Innovationen sind das Lebenselixier von Unternehmen. Wer neue Lösungswege finden will, muss aber aus bestehenden Strukturen und konventionellen Denkmustern ausbrechen. Der Mut zur Veränderung stand im Mittelpunkt des 22. qualityaustria-Forums in Salzburg.
Mit 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter viele Gäste aus dem benachbarten Ausland, verzeichnete das diesjährige qualityaustria-Forum einen neuen Besucherrekord. Es war das Thema »Mut zu neuen Bildern im Kopf«, das das Publikum am 9. März so zahlreich in den Salzburg Congress lockte. Meinungen in Frage stellen, über den Tellerrand blicken, einmal gegen den Strom schwimmen – wie dies im Unternehmensalltag gelingen kann, sorgte auch in den Pausen für angeregte Diskussionen. Die Erreichung der »kritischen Ziffer« von 1.000 Teilnehmern, die Konrad Scheiber, CEO der Quality Austria Trainings-, Zertifizierungs-und Begutachtungs GmbH, mit seinem Team für das kommende Jahr anpeilt, scheint in greifbarer Nähe.
Scheiber strich in seinem Impulsreferat die Veränderungen heraus, denen auch Audits im Laufe der Zeit unterworfen waren und sind: »Entwicklungen wie Industrie 4.0, wachsende Compliance-Anforderungen, ein sich veränderndes interkulturelles Umfeld sowie Energie- und Ressourceneffizienz sind nur einige Faktoren, die von Organisationen mehr denn je Agilität in einem dynamischen Umfeld erfordern.«
Aus der Komfortzone
Quality Austria steht heuer vor besonderen Herausforderungen. Nach dem gelungenen Abschluss der Revision der ISO 9001 im Vorjahr erwartet Anni Koubek, Prokuris-tin für den Bereich Innovation und Business Development bei Quality Austria und Mitgestalterin der neuen Standards, für 2016 die meisten Umstiege von ISO 9001:2008 auf die neue Qualitätsmanagementnorm. Keines der bisher geprüften Unternehmen plant, die Zertifizierung auslaufen zu lassen. 52 der 9.239 zertifizierten Unternehmen haben ihre Prozesse schon umgestellt. »Man muss nicht alles neu erfinden«, plädierte Koubek für mehr Flexibilität in der Umsetzung und ein positives Herangehen an die Anforderungen: »Ohne Einbindung der Mitarbeiter produzieren Sie Papiertiger.«
Bild: Podiumsdiskussion mit Julia Ganglbauer, Erik G. Hansen, Moderatorin Corinna Milborn und Axel Dick (v.li.)
Kritische Mitarbeiter stören manchmal gewohnte Abläufe, können jedoch wichtige Impulse liefern, wie Otmar Ehrl, Gründer der Agentur Querdenker International, in seinem Vortrag erläuterte: »Querdenker sind unangenehm, weil sie in klassische Strukturen nicht hineinpassen.« Statt auch einmal Fehler zu machen oder mit einer Idee zu scheitern, bleiben viele Menschen lieber in ihrer Komfortzone. »Auch eine Norm bietet enorm viele Spielräume, um kreativ zu sein«, merkte der Unternehmensberater mit einem Augenzwinkern in Richtung seiner Vorrednerin an: »Leider wird einem die Kreativität meist schon in der Schule abgewöhnt.« Um Kunden zu Fans und Freunden zu machen, brauche es interdisziplinäre Denker, die verändern und vorantreiben. »Quer- und Qualitätsdenker zu sein, ist anstrengend, aber es lohnt sich«, ermunterte Ehrl die Zuhörer.
Leuchtturmprojekt
Nach der Mittagspause beeindruckte Julia Ganglbauer, Teamleiterin für Qualität & Umwelt der Biogena Naturprodukte GmbH, mit einer Präsentation ihres »mutigen Unternehmens«, wie sie stolz erklärte. Durchaus mit Recht, verzeichnete das junge Unternehmen seit 2011 jährliche Umsatzzuwächse von 30 %. Mehr als 220 Präparate mit Mineralien und Spurenelementen werden inzwischen in vier Stores in Österreich und Deutschland vertrieben. Neben Vertrauen, Verantwortung und Wertschätzung wurde vor kurzem Mut als vierte Säule in das Wertegerüst des Unternehmens aufgenommen. »Bei uns stehen an erster Stelle die Mitarbeiter, erst dann die Kunden«, erklärte Ganglbauer die ungewöhnliche Unternehmensphilosophie. Zahlreiche Benefits wie der Bildungstausender oder ein Wohlfühlpaket tragen zur Stärkung der individuellen Potenziale bei. Im neuen Headquarter gibt es auch einen eigenen Zukunftsraum als Ort der Selbstentfaltung, Begegnung und Ideenfindung. Ökologische Verantwortung beginnt bei Biogena im Kerngeschäft: An der Entwicklung einer nachhaltigen Öko-Dose aus Zuckerrohr wurde monatelang getüftelt und eine halbe Million Euro investiert – eine Maßnahme, die über 100 Tonnen CO2 pro Jahr Einsparung bringt.
