Mittwoch, Februar 05, 2025

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Bernd Datler, Geschäftsführer der Asfinag Maut GmbH, über den externen und internen Mehrwert der Digitalisierung und erklärt, was ab 2020 unter dem Titel »hochautomatisiertes Fahren« zu erwarten ist. Ausserdem zeigt er, in welchen Bereichen die Asfinag einen Blick über den Tellerrand wirft.

(+) plus: Welche Auswirkungen hat der Megatrend Digitalisierung auf ein Unternehmen wie die Asfinag?

Bernd Datler: Die Digitalisierung hat in mehreren Bereichen großen Einfluss auf das Unternehmen. Zum einen wären hier die Anwendungsbereiche zur Bewältigung der mannigfaltigen Aufgaben zu erwähnen. Online-Tools wie etwa das GeodatenInformationsSystem GIS, SAP für die Abrechnung oder diverse Online-Plattformen gehören schon lange zum festen Bestandteil der täglichen Arbeit. Die digitale Archivierung des umfangreichen Datenmaterials hilft dabei, die enormen Daten übersichtlich zu verwalten und gegebenenfalls rasch und unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Enorme Erleichterungen hinsichtlich der Kommunikation für die tägliche Arbeit ergaben sich auch durch Verbesserungen bei Video-Konferenzen, Chat-Systemen innerhalb der Firma sowie bei der mobilen Telefonie.

(+) plus: Was bringt die Digitalisierung den Kunden der Asfinag?

Datler: Auch da gibt es bereits spürbare Auswirkungen. Mithilfe modernster Sensorik werden permanent Daten auf den Strecken gemessen. Von Witterungsbedingungen über Verkehrsstärke bis hin zum Zustand von Fahrbahnen reichen diese Daten. Sämtliche Daten werden dabei gesammelt und Partnern wie etwa der OE3-Verkehrsredaktion oder Anbietern von Navigationssystemen zur Verfügung gestellt. Dabei gehen wir sogar über den »Tellerrand« Autobahn hinaus.

Als ein Highlight der Asfinag Verkehrsinformation wurden 2015 Prototypen zu Reise- und Grenzwartezeiten umgesetzt. Im Streckenverlauf der A 4 Ost Autobahn im Bereich Knoten Prater bis Flughafen Wien berechnen mehrere Kamerasysteme und eine neuartige Software die durchschnittliche Reisezeit der Fahrzeuge. Die benötigte Reisezeit wird auf elektronischen Informationstafeln, mittels der Asfinag App »Unterwegs«, auf Asfinag.at, über die Verkehrsauskunft Österreich (VAO) und auch auf der Homepage des Flughafens Wien angezeigt.

(+) plus: Wie verändert sich die Infrastruktur Straße durch die wachsende Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer. Stichwort Car-to-X-Communication?

Datler: Durch Vernetzung von Fahrzeug und Infrastruktur-Datenwelten werden neuartige Daten generiert , die die Sicht aus Fahrzeug und Straßenbetreiber kombinieren. Mit dieser Kombination können rasche und umfassende Auswertungen und Analysen erstellt und durchgeführt werden. Man kann noch besser und schneller Gefahrenstellen erkennen und diese Information rasch an automatisierte, aber auch nicht-automatisierte Fahrzeuge weitergeben. Daten aus anderen Systemwelten können auch besser verifiziert werden. Fehlinformationen werden weiter minimiert – der Fahrer bzw. das Fahrzeug erhält plausibilisierte Daten in kürzester Zeit. Der große Mehrwert sind bessere, schnellere und qualitativ hochwertigere Infos an den Verkehrsteilnehmer, insbesondere durch die Integration dieser Meldungen in die Warnsysteme der Autos. Damit warnt das Auto den Fahrer vor Gefahren, und nicht das Infotainment-System des Fahrzeugs.

(+) plus: Welche Überlegungen gibt es bei der Asfinag zum Thema autonomes Fah­ren?

Datler: 2020 gehen wir vom Start des sogenannten hochautomatisierten Fahrens in Österreich aus. Weit über bereits jetzt gängige Assistenzsysteme hinaus muss der Fahrer das System Auto dann nicht mehr dauernd überwachen, es blinkt oder wechselt selbst die Spur. Unser Netz hat für die innovative Autobranche als erstes Versuchsfeld einen unschätzbaren Vorteil. Eine Autobahn ist eine Abfolge von verkehrlichen Standardsituationen – Einordnen, Abbremsen, Beschleunigen – und damit unter der Komplexität des Stadtverkehrs mit Fußgängern, Radfahrern oder Zebrastreifen.

