Nach den positiven Erfahrungen mit dem Automobil- und dem Biotech-Cluster sollen auch in der Mikroelektronik künftig Forschung und Industrie intensiver zusammenarbeiten. Im Dreieck Villach-Linz-Graz entsteht ein österreichisches Silicon Valley. Bund, Länder und Unternehmen investieren insgesamt 280 Millionen Euro.
Eine Forschungs- und Entwicklungsquote von fünf Prozent wollte man bis 2020 schaffen. Dieses Ziel hat man bereits erreicht: Forschungsland Nr. 1 im Vergleich mit 276 EU-Regionen ist die Steiermark. Mit einer Quote von 5,16 % des BIP ließ die Innovationsregion Österreichs den bisherigen Spitzenreiter Baden-Württemberg und die britische Region East Anglia hinter sich. Möglich wurde dies durch eine Zukunftspartnerschaft: Heimische Unternehmen, Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ziehen an einem Strang.
Das Tunnelforschungszentrum am Erzberg, das moderne Stahlwerk in Kapfenberg, der steirische Automobilcluster mit dem Testgelände für selbstfahrende Autos oder die innovativen Windparks – das einstige Sorgenkind Steiermark behauptet sich inzwischen als attraktiver Wirtschaftsstandort für unterschiedlichste Branchen. Mit Erfolg: Die Arbeitslosigkeit sinkt in allen steirischen Regionen deutlich.
Die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist »eines unserer großen Erfolgsgeheimnisse«, bestätigt Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl. Die steirische Forschungsgesellschaft Joanneum Research ist mit 430 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs. 19 der 44 österreichischen COMET-Kompetenzzentren haben ihren Hauptsitz in der Steiermark, das Land ist zudem an sechs weiteren beteiligt. »Die Kompetenzzentren liefern mit ihren Projekten wichtige Ergebnisse für die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen in heimischen Betrieben«, so Eibinger-Miedl. Mit rund 1.100 MitarbeiterInnen, darunter 867 ForscherInnen, sind sie auch ein wichtiger Arbeitgeber.
Kräfte bündeln
Die »innoregio styria«, ein Innovationsnetzwerk von Industrie und Wissenschaft, präsentierte bei den diesjährigen Technologiegesprächen des Forums Alpbach die aktuellen Pläne im Bereich Mikroelektronik. Diese Schlüsselbranche für die Digitalisierung soll durch das neu gegründete Cluster »Silicon Alps« für zusätzlichen Wachstumsschub in den Region sorgen. Bereits 72 Unternehmen, darunter Leitbetriebe wie AT&S, Infineon, NXP und EPCOS, sind maßgeblich beteiligt.
Das Forschungszentrum »Silicon Austria Lab« treibt an den Standorten Graz, Linz und Villach die Entwicklungsarbeit voran. Insgesamt investieren der Bund, die Länder Steiermark, Kärnten und Oberösterreich in den kommenden fünf Jahren 280 Millionen Euro. Allein in der Steiermark, wo Joanneum Research und die TU Graz für die Gesamtkoordination verantwortlich zeichnen, sollen 200 neue Arbeitsplätze entstehen. In Villach konzentriert man sich auf Sensorik und Leistungselektronik, wo sich besonders im Bereich autonomes Fahren großes Potenzial eröffnet. Linz forscht in der Hochfrequenztechnologie, die für Speicherkapazitäten eine wichtige Rolle spielt. In Graz steht die Systemintegration im Mittelpunkt.
»Sogenannte Electronic Based Systems dominieren heute all unsere Lebensbereiche – von Handys über Autos bis zur Home-Steuerung – und machen die Mikroelektronik zu einem signifikant wachsenden Segment. Mit Silicon Austria bündelt Österreich seine Kräfte in diesem Bereich, schafft hunderte neue Arbeitsplätze und stellt sich für den internationalen Wettbewerb auf«, zeigt sich Harald Kainz, Rektor der TU Graz, zuversichtlich. Ein strategischer Beirat wählt die förderungswürdigen Projekte aus. Auch Unternehmen aus Bundesländern außerhalb des Clusters können sich einklinken.
Der Industriekonzern ABB hegt indessen selbst große Pläne für den Standort Eggelsberg, wo erst im Juli der Automatisierungsspezialist B&R zugekauft wurde. Im Zusammenspiel mit den oberösterreichischen Ausbildungszentren soll hier ein Forschungscampus entstehen, um vor allem die Entwicklung in der Sparte Robotik voranzutreiben. Die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften biete für Österreich enorme Chancen, meint ABB-Chef Ulrich Spiesshofer: »Wir brauchen viele Fachhochschulabsolventen.«
Mächtige Konkurrenten
Im internationalen Vergleich machen sich die österreichischen Bestrebungen zwar ambitioniert, aber finanziell doch weitaus geringer dimensioniert aus. Am Mikroelektronik-Cluster Dresden will Bosch eine Milliarde Euro in eine neue Halbleiterfabrik investieren, wie der Technologiekonzern im Juni bekannt gab. Der Bund will bis zu 200 Millionen Euro beisteuern, auch der Freistaat Sachsen beteiligt sich. Die Gesamtinvestitionen könnten somit auf 1,3 Milliarden Euro steigen, 700 Arbeitsplätze sollen entstehen. Der Baubeginn dürfte spätestens Anfang 2018 erfolgen, die Produktion soll bis 2021 starten.
Auch in Dresden sieht man die Halbleitertechnik als zentrale Schlüsseltechnologie für das Internet der Dinge und vernetzte Mobilität. Der Autozulieferer Bosch ist einer der führenden Sensorenhersteller Europas und betreibt bereits eine Chipfabrik in Reutlingen. »Wichtig für uns ist, dass wir Halbleiter selbst machen, weil wir glauben, dass wir uns damit differenzieren können«, erklärt Bosch-Geschäftsführer Dirk
Hoheisel.
Im Cluster »Silicon Saxony« haben sich 320 Mitgliedsunternehmen mit rund 20.000 Mitarbeitern angesiedelt, Universitäten und Forschungseinrichtungen liefern die technologische Expertise. Unter den vielen namhaften Betrieben ist auch der Chiphersteller Infineon, der mit dem Standort Villach auch am »Silicon Austria« maßgeblich mitwirkt.
Österreich sei durchaus in der Lage, am internationalen Markt mitzuspielen, meint Sabine Herlitschka, CEO von Infineon Technologies Austria: »Es gibt rund 200 Unternehmen mit 80 Milliarden Euro Umsatz.« Die Münchner Konzernmutter pumpt jedenfalls noch heuer 35 Millionen in ein neues, globales Kompetenzzentrum in Villach, das in die zukunftsträchtigen Siliziumkarbid-Technologie große Hoffnungen setzt.
In Wien ist man mit dem Biotech-Cluster auf dem besten Weg, auch beim Automobil-Cluster in der Steiermark klappt die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie vorbildlich. Ob es Österreich auch in der Mikroelektronik gelingt, mit einem Viertel des Budgets, das in Dresden zur Verfügung steht, »an die Weltspitze vorzustoßen«, wie es sich viele erhoffen, wird sich zeigen.