Die Kärntner Stadtgemeinde St. Veit an der Glan macht derzeit vor, wie eine saubere Energiezukunft zum Vorteil von Bevölkerung und Wirtschaft gleichermaßen umsetzbar ist.
Auf historischen Aufnahmen kann man sie noch sehen, die vom Hausbrand verursachten Schwaden über St. Veit an der Glan. Wenn es kalt wurde in der ehemaligen Eisenbahnerstadt, verheizten die Arbeiter billiges Holz in ihren Wohnungen – darunter auch Holz von Bahnschwellen. Das ist erst wenige Jahrzehnte her, heute können die Bewohner auch im Winter weitgehend saubere Luft atmen. Holz aus der Industrie wird immer noch im großen Stil in St. Veit verbrannt, allerdings sorgen Filteranlagen bei dem ansässigen Holzverarbeitungsunternehmen FunderMax für regulierte Emissionen.
Zu Beginn der 1990er-Jahre wurde gemeinsam mit dem Landesenergieversorger Kelag ein Fernwärmenetz errichtet, das mittlerweile gut 75 % der Haushalte im Gemeindegebiet versorgt. »Im Verhältnis zu unserer Einwohnerzahl haben wir das dichteste Fernwärmenetz Europas«, rechnet Andreas Reisenbauer, Stadtmarketing St. Veit, vor. Weit besser bekannt ist die über 13.000 Einwohner große Gemeinde aber durch einen Solarcluster, der die Wirtschaft und das Gesellschaftsleben gleichermaßen durchzieht.
Innovative Unternehmen
Die ehemalige Kärntner Herzogstadt ist die Heimat von Österreichs größtem heimischen Photovoltaik-Hersteller Kioto Solar und Greenonetec, einem Weltmarktführer bei Solarthermie. Im Industriepark an der Stadtgrenze befinden sich zahlreiche Firmen, die auf die unerschöpfliche Kraft der Sonne setzen: die Vertriebs- und Installationsunternehmen Sonnenkraft und Solar Energy oder etwa der Komponentenzulieferer Petraglas.
Während im Inneren der halbautomatisierten Fabriken die Module für die alternative Energiegewinnung assembliert werden, setzt man auf den Dächern großflächig auf eine eigene Stromerzeugung mit PV-Modulen. An den Fertigungslinien herrscht gute Stimmung, wenn auch der Solarmarkt vor einigen Jahren noch rosiger war. Die Förderungen für die Häuslbauer und für Großanlagen auf der grünen Wiese sind zurückgegangen, Unternehmen aus Asien drängen mit billigen, konkurrenzfähigen Produkten auf den Markt.
Punkten will die St. Veiter Solarwirtschaft, die einige tausend Menschen beschäftigt, mit Qualität und innovativen Produkten. »Es ist ein großer Vorteil, dass wir hier am Standort sowohl Entwicklung betreiben als auch produzieren«, ist Marketing-Managerin Iris Kaukal, Kioto Solar, überzeugt. »Wir merken, dass Qualität aus Österreich sehr gefragt ist.« Rund die Hälfte der produzierten PV-Module setzt Kioto Solar im Inland ab. Der Rest wird in ganz Europa vertrieben. Im Vorjahr hat das Unternehmen 90 MW Kollektorenleistung produziert, die Kapazitäten sollen heuer wieder auf 150 MW aufgestockt werden – auch mithilfe einer neuen Solarzellentechnologie, die mehr Leistung bei gleicher Fläche liefert.
Auch der Solarwärme-Spezialist Greenonetec zielt auf neue Märkte. Mit der Serienfertigung von Großkollektoren will man den Bedarf von neuen Industriekunden decken. So benötigen auch Kupferminen thermisch aufbereitetes Wasser für chemische Prozesse. Die Module können in großer Zahl auch generell zu Warmwasserkraftwerken gebündelt werden.
Die Stadt lenkt – und profitiert
Andreas Reisenbauer lenkt interessierte Besucher mit einem Elektrofahrzeug durch die Stadt. Die St. Veiter profitieren nicht nur von der boomenden Solarindustrie – sie nutzen deren Produkte auf vielfältige Weise selbst. »Wir haben in einem Carsharing-Angebot derzeit acht Renault Twizy und zwei Renault Zoe und auch 14 E-Tankstellen im Stadtgebiet. 15 E-Mountainbikes stehen für Touristen und Einheimische zum Erkunden der Region zur Verfügung«, zählt Reisenbauer auf. Mit dem sauberen Verkehrskonzept will man bei den Urlaubern punkten. Und es wird gut angenommen, ebenso wie der E-Car-Pool von den Bürgern. »Zwei unserer Nutzer haben mittlerweile ihre eigenen Autos verkauft, weil sie mit Carsharing preislich einfach besser fahren«, verrät Reisenbauer.
Auf den Dächern von 400 Haushalten – sie sind Teil eines 1.000-Dächer-Programms – finden sich ebenfalls PV-Module für die Selbstversorgung. »Wir setzen darauf, die Eigenheimbesitzer zu sensibilisieren, um auch aus ihrem Haus ein kleines Alternativkraftwerk zu machen«, sagt Bürgermeister Gerhard Mock. Das St. Veiter Stadtoberhaupt ist seit nunmehr 28 Jahren federführend bei der Entwicklung und Umsetzung der engagierten Energiestrategie im Amt. Mock handelte mit den Herstellern Pakete aus, damit die Bürger Photovoltaikanlagen zu vergünstigten Konditionen errichten können.
Die Aktion beschränkt sich nicht auf die Sonnenstadt, sondern ist kürzlich auf ganz Kärnten ausgeweitet worden. »Wir schlagen mit der Aktion zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir helfen den Bürgern bei der Senkung ihrer Stromkosten und leisten einen enormen Impuls zur Wirtschaftsförderung«, sollen für den Bürgermeister bei den Projekten der Stadt stets alle etwas davon haben. Im Zuge des Dächer-Programms ist ein Netzwerk an Handwerkern und Solar-Installateuren entstanden. Sie sollen nun anpacken und St. Veit bis zum Jahr 2020 rein rechnerisch energieautark rüsten.
Die Stadt geht dabei mit gutem Beispiel voran: Vor eineinhalb Jahren wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie ein 2-MW-Solarkraftwerk errichtet, das als derzeit größtes kommunales Photovoltaikprojekt gilt. Weitere 1 Megawatt installierte Photovoltaikleistung befinden sich in einem Sonnenpark südöstlich des Stadtzentrums. Er ist mit einem fixen Grillplatz, einem kleinen Ententeich und Rasenflächen, die zum Flanieren geeignet sind, eine Art ästhetisches Gegenstück zu gewohnt schmucklosen PV-Flächen und zeigt, wie gut sich Energietechnik ins Gemeindeleben integrieren lässt. Auf weiteren Standorten – Tennishallen, Schulen und Fußballplatz – sind Flächen mit insgesamt rund 700 Kilowatt Leistung installiert.
Nachhaltig unterstrichen wird diese Energiestrategie mit Informationsservices der Stadt – sei es über eine telefonische Hotline, einen Energie-Radwanderweg mit Hinweistaferln oder bei einer Multimedia-Installation, zu deren Besichtigung auch Schulklassen aus dem ganzen Bundesland eingeladen werden. »Durch unsere Ausstellung ›Erlebnis Energie‹ möchten wir auch schon bei den Kleinsten beginnen«, weiß Mock, wo die Zukunft liegt (siehe Interview).