Samstag, Dezember 21, 2024

Auf Einladung der Denkfabrik Academia Superior in Kooperation mit der US-Botschaft und dem Studiengang Politische Bildung der JKU, war der texanische Wahlkampf-Experte Prof. Daron R. Shaw zu Gast im Science Park der Johannes-Kepler-Universität Linz und diskutierte mit Landesrat Dr. Michael Strugl und einer kleinen Gruppe interessierter Wissenschafter und Wirtschaftsvertreter, darunter auch WKOÖ-Vizepräsidentin Angelika Sery-Froschauer, darüber, was Wahlkampagnen erfolgreich macht und wie sie sich im digitalen Zeitalter verändern.

Anlass dafür war der aktuelle Präsidentschaftswahlkampf in den USA, der alte und völlig neue Strategien, Ansätze und Phänomene zum Vorschein bringt.

Big Data – eine Hochburg für Strategen?

Dank Digitalisierung lassen sich Menschen zunehmend spezifischer bestimmten Zielgruppen zuordnen. Vorlieben und Denkmuster können aufgrund digitaler Spuren, die jede und jeder von uns im Internet hinterlässt, relativ leicht zugeordnet werden. Die Digitalisierung stellt Kampagnenstrategen damit neue Werkzeuge für die Analyse und zielgruppenspezifische Werbung zur Verfügung. Wer heute eine erfolgreiche politische Kampagne will, muss Big Data-Analysen und das individuelle Ansprechen von Bürgerinnen und Bürgern unter einen Hut bringen. „Big Data mit persönlichkeitsbezogenem Kontext zu kombinieren ist wahrscheinlich die effektivste Art, Menschen zu erreichen“, so der amerikanische Wahlkampf-Experte.

Von Tür zu Tür

Doch Big Data ist nicht die Antwort auf alle Fragen. Momentan wird vieles erst ausgelotet und es fließen Unsummen an Geld in Auswertungen, die nicht zwingend die erwarteten Resultate bringen. Für Wahlstrategen ist es deshalb derzeit nicht einfach, wirklich relevante Inhalte herauszulesen, denn was letztlich zählt ist die Qualität der eingebrachten Informationen und – noch wichtiger – ob sie sich in Wahlverhalten umsetzten lassen. Deshalb, so ist Shaw sicher, wird die Digitalisierung die klassischen Instrumente wie Fernsehwerbung oder die direkte Begegnung zwischen Kandidaten und Wählern nicht ablösen. Der typische Wahlkampf in den USA heißt nach wie vor „face-to-face“ und „door-to-door“. Nicht umsonst betreibt Hillary Clinton derzeit 291 Wahlbüros in den sogenannten „Battleground States“, Donald Trump hingegen nur 88.

TV schlägt Internet

Michael Strugl zeigt sich überrascht, dass im aktuellen US-Wahlkampf verhältnismäßig wenig Geld in digitale Kampagnen fließt und ein Übermaß in Fernsehwerbung: „In Europa gehen wir davon aus, dass bei Wahlkampagnen die Zukunft im Digitalen liegt.“ „Da seid ihr in Europa weiter,“ stimmt der Experte zu. Er sieht den Trend zu einem Basissockel an Fernsehwerbung und einem Großteil an Ausgaben für Internet und Face-to-Face. „Doch es ist wie beim nuklearen Aufrüsten: wenn der eine etwas macht, glaubt der andere, er muss nachziehen“, erklärt Shaw.

Aktuelle Studien des Wissenschafters, der die Wahlanalysen für den einflussreichsten amerikanischen Nachrichtensender FOX News macht, zeigen darüber hinaus, dass Wahlwerbung im Fernsehen noch um ein Vielfaches wirkungsvoller ist, als Werbung im Internet. Allerdings nur gezielte Fernsehwerbung, denn breit gestreut bringt sie kaum etwas. Und genau dorthin fließen auch wenig überraschend bei weitem die größten Werbeausgaben der beiden Kandidaten: bisher 113,9 Millionen aus der Clinton-Kampagne und 18,7 Millionen von Trump. Wenn in Zukunft immer mehr Fernsehgeräte mit dem Internet verknüpft sind, könnte auch Wahlwerbung im Fernsehen auf einzelne Zuseher zugeschnitten werden, um Wahlverhalten noch gezielter zu beeinflussen. Ähnlich wie in der Werbebranche erwartet sich Shaw diesbezüglich große Veränderungen politischer Kampagnen. Strengere Datenschutzregeln in Europa machen dies in unseren Breitengraden weit schwieriger umsetzbar.

