Zum fünften Mal fand am 4. Oktober 2016 der Wiener Unternehmensrechtstag statt. Unter der fachlichen Leitung von Susanne Kalss (Wirtschaftsuniversität Wien) und Ulrich Torggler (Universität Wien) gaben Experten aus Recht und Wirtschaft einen Überblick über aktuelle Entwicklungen zu gesellschaftsrechtlich, kapitalmarktrechtlich und datenschutzrechtlich relevanten Auskunfts- bzw. Verschwiegenheitspflichten von Unternehmen und diskutierten die Umsetzung in der Praxis mit Experten. Initiiert und unterstützt wurde diese Tagung von der B&C Privatstiftung.
Unternehmen sind im Zusammenhang mit der Informationsweitergabe mit zahlreichen Berichtspflichten einerseits und Verschwiegenheitspflichten andererseits konfrontiert – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Schranken der Informationsweitergabe und gesellschaftsrechtliche Auskunftspflichten müssen aufeinander abgestimmt werden. Diese erstrecken sich über viele unterschiedliche Rechtsbereiche, die Manager im Vorstand und Aufsichtsrat sowie Rechtswissenschaftler gleichermaßen vor Herausforderungen stellen. Rund 140 Rechts- und Wirtschaftsexperten diskutierten über gesellschaftsrechtliche, kapitalmarktrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen und die Umsetzung in der Praxis anhand von konkreten Fallbeispielen.
Im Dachgeschoss des Juridicums wurden die Teilnehmer von den diesjährigen Gastgebern Paul Oberhammer (Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien) und Ulrich Torggler, der die Tagung gemeinsam mit Susanne Kalss, LL.M. fachlich leitete, begrüßt. Die Veranstaltung geht auf eine Initiative der B&C Privatstiftung zurück und fördert den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu aktuellen Fragen des Gesellschafts- und Unternehmensrechts.
Informationsrecht: Theorie und Praxis klaffen auseinander
Ulrich Torggler von der Universität Wien ging in seiner einleitenden Rede auf die strukturelle Herausforderung der Informationsaufbereitung in Unternehmen ein. In der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft ist so viel Wissen wie noch nie zuvor sehr einfach verfügbar, gleichzeitig steigt die Bedeutung von vertraulichem Sonderwissen. Unternehmen bewegen sich ständig in einem Spannungsfeld zwischen Informationszurückhaltung und –verbreitung. Abhängig vom Grad ihrer arbeitsteiligen Organisation gibt es zahlreiche gesetzliche Regelungen, die zu beachten sind. In der Praxis sind Interessenskonflikte zwischen Unternehmen und Share- und Stakeholdern vorprogrammiert, dabei können Theorie und Praxis auch auseinanderklaffen.
Informationen zur Vertrauensbildung müssen über das Mindestmaß hinausgehen
Susanne Kalss von der Wirtschaftsuniversität Wien gab einen Überblick über das Informationsrecht im Gesellschaftsrecht. Informationspflichten und Informationsansprüche bestehen im Gesellschaftsrecht seit jeher, allerdings haben sie in den letzten Jahren eine deutliche Aufwertung erfahren. Für die Vertrauensbildung ist Information ein wesentlicher Bestandteil. Allerdings reicht die rechtlich verpflichtende Informationsweitergabe allein für eine Vertrauensbildung nicht aus, eigentlich kann Vertrauen nur durch freiwillig erteilte Information gebildet werden, die über den gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt hinausgeht.
Die Entwicklung der Informationsansprüche im Gesellschaftsrecht ist sehr dynamisch: Das Informationsrecht der persönlich haftenden Gesellschaften der OG und GesBR ist nunmehr zwingend und kann nicht ausgeschlossen werden. Für GmbH-Gesellschafter ist mit dem ABGB erstmals eine gesetzliche Grundlage – wenn auch außerhalb des GmbHG – geschaffen. Dies gilt nicht nur für aktuelle, sondern ebenso für ehemalige Gesellschafter mit einem rechtlich nachweisbaren Interesse. Voraussetzung ist, dass ein funktionaler Bezug zur Gesellschaft besteht. Die Auskunftspflicht ist dann beschränkt, wenn eine Schädigung durch Konkurrenztätigkeit oder Rechtsmissbrauch zu befürchten ist.