Bild: angeregte Gespräche auch beim Essen im Pausenfoyer.
Auch in der folgenden Podiumsdiskussion, geleitet von Puls-4-Moderatorin Corinna Milborn, stand der Lebenszyklus von Produkten im Fokus. Axel Dick, Prokurist für Business Development im Bereich Umwelt und Energie bei Quality Austria, wies auf den großen Erfolg des Energieeffizienzgesetzes hin: »Das Gesetz hat viel bewegt, die geforderten Ziele hinsichtlich Einsparung und Effizienzsteigerung wurden übererfüllt.« Material- und Ressourceneffizienz sowie nachhaltige Produktgestaltung werden zum zentralen Thema. Insbesondere durch die ISO 14001 bietet sich die Möglichkeit, eventuelle Marktrisiken rechtzeitig zu erkennen und über neue Produkte oder Geschäftsmodelle nachzudenken. Erik G. Hansen, Head of the Institute for Integrated Quality Design an der Johannes-Kepler-Universität Linz, betonte die besondere Bedeutung von Qualität für die Zukunft: »Qualität darf nicht als Prüf-, sondern als Gestaltungsansatz verstanden werden.« Der Lebenszyklus eines Produktes sei nicht nur eine technisch-funktionale Frage, sondern vielmehr unter einem gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Aspekt zu betrachten.
Das Unmögliche versuchen
Der Psychotherapeut und Kabarettist Bernhard Ludwig sorgte anschließend mit seiner »Anleitung zum lustvoll Leben« für Belebung der Lachmuskeln, auch wenn er sich zuvor für seine »bisher nur negativen Programme« entschuldigte. Unter seiner Ägide probte das Publikum dezentes sowie »emotional gefärbtes wildes Summen«, um sich schließlich zum gemeinsamen Jodeln durchzuringen. Vier Tricks, wie Zellen erneuert werden können, gab es als Draufgabe.
Nicht minder unterhaltsam ging die Veranstaltung mit dem Referat von Markus J. Reimer in ein fulminantes Finale. Der deutsche Auditor und promovierte Philosoph warf in bester Querdenker-Manier alle im Laufe der Tagung gewonnenen Erkenntnisse humorvoll über den Haufen: »Wenn Ideen so einfach zu finden sind, richten wir doch alle einen eigenen Raum dafür ein und stellen ein buntes Sofa hinein – das ist dann der Innovationsraum.«
Dass es in der Praxis nicht so leicht geht, liegt u.a. an Innovationskillern wie mangelndem Zeitbudget, so Reimer: »Die meisten Arbeitsplätze sind so konstruiert, dass man die Arbeit gar nicht schaffen kann. Man hört am Abend einfach auf und macht am nächsten Tag weiter.« Für Ideenfindung oder Querdenken bleibe schlichtweg keine Zeit. Auch der Mut zu Fehlern habe Grenzen und das Scheitern bei der Entwicklung von Prototypen sei angesichts hoher Investitionssummen selten ein Grund zum Feiern. Ohne Risiko gehe es andererseits nicht, resümierte der renommierte Speaker: »Innovation bedeutet immer Mut. Man weiß nie, wie es ausgeht. Mut wird nicht immer belohnt.« Das Unmögliche denken, Lösungen ins Gegenteil verkehren, sei eine gute Methode, um zu Innovationen zu kommen.
In diesem Zusammenhang ist Leadership gefragt: Es braucht Führungspersönlichkeiten, die vor Entscheidungen nicht zurückscheuen, genauso wie Mitarbeiter mit Strahlkraft, die für die Sache brennen und andere mitreißen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann eine fruchtbare Unternehmenskultur entstehen.