Samstag, August 31, 2024
Hallo Elektrobeton!
Bild: iStock

Eine revolutionäre Technologie verspricht elektrifizierte Zementherstellung mit radikal verringertem CO2-Ausstoß, eine andere ermöglicht das Recycling von Beton. Der wichtigste Baustoff der Welt wird grün(er).

 

Wer bauen will, braucht Beton, wer Beton will, braucht Zement. Über drei Milliarden Tonnen Zement werden jährlich global hergestellt – ein energieintensiver, viel CO2 emittierender Vorgang, der bislang als kaum verbesserbar galt. 50 Gigatonnen CO2 entstehen dadurch pro Jahr. Zum Vergleich: Der internationale Flugverkehr kommt auf jährlich 1,9 Gigatonnen. Die bisherigen Antworten aus Politik und Industrie waren wenig überzeugend; die bislang favorisierte Methode der CO2-Abscheidung bei gleichzeitig unveränderter, weil vermeintlich alternativloser Herstellungsweise stößt in der Theorie, aber auch der Praxis auf Probleme in Sachen Kosten und Effizienz.

Naturgesetze und Chemie setzen dem Wunsch nach umweltfreundlicherem Zement enge Grenzen. Bis aus Kalkstein Zementklinker geworden ist, setzen die dafür nötigen chemische Prozesse allein 60 Prozent des CO2-Ausstoßes des Produktionsprozesses frei, der CO2-Ausstoß der fürs Brennen nötigen, extrem hohen Prozesswärme in Hochöfen macht im Vergleich nur 30 Prozent aus; die restlichen zehn Prozent ergeben sich durch den Strombedarf der Anlagen. Wo ansetzen, um Zement weitmöglichst zu dekarbonisieren?

Elektrifizierte Zementherstellung
Die US-Firma Sublime Systems hat dafür eine verblüffende Lösung. Das MIT-Spinoff setzt auf einen elektrochemischen Prozess, der der Elektrolyse von Wasser ähnelt. Aus kalziumhaltigem Gestein und Bauschutt wird unter Zugabe von Wasser und Anlegen von elektrischer Spannung Kalzium aus Mineralien extrahiert, wobei ein reaktives Silikat übrigbleibt. Endergebnis ist Kalk als reiner, reaktiver Feststoff. Auf das CO2-intensive Kalkbrennen und sehr hohe Temperaturen kann verzichtet werden, die revolutionäre Zementherstellungsweise begnügt sich mit kühlen 200 Grad Celsius Prozesswärme. Das US Department of Energy hat dem Start-up eine Finanzierung in Höhe von 87 Millionen Dollar gewährt, im Mai wurde Sublime Systems im Rahmen des Greentech Festivals in Berlin mit dem Green Award geehrt. Ein britisches Forscherteam hat ebenfalls eine hervorragende Idee, um das lästige CO2-Problem im Rahmen der Zementherstellung in den Griff zu bekommen. Aus laufend anfallenden Bauschuttmassen lässt sich durch die Technologie der Forscher aus Cambridge mittels elektrischer Lichtbogenöfen Zement einfach aus Altbeton recyceln – und das im selben Vorgang und in denselben industriellen Anlagen, in denen bislang alter Stahl recycelt wird. Statt des bisher dabei traditionell verwendeten, CO2-intensiv hergestellten Kalks wird Zement­stein aus altem Beton mit Altstahl gemeinsam behandelt, um zugleich Null-Emissions-Zement herzustellen.

Auch wenn es noch ein wenig dauern wird, bis diese Revolution auf den Baustellen ankommt, ist der Weg klar: Statt der problematischen CO2-Abscheidung bei der Zementherstellung ist völlige CO2-Vermeidung keine utopische, sondern im Gegenteil eine realistische Option. Klar, dass den Strom dafür im Bestfall Sonne und Wind liefern.

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