In einer Aktiengesellschaft ist die Auskunft auf die Hauptversammlung konzentriert. Derzeit ist eine interessante Entwicklung festzustellen: Institutionelle Investoren suchen zunehmend das Gespräch mit Mitgliedern des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat darf und kann nur in bestimmten Angelegenheiten Auskunft geben. Diese betreffen Informationen, die den Aufsichtsrat selbst betreffen, und Fragen rund um die Abschlussprüfung. Begrenzt ist die Auskunft, wenn dadurch eine Schädigung der Gesellschaft oder strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten sind. Insiderschutz, Datenschutz, Bankgeheimnis, auch vertragliche Geheimhaltungsklauseln sind zu beachten. Im Bereich der Gleichbehandlung lässt das Gesetz aber auch bei entsprechender sachlicher Differenzierung Gestaltungsmöglichkeiten zu, die über das Mindestmaß an Information der Hauptversammlung hinausgehen.
Unterschiedliche Rechtsmeinung zu Schweigepflichten bei Entsendung
Franz Marhold, Institutsvorstand für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, stellte in seinem Vortrag die Verschwiegenheitspflichten nach dem Arbeitsverfassungsgesetz jenen nach dem Aktiengesetz gegenüber. Grundsätzlich liegt der Unterschied zum Aktiengesetz darin, dass der Betriebsrat in seiner Vertretungstätigkeit die Schweigepflicht durchbrechen kann. Ein Sonderfall stellt die Entsendung eines Arbeitnehmervertreters in den Aufsichtsrat dar – hier gehen die Rechtsmeinungen, was die Eigenverantwortlichkeit betrifft, auseinander. Jedenfalls gilt das Verschwiegenheitsgebot aller Aufsichtsratsmitglieder – sowohl der Kapitalvertreter als auch der Aufsichtsratsvertreter – als Grundprinzip. Fazit war, dass die Verschwiegenheitspflicht den Grundsatz bildet, Ausnahmen sind in Einzelfällen anzuerkennen.
Weitergabe von Insiderinformationen zur Marktsondierung zulässig
Martin Oppitz, a2o legal Rechtsanwälte, ging in seinem Vortrag über kapitalmarktrechtliche Schranken der Informationsweitergabe auf die neuen Regelungen über Insiderinformationen ein. Das Weitergabeverbot von Insiderinformationen ist nunmehr in der Marktmissbrauchsverordnung der Europäischen Union (MAR) geregelt. Neu ist dabei unter anderem die Regelung über die zulässige Informationsweitergabe im Bereich der Marktsondierungen, in der Phase der Auslotung, ob institutionelle Investoren bereit sind, eine geplante Kapitalerhöhung zu zeichnen. Neben der europarechtlich vorgeprägten Regelung zu Insiderinformation der MAR enthält das österreichische Börsenrecht weiterhin auch Regelungen zu Compliance relevanten Informationen. Diese gelten noch nicht als Kurs beeinflussend und sind daher keine Insiderinformationen und somit nicht ad hoc-publizitätspflichtig. In der Praxis bereitet die Abgrenzung zwischen Insiderinformationen und Compliance relevanten Informationen häufig Schwierigkeiten, welche im Einzelfall zu prüfen sind. Das Insiderrecht ist als Bestandteil des Kapitalmarktrecht öffentliches Recht. Sie enthält allerdings kaum klare Abgrenzungen im Hinblick auf die Zulässigkeit der Informationsweitergabe, sondern verweist auf Wertungen anderer Teilrechtsordnungen, insbesondere des Gesellschafts- oder des Arbeitsrechts, die anzuwenden sind. Dies macht die strafrechtliche Vollziehung auch schwer vorhersehbar.
Neue EU-Verordnung bringt drastische Strafen bei Datenschutz-Verletzungen
Lukas Feiler, Baker McKenzie Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte, gab einen Ausblick auf die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai 2018 das derzeit geltende Datenschutz Gesetz DSG 2000 ablösen wird. Regelungsgegenstand bleiben elektronisch verarbeitete Daten. Die neue DSGVO sieht bei Datenschutzverletzungen drastische Strafen vor: bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des jährlichen weltweiten Konzernumsatzes. Im Unterschied zum derzeit geltenden Recht, bei dem der Datenschutz sowohl für Informationen über natürliche Personen als auch über juristische Personen gilt, wird die neue Datenschutzverordnung auf die erste Fallgruppe beschränkt. Im Zusammenhang mit Unternehmen können das z. B. Kunden- oder Mitarbeiterdaten sein. Daten über eine Gesellschaft zählen nicht zu Personen bezogenen Daten – eine Ausnahme besteht nach bisheriger Judikatur, wenn der Firmenwortlaut von dem Namen einer natürlichen Person abgeleitet ist. Eine Besonderheit des österreichischen Rechts ist, dass die Ausgabe von Arbeitnehmerdaten eine vorangehende Betriebsvereinbarung voraussetzt, was international nicht üblich ist.