Die energetische Nutzung von Biomasse ist nicht neu, doch mit Algen hat man sich noch wenig befasst. In einem Projekt aus Österreich werden mit den Mikroorganismen sogar Polymere erzeugt.
Der Klimakiller CO2 als wertvoller Rohstoff für kommerziell nutzbare Prozesse? Algen, die biologisch abbaubaren Kunststoff produzieren und dazu noch als erneuerbare Energieträger dienen? Es sind kühne Vorstellungen wie diese, die Bernhard Drosg motivieren, zu forschen. In einem interdisziplinären Team aus zwei Arbeitsgruppen arbeitet Drosg am Interuniversitären Department für Agrarbiotechnologie in Tulln. Das IFA-Tulln, wie das Institut der Universität für Bodenkultur auch genannt wird, nimmt weltweit eine Spitzenposition in der Entwicklung von neuen Verfahren zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe ein. Für den Umweltbiotechnologen sind Mikroalgen die idealen Proponenten – auch wenn dies »keine Technologien sind, die es morgen zu kaufen gibt«, wie er meint. In einem Projekt mit der EVN und dem Anlagenbauer Andritz wird am Standort des Kohlekraftwerks Dürnrohr abgeschiedenes CO2 direkt in einen Photobioreaktor mit Mikroalgen geleitet. In der Versuchsanlage mäandern die Algenkulturen durch ein Röhrensystem und wandeln CO2 mit Sonnenlicht und Wasser zu dem Biopolymer Polyhydroxybuttersäure um. Der Biokunststoff dient den Einzellern als Energiespeicher, ist thermoplastisch verarbeitbar, ungiftig und wird biologisch ohne schädliche Rückstände abgebaut. Die TU Graz hat bestätigt, dass die Qualität des erzeugten Kunststoffs mindestens so gut wie jene herkömmlicher Materialien, also »feasible« ist. Von einer kommerziellen Nutzung ist aber noch nicht die Rede, der Ertrag mit einem halben Kilo Biomasse pro Woche und 50 Gramm Polymer ist zu gering. Doch gerade die kaskadische Nutzung - die Erzeugung eines nutzbaren Werkstoffes gemeinsam mit einer energetischen Verwertung - macht Hoffnung. Demnach könnten die Inhaltsstoffe der Mikroorganismen zur Erzeugung von gasförmigen, festen und flüssigen Bioenergieträgern genutzt werden - inklusive Nebenprodukten wie Dünger oder Tierfutter. Nach Abtrennung des Wertstoffes kann die restliche Biomasse zu Biogas umgesetzt werden, so bleiben die mineralischen Nährstoffe im Prozesskreislauf und mit dem Biogas kann ein Teil der Prozessenergie gedeckt werden. Gefördert wird das Projekt durch den Klima- und Energiefonds, weitere Akteure sind Joanneum Research, die Tschechische Akademie der Wissenschaften und die TU Graz.
Keine Konkurrenz
Landwirtschaftliche Flächen müssen für die Algen im Gegensatz zu Raps und Mais nicht verbaut werden. Damit stehen diese Verfahren nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Dennoch hat auch Drosg ein Platzproblem: Die Bioreaktoren benötigen für die photochemischen Prozesse ebenfalls genügend Oberflächen für den Lichteinfall. Ein künftiger Einsatz könnte allerdings auch an Gebäudefassaden und Dachflächen stattfinden.
Nächste Phase
Das Projekt in Dürnrohr ist nach drei Jahren Laufzeit im Februar offiziell abgeschlossen worden. In einem nächsten Schritt forscht das IFA-Tulln nun mit denselben Partnern an einer Verbesserung des Prozesses, um das Verfahren an eine Marktreife heranzuführen. Dabei arbeiten Wissenschafter aus Österreich und Tschechien mit Technologien wie Hochdurchsatzscreening, molekularbiologischen Methoden sowie hochauflösender Polymeranalytik. »Diese Breite der Forschung ist notwendig, den für den kommerziellen Erfolg von Wertstoffen und Energie aus Algen sind wesentlich höhere Erträge erforderlich«, weiß Drosg. Zukunft hat die Arbeit mit den nimmersatten Einzellern auf jeden Fall. »Es ist unrealistisch, dass wir künftig die gesamten Abgase aus der Industrie so verwerten werden. Wenn wir aber den Druck von den Agrarflächen nehmen und Abgase als Rohstoff für Verfahren verwenden, dann haben wir unser Ziel erreicht: einen kleinen Baustein einer nachhaltigeren Energie- und Rohstoffwirtschaft zu liefern.«