Sonntag, Dezember 22, 2024

Solarfeld eines Parabolrinnenkraftwerks in der Mojave-Wüste.Eine Testanlage in Portugal, ein Solarkraftwerk in Spanien, das Prestigeprojekt Desertec in Nordafrika – Siemens liefert mit »Concentrated Solar Power« eine Schlüsseltechno­logie für erneuerbare Energien weltweit.

Der weltweite Bedarf an Elektrizität steigt. Gut 150 Jahre nach Entdeckung der technischen Möglichkeiten des elektrischen Stroms steht unsere Gesellschaft vor einer neuerlichen Energierevolution. Es geht um erneuerbare Energien, Elektromobilität und jene »Super Grids«, die Windkraft im Norden Europas mit Pumpspeicherkraftwerken, Solarkraftwerken im Süden und den großen Verbraucherzentren verbinden. Nach den Boom-Jahrzehnten des Öls wollen nun viele Staaten langfristig nicht mehr auf Lieferungen weniger Erdölproduzenten angewiesen sein. Zudem werden vielerorts Energiestrategien verfolgt, um den CO2-Ausstoß von Industrie und Verkehr nachhaltig zu senken.
Im Ausbau der erneuerbaren Energien wächst besonders die Stromerzeugung mittels Sonnenergie. Bis 2020 wird Experten zufolge der Markt für solarthermische Kraftwerke – »Concentrated Solar Power (CSP)« genannt – zweistellige jährliche Zuwachsraten aufweisen und ein Volumen von über 20 Milliarden Euro erreichen. Wachstumsschwerpunkte werden vor allem die Regionen USA, Südafrika, Australien, Spanien, Indien, Nordafrika und Naher Osten sein.
Vor diesem Hintergrund hat sich Siemens mit der Übernahme von Solel Solar vor knapp zwei Jahren entscheidend im Bereich der CSP-Anlagen verstärkt und kann als einziges Unternehmen mehr als zwei Drittel eines solarthermischen Kraftwerks aus einer Hand liefern. Solarthermie-Kraftwerke bestehen aus zwei Teilen: dem Solarfeld, welches die Sonnenenergie »erntet«, und dem sogenannten Power-Block, der aus Wasserdampf Strom macht. Hinsichtlich des Power-Blocks ist Siemens seit langem ein führender Anbieter.

Für das solarthermische Parabolrinnen-kraftwerk Lebrija, das 2011 in der Region Sevilla ans Netz gehen wird, hat Siemens sowohl die Dampfturbine als auch das Solarfeld geliefert (siehe weiter unten).

»Die Erfolgsgeschichte des schnellen und sehr erfolgreichen Ausbaus unseres Windgeschäftes wollen wir nun auch bei der Solarenergie fortschreiben. Unser Umweltportfolio wird weiter ausgebaut«, bekräftigt Siemens-Vorstandsvorsitzender Peter Löscher. Mit seinem Umweltportfolio erwirtschaftete Siemens im Geschäftsjahr 2010 einen Umsatz von rund 28 Milliarden Euro. Siemens ist damit der weltweit größte Anbieter von umweltfreundlicher Technologie.

Testanlage in Portugal

Eine solarthermische Testanlage wird derzeit von Siemens zusammen mit Projektpartnern aus der Industrie in Portugal errichtet. Als Wärmeträgermedium kommen nicht gängige Thermoöle, sondern erstmals geschmolzenes Salz zum Einsatz. Über einen Zeitraum von drei Jahren soll die Technologie auf dem Gelände der Universität Evora rund 130 Kilometer südöstlich von Lissabon getestet und optimiert werden. Gelände und Infrastruktur für die Anlage werden vom portugiesischen Energieversorger Energias de Portugal zur Verfügung gestellt.

In Parabolrinnenkraftwerken wird das Sonnenlicht mit Parabolspiegeln auf ein Receiverrohr, in dem sich ein Wärmeträgermedium befindet, konzentriert. Die Thermoöle heutiger kommerzieller Parabolrinnenkraftwerke erlauben einen Einsatz von bis zu 400 °C. In der 300 Meter langen Testanlage sollen Receiver mit geschmolzenem Salz bei Temperaturen bis zu 550 °C betrieben werden. Der dadurch entstehende heißere Dampf ermöglicht einen effizienteren Betrieb der Dampfturbine zur Stromerzeugung und erhöht somit den Wirkungsgrad sowie die Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage.

In der Testanlage werden unterschiedliche Salze auf ihr Potenzial hin untersucht. Dazu zählen etwa eine weiterentwickelte Form des bisher üblichen »Solar Salt«, aber auch Salze auf Basis anderer Bestandteile. Die Herausforderung für die Entwicklung neuer Salze besteht unter anderem darin, Medien mit niedrigem Schmelzpunkt zu finden, um das potenzielle Risiko von Einfrierungen in den salzführenden Systemen zu verringern. Gleichzeitig können die thermischen Verluste dadurch signifikant reduziert werden.

