Noch fehlt ein einheitlicher Industriestandard bei den intelligenten Stromzählern. Doch wenn er kommt, dann sollte die E-Wirtschaft bereit sein.
Intelligente Stromnetze, in denen Tarife flexibel abgerechnet und neue Services ermöglicht werden, liefern eine bunte, vielversprechende Zukunft des Energiemarktes. Informierte Stromkunden, die den Stromverbrauch aktualisiert auf Messanzeigen im Haushalt sehen, sollen Energie effizienter nutzen können. Experten zufolge werden zwar die Einsparungsmöglichkeiten für die Haushalte durch neue, verbrauchsabhängige Strompreisen einigermaßen begrenzt sein. Die Energieversorger haben trotzdem bereits fixe Pläne, auch die lokalen Verteilnetze ins Zeitalter des »Smart Grid« zu führen. Der Grund: Intelligent verwaltete Netze ermöglichen überhaupt erst großflächig die Einbindung von unterschiedlichen regenerativen Energiequellen wie Biomasseanlagen, Windkraft oder Photovoltaik. Und sie bieten vor allem eines: einen Nährboden für neue Dienste.
Alcatel-Lucent hat jüngst gemeinsam mit Siemens die erste Phase eines Smart-Metering-Feldversuchs für die Kelag Netz GmbH abgeschlossen. Im Rahmen des Projekts wurde eine durchgängige Smart-Metering-Infrastruktur für mehr als 250 Kärntner Haushalte geschaffen. Sie ermöglicht den Konsumenten, ihren Energieverbrauch genau zu beobachten und anzupassen. Das Projekt ist einer der wenigen Feldversuche in Europa, bei dem OSS-(Operational Support System)-Applikationen mit Meter-Data-Managementsystemen kombiniert werden. Zwar stünde der netzweite Rollout von intelligenten Stromzählern und Smart-Meter-Systemen nicht zuletzt aufgrund fehlender Industriestandards allgemein bei Energieversorgern noch nicht unmittelbar an, erklärt Johannes Stadler, Head of Business Development Energy, Alcatel Lucent. »Wir raten aber, die verbleibende Zeit zu nutzen und die Technologien und Prozesse auf Praxistauglichkeit und Effizienz zu testen.« Wenn schließlich die Entscheidungen zu Netzinvestitionen getroffen werden, müssen teilweise Millionen Komponenten bewegt werden. Hunderttausende Kundenkontakte und Termine gelte es dann zu bewältigen.
In einem Gespräch auf der Branchenmesse »Metering Europe« Ende September in Wien bekräftigte Stadler das zunehmende Interesse der Energiewirtschaft an den konkreten Portfolios und Möglichkeiten der Anbieter. Während vor einem Jahr meist erst Themenfelder sondiert wurden, »wissen die Netzbetreiber nun bereits sehr genau, was sie wollen«.
In der nun beginnenden zweiten Projektphase des Kelag-Projekts werden bis zum kommenden Jahr bis zu 600 Haushalte mit Smart Meters ausgerüstet. In dem Versuch geht es um unterschiedliche Erkenntnisse, die man gewinnen will: Wie einfach ist der Austausch der Zähler überhaupt? Welche Herausforderungen stellen sich für die Betriebsführung? Auf welche Fehlerquellen stößt man? Darüber hinaus steht auch eine Anbindung in das Verrechnungssystem bei der Kelag und die Integration weiterer Zählertypen an.
Warum am Markt die großen Investitionen in Smart Meters noch ausbleiben? Neben der notwendigen Standardisierung der Kommunikationsprotokolle zwischen Geräten und Systemen liegt eine weiter Hürde in der Marktregulierung. Die nötigen Investments in Smart Metering sind in den Verteilnetzen nötig – doch diese haben mit Stromprodukten eigentlich gar nichts am Hut. Vielfach sucht die Energiebranche auch nach Geschäftsmodellen, die einen volkswirtschaftlichen Nutzen gleich vom ersten Tag an garantieren. Sprich: Es muss sich von Anfang an rechnen. Der Experte vergleicht diese Marktphase mit der Zeit vor der großen Modernisierung der Telekommunikationsnetze. Durch die Digitalisierung der Telefonie allein hatten die Betreiber noch kein Geld verdient. Doch wurde dadurch ein Nährboden für viele weitere, neue Dienste geschaffen und der Grundstein für die folgende Revolution in der Telekommunikation gelegt. »Die Stromnetze befinden sich vor einem ähnlichen Sprung. Smart Metering und Smart Grid sind die Zutaten, die einen Nährboden in der E-Wirtschaft schaffen«, sagt Stadler. Und wer weiß, vielleicht werden die Energieversorger eines Tages mehr als nur simple Energie liefern. Das Aufsetzen von neuen Services, beispielsweise in der Elektromobilität oder im Bereich der Smart Homes, könnte auch in dieser Branche eine technologische Revolution auslösen.