»Leistbares Wohnen« ist eines der politischen Top-Themen unserer Zeit. Ein wichtiges Instrument ist die Wohnbauförderung – doch deren aktuelle Performance ist durchwachsen. Dass sich das durch die im Finanzausgleich festgelegten Änderungen verbessern wird, scheint mehr als fraglich.
Auch wenn aktuell Themen wie die Flüchtlingskrise oder der Vormarsch der Populisten den tagespolitischen Diskurs bestimmen, bleibt das Thema »leistbares Wohnen« weiter auf der politischen Agenda. Schließlich stiegen die Wohnungsmieten in den ersten acht Monaten des Jahres 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund drei Prozent. Das ist fünfmal schneller als die Verbraucherpreise insgesamt. Im Oktober erhöhten sich die Mieten im Jahresvergleich um 3,7 Prozent und waren maßgeblich mitverantwortlich für die mit 1,3 Prozent höchste Inflation seit November 2014.
Das Modell der Wohnbauförderung, das auch international als Erfolgs- und Vorzeigemodell einen guten Ruf genießt, sollte dieses Davongaloppieren der Mieten eigentlich verhindern, doch die Performance des Modells ist in letzter Zeit zumindest durchwachsen. So wurde etwa laut einer Studie des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen IIBW im Auftrag des Fachverbandes der Stein- und keramischen Industrie im Jahr 2015 mit 65.700 Wohnbaubewilligungen zwar der höchste Wert seit 20 Jahren erreicht, die Ausgaben im Rahmen der Wohnbauförderung brachen aber um 14 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro ein. Nur noch 30 Prozent der neu errichteten Eigenheime und 60 Prozent der Geschoßwohnungen werden mit Fördermitteln kofinanziert. Der aktuelle Bauboom wird also vor allem vom frei finanzierten Wohnbau getragen.
»Diese Entwicklung ist gerade hinsichtlich der starken Zuwanderung und des entstehenden Wohnungsbedarfs fatal«, kommentiert Fachverbandsgeschäftsführer Andreas Pfeiler. Auch Wolfgang Amann, Studienautor und Leiter des IIBW, weist auf die Problematik der sinkenden Neubauförderung hin, »denn mit einem immer geringeren Anteil an kofinanzierten Wohnungsbauten kommt der öffentlichen Hand ein wichtiges Lenkungs-Tool im Wohnbau abhanden«.
Leere Worte
Der wohnpolitische Sündenfall war die Aufhebung der Zweckbindung im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen im Jahr 2008. Damals wurden die vom Bund an die Länder überwiesenen Wohnbauförderungszweckzuschüsse abgeschafft und flossen seitdem als Ertragsanteile »ohne Mascherl« in die allgemeinen Budgets der Ländern. Nicht selten wurden damit Budgetlöcher gestopft, die im Zuge der Finanzkrise 2008 an allen Ecken und Enden auftauchten.
Zwar wurde von den zuständigen Wohnbau- und Finanzlandesräten fast gebetsmühlenartig wiederholt, dass eine Zweckbindung überhaupt nicht nötig sei, weil man ja ohnehin viel mehr als den früheren, zweckgebundenen Bundeszuschuss in den Wohnbau investieren würde. Einer genauen Überprüfung halten diese Beteuerungen allerdings nicht stand, wie der Bau & Immobilien Report Anfang dieses Jahres feststellte (siehe Tabelle S. 22). Vergleicht man die Bundeszuschüsse, die bis 2008 an die Länder überwiesen wurden, mit den Landesmitteln, die 2016 in den Wohnbaufördertopf fließen, zeigt sich, dass in der Mehrzahl der Bundesländern ein Rückgang zu verzeichnen ist – und das selbst ohne Berücksichtigung der Inflation in den letzten acht Jahren.
Dazu kommt, dass die Landesmittel in vielen Ländern auch nur deshalb relativ hoch sind, weil die Wohnbaudarlehen verkauft wurden und damit ein sich in weiten Teilen selbst erhaltendes System ausgehebelt wurde. Deshalb bemühten sich alle wesentlichen Stakeholder der Wohnbauwirtschaft um eine Wiedereinführung der Zweckbindung im Zuge der aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen. Allerdings vergeblich.
Nicht nur schlecht
Wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren ist, hatte die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung nie eine realistische Chance. Zu groß war der Widerstand der Länder, die ihre neu gewonnene Freiheit nicht aufgeben wollten. Dennoch brachte der Finanzausgleich auch Neuerungen, die durchaus positiv gesehen werden. Sowohl Wolfgang Amann als auch Karl Wurm, Obmann des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), begrüßen die neuen Zuständigkeit der Länder für die Einhebung und Festsetzung des Wohnbauförderungs-Beitrages. »Allerdings ist die Zielsetzung, diese für den Wohnbau zu kanalisieren, keine solide Grundlage für die angestrebte höhere Planungssicherheit sowohl bei den Bundesländern als auch der Bauwirtschaft«, so Wurm.
»Hoch erfreut« zeigt sich Wurm auch über die Ankündigung, die »Standards und Normen« im sozialen Wohnbau reduzieren und eine bundesweite Vereinheitlichung der technischen Vorschriften der Bauordnungen in die Wege leiten zu wollen. Für Wolfgang Amann ist die Verländerung der Wohnbauförderung nicht nur eine konsequente Weiterentwicklung der gelebten Praxis, sondern auch Garantie für ihren langfristigen Bestand. »Ohne diese Verländerung wäre der Wohnbauförderungsbeitrag ein sicherer Streichkandidat im Zuge einer größeren Steuerreform gewesen.« Außerdem begrüßt Amann die Ankündigung, dass bis 2018 eine umfassendes Paket für eine bessere Bedarfsorientierung der Wohnbauförderung geschnürt werden soll.
Weniger zufrieden zeigen sich die Sozialpartner. »Die Zweckbindung ist im Koalitionspapier vereinbart. Sie wurde auch bereits von Regierungsverantwortlichen gefordert. Es wurde aber immer wieder blockiert. Ich frage mich: Warum?«, sagt etwa Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister Bau. »Wenn die Länder behaupten, die Bundeswohnbaugelder ausschließlich für leistbares Wohnen einzusetzen, dann kann einer Zweckbindung ja nichts im Wege stehen.« Auch Josef Muchitsch, Chef der Gewerkschaft Bau-Holz, zeigt sich vom Ergebnis enttäuscht. »Die Verländerung des Wohnbauförderungsbeitrages kann zu unterschiedlichen Lohnnebenkosten sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in den einzelnen Bundesländern führen«, gibt Muchitsch zu bedenken.
Große Unternehmen könnten ihre Mitarbeiter dann an einem Firmensitz anmelden, wo es günstiger ist. Außerdem kritisiert Muchitsch, dass mit der neuen Regelung Bürokratie aufgebaut statt reduziert wird. Zwar wurde auch vereinbart, dass die neun unterschiedlichen Bauordnungen vereinheitlicht werden sollen, aber auch da hat Muchitsch seine Zweifel. »Es ist ja nicht einmal gelungen, ein gemeinsames Jugendschutzgesetz zu schaffen, das logisch und inhaltlich wesentlich einfacher erscheint.«
Die Wohnbauförderung muss laut Muchitsch wieder zurück zu ihren Wurzeln, nämlich über die Wohnbauförderung leistbaren Wohnraum schaffen und sanieren. »Wenn die Länder nicht einlenken, dann muss man einen anderen Weg einschlagen.« Wie dieser Weg aussehen könnte, wird derzeit in der sozialpartnerschaftlichen Nachhaltigkeitsinitiative Umwelt+Bauen intensiv diskutiert.