zentral die Frage zur Sicherung der Bedarfsdeckung – und ob Österreich auf Dauer »ein Land der Selbst- und Nahversorger« bleiben könne. Auch eine Sicherung des Zugangs zu einer Gewinnungsstätte alleine sei keine Garantie für Grundstücksverfügbarkeit. Die Branche mache jedenfalls einen »guten Job«, weiß Holnsteiner, das würden auch Umfragen bestätigen, die eine breite Akzeptanz durch Bevölkerungsteile zeigen, die nahe an den Gewinnungsstätten sind.
Devin Bicer von der wirtschaftspolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich präsentierte aktuelle Wirtschaftsdaten und Statistiken demografischer Entwicklungen. Jemand, der heute in Österreich geboren wird, hat eine 33-prozentige Chance, 100 Jahre alt zu werden. Dies stelle auch unsere Gesellschaft hinsichtlich Infrastrukturfragen vor neue Herausforderungen. Nicht nur in Österreich, auch global wird sich der Bevölkerungszuwachs weiter auf die Ballungszentren konzentrieren – mit entsprechendem Bedarf für Bautätigkeiten.
Lothar Benzel, Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg, diskutierte die gemeinsame Rohstoffgewinnung im Bodensee-Raum. Langfristig versiegelte Flächen durch Bautätigkeiten sind auch in Deutschland ein großes Thema. Doch gerade eine lokale Rohstoffsicherung könne die Versorgung dauerhaft sicherstellen. Dies sei letztlich aufgrund kürzerer Transportwege auch ein ökologisches Argument und würde Lärmbelästigungen gesamt reduzieren.
Ronald Blab, TU Wien, stellte eine Untersuchung zum Thema Transportgewichte und Straßenbelastungen vor. Aus der Studie lassen sich Empfehlungen für eine Erhöhung des höchstzulässigen Gesamtgewichts von LKW ableiten, bei dem die Gesamtzahl der Transporte reduziert werden kann.
Eva Horn, Universität Wien, stellte Überlegungen zur Nachhaltigkeit im Anthropozän an, dem geologischen Erdzeitalter, in dem auch der Mensch zu einer treibende Gewalt geworden ist.
In einer abschließenden Diskussionsrunde mit Alfred Riedl, Präsident des Gemeindebundes, und Vertretern des Europäischen Gesteinsverbands UEPG, des deutschen Bundesverbands für mineralische Rohstoffe MIRO, BirdLife Österreich und Viadonau, wurden die Themen Raumordnung und -planung auf den Ebenen Bund, Land und Gemeinden, sowie aus Sicht des Naturschutzes und der Transportwirtschaft diskutiert.
Drei besonders nachhaltig agierende Rohstoffgewinnungsbetriebe wurden am Abend mit den »Nachhaltigkeitspreisen des Forums mineralische Rohstoffe« ausgezeichnet. Die Unternehmen zeigen eindrucksvoll die lokale Verbundenheit und Verantwortung für Mensch und Umwelt (siehe unten). Die österreichischen Preisträger nehmen auch am »Sustainable Development Award 2019« teil, der am 20. November 2019 vom Europäischen Gesteinsverband UEPG in Brüssel vergeben wird.
Auszeichnung für Leuchtturmprojekte - Das Forum mineralische Rohstoffe hat zum vierten Mal Nachhaltigkeitspreise vergeben.
Foto: Nachhaltigkeitspreis Soziales: Josef Muchitsch (Gewerkschaft Bau-Holz), Raimund Hengl und Michaela Dokulil (Hengl Mineral).
Der Preisträger des Nachhaltigkeitspreises in der Kategorie Wirtschaft ist die in Oberösterreich beheimatete Firma Martin Pichler Ziegelwerk GmbH mit ihrem Projekt »Rollmörtel – Aufrollen, Wässern, Fertig«. Die innovative Entwicklung ermöglicht eine Arbeitszeitersparnis von bis zu 50 % und erspart das Anrühren von Mörtel – und damit auch das Waschen von Werkzeug.
Foto: Nachhaltigkeitspreis Umwelt: Gabór Wichman (BirdLife), Kurt Bernegger und Heimo Gruber (Bernegger).
Der gemeinsam mit BirdLife Österreich verliehene Umwelt-Nachhaltigkeitspreis geht an das in Oberösterreich ansässige Unternehmen Bernegger GmbH für das Projekt: »Rohstoff mit dem Zug zum Verbraucher – Bahnlogistik Rohstofftransport Bernegger«. Das Familienunternehmen hat in einem Generationenprojekt mehrere Millionen Euro in ein flexibles Containersystem und in eine eigene Anbindung an das Bahnnetz der ÖBB investiert. Dadurch werden im Großraum Linz massiv LKW-Fahrten eingespart.
Foto: Nachhaltigkeitspreis Wirtschaft: Ekkehart Pichler (Martin Pichler Ziegelwerk) und Thomas Spörker (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus).
Den Preis in der Kategorie Soziales gewinnt die niederösterreichische Hengl Mineral GmbH in Limberg für das Projekt »Lebendiger Steinbruch – Living Quarry«. Das Unternehmen verknüpft aktiv den Standort mit kulturellen und gesellschaftlichen Angeboten für die lokale Bevölkerung.
»Mit dem Nachhaltigkeitspreis des Forums Rohstoffe möchten wir die Brache ermutigen, auch weiterhin einen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung zu erbringen und jenen eine Bühne geben, die sich ganz besonders um nachhaltig gewonnenen Rohstoffe einsetzen«, betont Robert Wasserbacher.
www.ForumRohstoffe.at