Report: Wie sieht die Breitbandentwicklung in Europa in unterschiedlichen Ländern aus Sicht der Energieversorgungsunternehmen aus? In welchen Ländern sind EVU an vorderster Stelle am Breitbandmarkt zu finden?
Walter Haas: Eine detaillierte Aussage zur Situation in einzelnen Ländern in Europa ist in einem kurzen Abriss schwierig. Die besten Zahlen hierzu findet man auf der Website des FTTH Council Europe. Generell lässt sich sagen, dass in Süd- und Südwesteuropa eher Incumbents in Glasfaserinfrastrukturen investieren – in den nordischen Ländern, aber auch in Zentraleuropa hingegen zunehmend alternative Investoren, unter anderem eben auch EVU, auftreten. In Deutschland beispielsweise sind circa 90 % aller Glasfaserinfrastrukturen von Stadtwerken oder von Telekommunikationstöchtern von Stadtwerken realisiert. Vom Verband der Versorgungsunternehmen in Deutschland ist bekannt, dass bereits mehr als 50 % der Mitgliedsunternehmen den Bau von Glasfaserinfrastruktur in Erwägung ziehen.
Report: Auf welche Technologien und welche Dienste setzen EVU in ihren Breitbandservices?
Haas: Alle Breitbandprojekte, die durch EVU realisiert sind, setzen meines Wissens ausschließlich auf Glasfaserausbau. In Städten erfolgt der Ausbau überwiegend in der Variante Fiber to the Building (FTTB) – aber auch bis zu 20 % direkt in die Wohnungen als Fiber to the Home (FTTH). In ländlichen Regionen wird aus Kostengründen überwiegend die Variante Fiber to the Curb (FTTC) gewählt, bei der der letzte Leitungsabschnitt zum Teilnehmer mit VDSL über vorhandene Kupferleitungen überbrückt wird. Aber auch bei dieser Variante hält man sich sinnvollerweise – durch die Auswahl geeigneter aktiver Komponenten im Kabelverzweiger (Curb) – die Option offen, von dort später den letzten Leitungsabschnitt ebenfalls mit Glasfaser zu realisieren.
Neben den Standarddiensten wie Telefonie und Internet sind es vor allem TV- und videobasierende Dienste, die erhöhte Bandbreiten benötigen. Wir gehen davon aus, dass sich der Bandbreitenbedarf in den nächsten drei bis fünf Jahren durch Internet-TV, Video-on-Demand und 3D-IPTV stark entwickeln wird. Korea ist weltweit Vorreiter im Glasfaserausbau. Nachdem Giganten der Konsumgüterindustrie wie Samsung und LG »Connected-TV« stark vorantreiben, entwickelt sich dort der Bandbreitenbedarf rasant. In den USA ist der Internet-Video-Diensteanbieter Netflix mittlerweile für 30 % des gesamten Spitzenverkehrs im Internet verantwortlich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis solche Entwicklungen auch nach Europa kommen.
Report: Warum sollte ein österreichisches EVU auf Glasfaser setzen? Welche Argumente sprechen für einen Ausbau eines Citynetzes – trotz oft bereits angebotener Infrastruktur durch den Incumbent?
Haas: Die Breitbandangebote von Incumbents basieren meist auf VDSL-Lösungen aus der Vermittlungsstelle oder aus Kabelverzweigern (FTTC). Beim zu erwartenden Bandbreitenbedarf werden diese Technologien künftig nicht mehr ausreichen. Aus dieser Sicht ist eine Investition in Glasfaserinfrastruktur zukunftssicher und mittel- bis langfristig die wohl sinnvollste Technologie.
Report: In welchen Zeiträumen rentiert sich eine Investition in ein eigenes Breitbandnetz? Wie ist hier die Rechnung?
Haas: Die Return-on-Investment-Zeiträume hängen von zwei wesentlichen Faktoren ab: zum einen von den zu erzielenden Erlösen durch das Diensteangebot und zum anderen von der sogenannten Take-up-Rate, also die Anzahl der aktivierten Anschlüsse in einem mit Glasfaser erschlossenen Gebiet. Bei Take-up-Raten von 40 % und mehr lassen sich in Verbindung mit einem attraktiven Diensteangebot ROI-Zeiträume von zehn bis 15 Jahren erzielen – wobei man mit der Take-up-Rate stärkere Effekte hinsichtlich der Verkürzung der ROI-Zeiträume erzielen kann als mit höheren Diensteerlösen. Im Durchschnitt kann man von circa 20 Jahren ROI ausgehen. Solche Zeiträume sind für Infrastrukturmaßnahmen durchaus üblich. EVU sind erfahren im Infrastrukturbau und deren Anteilseigner können mit derartigen Zeiträumen durchaus umgehen. Daher sind EVU oder Versorger generell fast schon prädestiniert für Investitionen in Glasfaserinfrastrukturen.