Als Autobahnbetreiber haben wir langfristig gesehen die Informationen, um den Bordcomputer in Echtzeit oder vor Fahrtantritt mit relevanten Daten zu füttern – aktuelle Staus, Nässe auf der Fahrbahn, ein auf Rot geschalteter Tunnel oder genaue Baustellenführungen. Dies ist vor allem in der Testphase wesentlich. Diese Informationen unterstützen automatisierte Fahrzeuge in Situationen, wo Fahrzeugsensoren alleine nicht ausreichen.

Spannend ist dann, wie das Auto die Daten auch zur Steuerung während der Fahrt verwertet. Wie verhält es sich nicht nur vor der bekannten Mautstelle, sondern auch 500 Meter vor einem neuen Stauende oder dem plötzlich auftauchenden Warnleit-Anhänger?

(+) plus: Wie weit ist man mit der konkreten Umsetzung?

Datler: Bislang gibt es noch keine Strecke mit der erforderlichen Dichte an Sensoren, um ein autonomes Auto zu leiten. Im Abschnitt Graz-West, Graz-Ost bis Laßnitzhöhe soll sich das in den kommenden Monaten ändern, er wird ab 2017 die erste Teststrecke für Pkws sein. Deshalb bauen wir derzeit lückenlose Videosysteme ein und perfektionieren die Erfassung von Verkehrsdaten.

Im Unterschied zu anderen internationalen Teststrecken können wir unseren Testpartnern dann auch Informationen über die Reaktion anderer Verkehrsteilnehmer auf das Testfahrzeug liefern. Das ist besonders wichtig, weil wir relativ lange einen Mischverkehr aus automatisierten und nicht automatisierten Fahrzeugen auf unserem Netz haben werden.

(+) plus: Bereits jetzt ist die Asfinag auch abseits ihres eigentlichen Kerngeschäfts aktiv und errichtet etwa Windenergie- und Photovoltaikanlagen, die »grüne Tunnel« mit Strom versorgen.

Datler: Zum Betreiben unserer Anlagen brauchen wir Energie. Besonders die sicherheitstechnischen Anlagen in den Tunnels haben einen hohen Stromverbrauch. Wir wollen durch den Einsatz neuer Technologien unsere Anlagen energieeffizient gestalten. Beispielsweise verwenden wir bei neuen Tunnels nur noch LED-Lampen. Auch bei der Erzeugung von erneuerbarer Energie etwa für den Eigenbedarf gibt es bereits erste Überlegungen und Versuche. Besonders Kleinwasserkraftwerke und Photovoltaikanlagen in der Nähe unserer Tunnelanlagen sollen Energie liefern.

(+) plus: Gibt es weitere Überlegungen jenseits des eigenen Tellerrandes?

Datler: Ein weiterer Handlungsfeld ist die Zusammenarbeit mit Partner aus anderen Verkehrsbereiche.nÜber die Verkehrsauskunft Österreich (VAO) werden auch unter Verwendung von Daten der Asfinag multimodale Routing Services generiert, die ebenfalls für z.B. Hersteller von Navigationsgeräten von Interesse sein können. Auch hier werden bereits mehrere Verhandlungen mit interessierten Partnern geführt.


Beispiele für digitale Applikationen, die bei der Asfinag intern für verbesserte Betriebsabläufe und Steigerung der Qualität gesorgt haben:

Ein eigenes, digitales Dokumentenmanagementsystem archiviert geschäftsrelevante Dokumente von allen Gesellschaften – revisionssicher und rasch verfügbar.

GIS: Das Geografische Informationssystem (GIS) verwaltet das Asfinag-Netz, Infrastrukturobjekte und Geodaten (z. B. Luftbilder, Kataster), bietet Informationen zu Projektanforderungen, Bauprogramm und führt raumbezogene GIS-Analysen durch.

IT-HelpCenter: Im IT-HelpCenter, der Informationsplattform des IT Competence Centers, finden sich aktuelle Formulare, Anleitungen und Links zu Softwareprodukten. Weiters finden sich unter FAQ Antworten zu häufig gestellten Fragen.

Vergabeplattform Provia: Die ÖBB und die Asfinag haben eine neue digitale Vergabeplattform namens Provia. Sie soll den Lieferanten mehr Transparenz und Effizienz bieten sowie die Vergabeabläufe beschleunigen. Provia ist eine Eigenentwicklung der beiden Infrastrukturanbieter. Die Rechtssicherheit wird durch die digitale Signatur gewährleistet. Auf provia.at gibt es eine eigene Videoanleitung zur Handhabe, weniger digital versierte Personen können auch eine Hotline anrufen. Mit Provia soll es auch Kleinbetrieben erleichtert werden, an den Ausschreibungen von ÖBB und Asfinag teilzunehmen.

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