Fertigung in Italien

Die Komponenten für die Testanlage in Portugal fertigt Siemens selbst. In der Solarreceiver-Fertigungsanlage Archimede Solar Energy in der italienischen Stadt Massa Martana werden ab Frühjahr 2011 jährlich bis zu 75.000 Solarreceiver hergestellt. In einem zweiten Schritt soll die Produktionskapazität auf 140.000 Stück pro Jahr steigen. Siemens hält rund 28 Prozent der Anteile an dem italienischen Solarunternehmen. In Sizilien ist im Sommer 2010 auch ein erstes kommerzielles Kraftwerk in diesem Bereich errichtet worden. Im Projekt »Priolo Gargallo« werden 1.500 Solarreceiver mit geschmolzenem Salz als Wärmeleitmedium eingesetzt.

Mehr als 150.000 Solarreceiver von Siemens sind bereits in solarthermischen Kraftwerken in Spanien und den USA im Einsatz. Der »UVAC«, kurz für »Universal Vacuum Air Collector«-Receiver, nimmt Wärme auf, die in Dampf umgewandelt wird, der wiederum einen Dampfturbosatz zur Stromerzeugung antreibt. Dank einer Hightech-Beschichtung zeichnet sich der Receiver durch sehr hohe Effizienz aus. Weitere Vorteile sind seine hohe Absorptionsfähigkeit der Sonnenenergie, geringe Wärmeverluste und eine vergrößerte Wirkfläche.

Vision Desertec

Die Zukunft der langfristigen Energieversorgung Europas wird in den nächsten Jahren aber möglicherweise vor allem in Nordafrika geschrieben. In den Wüstenregionen in südlichen Regionen unserer Erde schlummert ein gewaltiges Energiepotenzial: Die Sonne steht dort über 4.800 Stunden im Jahr zur Stromerzeugung zur Verfügung. Eine Fläche von 300 km mal 300 km mit Parabolspiegeln in der Sahara würde ausreichen, um den gesamten weltweiten Energiebedarf zu decken. Die internationale Initiative »Desertec« zielt darauf ab, bis 2050 einen Anteil von 15 bis 20 Prozent des Strombedarfs in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika als Solar- und Windstrom zu liefern.

Dabei soll Strom in solarthermischen Kraftwerken in Nordafrika und in Windparks vor den Küsten Nordafrikas und Nordeuropas erzeugt werden. Für den Transport der elektrischen Energie in die europäischen Verbrauchszentren werden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen sorgen. Siemens ist einer der Projektpartner dieser Vision.
Mit dem Bau erster Solarkraftwerke für die Abdeckung lokaler Stromversorgung in Nordafrika wurde bereits begonnen. Mitte April wurde im ägyptischen Kuraymat, rund 100 Kilometer südlich von Kairo, eine erste solarthermische Großanlage von weiteren Mitgliedern der Desertec-Initiative montiert und installiert. Das Hybridkraftwerk mit 150 Megawatt Leistung verwendet zur Stromerzeugung sowohl Erdgas als auch Solarenergie. Auch die Speicherung der gewonnenen Wärme ist unkompliziert möglich. Über Salzwassertanks kann sie zum Beispiel in der Nacht wieder an den Dampfkreislauf abgegeben werden.

Auf 400 Milliarden Euro Investitionskosten bis zum Jahr 2050 wird der gesamte Projektumfang von Desertec geschätzt. 350 Milliarden entfallen auf die Kraftwerke, 50 Milliarden auf die notwendigen Leitungen. 100 GW, eine Leistung vergleichbar mit hundert herkömmlichen Großkraftwerken, soll erreicht werden.

 

>> Solarpower in Spanien:

Knapp 170.000 einzelne Spiegel wurden in Lebrija zu 6.048 Parabolrinnen montiert. Rund 50 Megawatt leistet dieses Kraftwerk. Größere Anlagen könnten noch effizienter arbeiten, da sie den Kraftwerksblock besser nutzen.Parabolrinnenkraftwerke zählen zu den gängigsten Technologien zur Stromgewinnung aus Sonnenenergie. Sie eignen sich besonders für Regionen mit hoher direkter Sonneneinstrahlung – dort wo der Wirkungsgrad der klassischen Solarzellentechnologie abnimmt. Im andalusischen Lebrija, rund 60 km südlich von Sevilla, erzeugt Siemens mit Start in diesem Jahr in einem »Concentrated Solar Power«-Projekt bis zu 50 Megawatt Strom. Rund 50.000 spanische Haushalte können damit versorgt werden.

Das Prinzip ist einfach: Bewegliche, am Sonnenstand ausgerichtete Spiegel fangen das Sonnenlicht ein und bündeln es auf den Solarreceiver. Durch den Receiver strömt ein Thermoöl als Wärmeleitmedium, das sich durch die konzentrierte Sonneneinstrahlung erhitzt. Über einen Wärmetauscher wird Dampf für eine Dampfturbine erzeugt, die einen Generator antreibt, der wiederum Strom erzeugt. Zusammen mit der Elektro- und Leittechnik sowie der Kühlung bilden diese Komponenten den sogenannten Power Block des Solarkraftwerks. Das Solarfeld in Lebrija umfasst über 400.000 m² Spiegelfläche. Jeder der 6.048 Kollektoren ist aus 28 Einzelspiegeln zusammengesetzt. Weiters wurden insgesamt 18.144 Stück des Solarreceivers »UVAC 2008« installiert.

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