Mittwoch, Februar 05, 2025

Die elektronische Gesundheitsakte ELGA ist ein weltweit einmaliges IT-Projekt. Trotz einiger Skepsis und ungeklärter Kostenübernahme, zeigt sich Volker Schörghofer, stellvertretender Generaldirektor des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, hinsichtlich der planmässigen Umsetzung zuversichtlich.

(+) plus: Welche Vorteile bringt uns ELGA?

Volker Schörghofer: Alle an der Behandlungskette beteiligten Personen – also Ärzte, Pfleger und Apotheker – sollen sich durch bessere Information über den Gesundheitszustand bzw. die Vorerkrankungen, Diagnosen und Medikation rasch ein Bild machen und gezielt handeln können. Die Qualität und Patientensicherheit wird dadurch gesteigert. Bisher erfolgt die Gesundheitsdatenverarbeitung nur in Bezug auf Dokumente, die das Krankenhaus oder der niedergelassene Arzt selbst erstellt hat. Künftig sollen auch die Informationen und Befunde allen Zugriffsberechtigten zur Verfügung stehen, nicht nur im Zuge der bereits heute üblichen »gerichteten« Kommunikation, bei der etwa das Labor den Befund an den zuweisenden Arzt schickt.

(+) plus: Gibt es Fälle, wo sich die Vernetzung bereits bewährt hat?

Schörghofer: Eine bewusstlose Patientin wurde im UKH Meidling aufgenommen, der Arzt konnte im System vier Befunde einsehen und wirklich rasch helfen. Das hat auch die Notfallmediziner überzeugt. Aufgrund der e-Medikationsliste kann man leichter Rückschlüsse ziehen. Bei Diabetikern kommt es zum Beispiel manchmal zu einem hypoglykämischen Schock durch Unterzuckerung. Bei Patienten, die Blutverdünner nehmen, muss man bei einer Operation aufpassen, weil die Blutgerinnung beeinträchtigt ist. Bisher war man hier auf Informationen der Angehörigen oder der Patienten selbst angewiesen. Schon die Anamnese gestaltete sich aber oftmals schwierig, weil sich viele Menschen die Bezeichnungen der Medikamente kaum merken können. Auch Wechselwirkungen und Mehrfachverordnungen kann das System sehr gut aufzeigen.

(+) plus: Welche Schwierigkeiten gab es bei der Umsetzung?

Schörghofer: Das System muss gut in die eigene Software integriert sein. Ärzte wollen möglichst nicht mit zwei verschiedenen Applikationen zu arbeiten. Bei manchen Softwareprodukten ist die Integration von e-Medikation besser gelöst als bei anderen. Hat ein Arzt eine aktuelle IT-Infrastruktur, funktioniert es erfahrungsgemäß problemlos. Allerdings wollen viele Ärzte die Kosten dafür nicht tragen. Die sogenannte »Anschubfinanzierung« ist als Fördermaßnahme des Gesundheitsministeriums geplant.

(+) plus: Wie groß ist das Einsparpotenzial?

Schörghofer: Die Kosteneinsparungen ergeben sich durch zwei Effekte: der Vermeidung von unnötigen Doppelverordnungen sowie durch Folgekosten aufgrund von unerwünschten Wechsel- und Nebenwirkungen und Medikationsfehlern. Es gibt Studien über Spitalsaufenthalte, die erst durch Unverträglichkeiten von Medikamenten ausgelöst wurden. Dadurch entstehen signifikante Kosten, Leid für Patienten könnte vermieden werden.

(+) plus: Aufgrund der sensiblen Daten ist Sicherheit ein zentrales Thema. Wie gehen Sie damit um?

Schörghofer: Der Zugang zu den Daten ist nur mit Zustimmung des Patienten über Stecken der e-card möglich. Der Arzt oder Apotheker kann nicht einfach so auf alle Dokumente zugreifen. Jeder Zugriff wird zudem protokolliert. Über das ELGA-Portal kann jeder Patient selbst in das Protokoll einsehen. Unerlaubte Zugriffe werden nach dem Strafgesetzbuch geahndet.

Wirksam wird ELGA vorwiegend bei chronisch Kranken und älteren Menschen, weil sie mehr Ärzte aufsuchen müssen  und deshalb mehr Daten generiert werden. Diesen Gruppen ist die Gesundheit und bestmögliche Behandlung in der Regel wichtiger als der Datenschutz. Den Patienten ist es unverständlich, wenn zwei medizinische Einrichtungen, die fast Tür an Tür liegen, keine Informationen austauschen.

(+) plus: Warum sind Reformen im Gesundheitsbereich besonders schwierig?

Schörghofer: Ein niedergelassener Arzt ist im Grunde ein Kleinunternehmer und sieht die EDV eher als Kostentreiber. Dazu kommt die Angst, in den vorhandenen
Daten etwas zu übersehen und Fehler zu machen. Daher befürchten die Ärzte ein höheres Haftungsrisiko.

Apotheker sehen hingegen eine Chance, ihre Beratungsfunktion zu stärken und sich gegen den Internet­handel zu behaupten. Hat ein Pharmazeut den Überblick über die gesamte Medikation, kann er auch die Wechselwirkungsprüfung durchführen und einen Einnahmeplan erstellen. Das ist sicher ein wesentlicher Qualitätsvorteil.

(+) plus: Widerstände gab es auch schon bei der Einführung der e-card. Sind Sie zuversichtlich, dass sich auch diesmal die Aufregung legen wird?

Schörghofer: Auch bei anderen IT-unterstützten Lösungen wie etwa elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldungen, Vorsorgeuntersuchungen oder Brustkrebs-Screening kam nach langwierigen Verhandlungen kurz vor dem Start plötzlich das Veto. Zwei Jahre später wird die Anwendung dann doch akzeptiert. Tatsache ist: Je länger es dauert, desto teurer wird es.

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