90% der Kampagne von Trump besteht darin, dass er twittert

Weshalb schneidet also Trump so gut ab, obwohl seine Werbebudgets weit hinter denen von Clinton stehen? Woher rührt seine Popularität und Präsenz? "Alles, was Trump tut, ist twittern. Das sind 90% seiner Kampagne.“ Mit seinen Tweets erwirkt er durchwegs kontroversielle aber dafür redaktionelle Medienpräsenz und Medienberichterstattung. Damit punktet er und positioniert sich medial, ohne dafür viel Geld in die Hand nehmen zu müssen.

Warum Politiker bei TV-Duellen die Fragen nicht beantworten

Politiker gewinnen keine Wählerstimmen, indem sie sich bei Themen im politischen Zentrum positionieren. Sie gewinnen damit, dass sie bestimmte Themen für sich beanspruchen und alle aufkommenden Fragen auf „ihre“ Themen lenken. Das kann man z.B. in TV-Debatten gut verfolgen.

„Issue ownership“ heißt die Theorie dazu, d.h. man muss die Wähler davon überzeugen, dass es bei der Wahl um die Themen geht, die man selbst besetzt, nicht um die des Gegners.

„Wenn Trump es schafft, die Leute davon zu überzeugen, dass es bei der Wahl um Themen wie: Alt gegen Neu, Inkompetent gegen Kompetent, Korrupt gegen Nicht-Korrupt geht, hat er gute Chancen. Wenn es aber eine Links gegen Rechts-Diskussion darüber gibt, wie viel wir für Bildung ausgeben sollen, wird Hillary gewinnen.“

Es ist also eine Auseinandersetzung über die Kontrolle der Themen, nicht über die glaubhafte Positionierung in Sachfragen. „Es geht nicht darum, dass sich der Kandidat im politischen Zentrum zwischen links und rechts bewegt, sondern dass seine Themen die sind, an die der Wähler denkt, wenn er wählen geht.“

Diese Rahmenerzählungen gewinnen Wahlen

Wer derzeit Wahlen gewinnen will, hat es nicht schwer. Denn es gibt zwei Rahmenerzählungen, die dem aktuellen weltweiten politischen Trend folgend durchgehend Wählerstimmen gewinnen, nämlich: „Erstens, die Regierung ist korrupt und Zweitens, die Regierung ist inkompetent. Sie funktionieren praktisch in jedem politischen System, das es gibt,“ mahnt der Experte. Das macht es für Kandidatinnen wie Clinton so schwierig, denn sie muss einerseits Obama in Schutz nehmen, sich aber gleichzeitig abgrenzen. Da hat es ein Quereinsteiger wie Trump deutlich einfacher, das Establishment anzuprangern.

Wie man Menschen dazu bekommt, wählen zu gehen

Auch zur Mobilisierung von Wählern stellt Shaw ein denkwürdig einfaches Prinzip vor, das er als „shaming“ bezeichnet: „Man beschämt die Wähler. Das ist enorm effektiv,“ meint der Experte und zeigt auch gleich, wie das geht: „Wenn du jemandem einen Brief schickst, dass er laut Wählerverzeichnis bei den letzten 10 Wahlen nie wählen war, in seiner Nachbarschaft aber 80% der Leute schon, wirkt das garantiert bei den meisten.“ "Nur tut das keiner, weil man niemanden vor den Kopf stoßen möchte", ergänzt er. Auch datenschutztechnische oder ethische Fragen spielen in die Verwendung derartiger Maßnahmen natürlich eine Rolle.

Wann werden wir Online wählen?

Auf die Frage, ob wir in naher Zukunft auch über das Internet unsere Stimmen abgeben werden, winkt Shaw ab: „Wir sind noch mindestens 12 Jahre entfernt von Internet-Wahlen. Die Sicherheitsrisiken sind zu hoch und gerade in den USA ist man aus Angst vor Hackerangriffen sehr vorsichtig“. Erschwerend komme noch hinzu, dass es in jedem Bundesstaat ein eigenes Wahlrecht gibt, das macht die Sache enorm komplex.

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