Sonntag, Juni 30, 2024
Infrastruktur für Mobilität
Bild: iStock

Der Aufbau eigener Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Kunden- und Mitarbeiter­bindung zu stärken, Kosten zu senken, ihr Image zu verbessern und Nachhaltigkeit voranzutreiben.


Es herrscht strahlender Sonnenschein Anfang April am Rande Wiens, in der Idylle des Wienerwaldes – perfekt für eine Eröffnung eines neues Services des Austria Trend Hotel Schloss Wilhelminenberg. Die Hotelgruppe Verkehrsbuero Hospitality hat mit dem Verbund eine Partnerschaft für E‑Mobilitäts‑Ladeinfrastruktur besiegelt. Die neue Ladeinfrastruktur beim Schloss Wilhelminenberg umfasst insgesamt zehn AC-Ladepunkte mit je 11 kW Leistung. Nach der Inbetriebnahme dieses Standortes planen die Partner bis Ende 2024 weitere elf Hotelstandorte mit gesamt 66 Ladepunkten in ganz Österreich – darunter Salzburg, Innsbruck und Linz – auf Parkplätzen und in Garagen auszustatten. Die Installation der Ladepunkte erfolgt durch die Verbund-Tochtergesellschaft Smatrics.

In dem gemeinsamen Geschäftsmodell stellen Hotelbetreibern Flächen für Ladepunkte zur Verfügung, während Verbund die Errichtung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur übernimmt. Hotelgäste laden mit ihren Ladekarten zu Tarifen von Smatrics respektive Tarifen ihrer Ladekarten-Anbieter. Die Abrechnung erfolgt direkt über die Ladekarten der Nutzer*innen, wobei auch die Zahlung mittels Kreditkarte möglich ist. Da alle Ladestationen auch für öffentliches Laden zur Verfügung stehen, sollen Hotelbetreiber neben dem Service für ihre Besucher auch von einer Beteiligung am Ladeumsatz profitieren.

Martin Winkler, Vorstandsvorsitzender des Verkehrsbueros spricht von »der wahrscheinlich schönsten öffentlichen E-Ladestation Wiens«. Man möchte als erste Hotelgruppe in Österreich einen »wegweisenden Schritt für zukunftsorientierte Mobilitätslösungen im heimischen Tourismus« setzen und die Branche in ihrem Einsatz für ressourceneffizientes und nachhaltiges Reisen stärken.

Die Investition in E-Mobilitäts-Infrastruktur ist für das ESG-Reporting von Nachhaltigkeitskriterien für den Standortbetreiber anrechenbar, das mit 2025 fällig wird. Und es wird bei der Eröffnung betont: Man werde als Hotelbetreiber künftig nicht mehr relevant für die Gäste sein, wenn man keine Lademöglichkeiten anbietet. »Mit solchen Standortpartnerschaften und unserem Produkt Coop-Charging setzen wir einen weiteren wichtigen Schritt, um die Mobilitätswende und damit die Energiewende voranzutreiben«, betont Kooperationspartner Martin Wagner, Geschäftsführer Verbund Energy4Business.

Einen weiteren Unternehmenskunden, den Wagner bereits im Vorjahr gewinnen konnte, ist die Brau Union. In einem ersten gemeinsamen Projekt kommen drei Elektro-Lkw von Volvo Trucks mit der dazu passenden E-Ladeinfrastruktur von Verbund zum Einsatz. Gesamt wurden in einer ersten Phase sechs Standorte, darunter auch die Zentrale in Linz, mit über 70 AC-Ladepunkten und bis dato sechs DC-Schnellladern ausgestattet. Synchron mit dem Tausch der Biertransporter durch batterieelektrische Fahrzeuge ist auch geplant, die Ladeinfrastruktur weiter auszubauen.

Langsam und schnell
Mit 70 bis 80 Prozent des Marktes dominieren die Wechselstrom-Ladetechnologien (AC) aktuell die Elektromobilitätsinfrastruktur in Österreich. Die Dauer bis zur Vollladung zu Hause und am Arbeitsplatz beträgt zwischen zwei und zwölf Stunden, etwa über Nacht. Die restlichen 20 bis 30 Prozent werden unterwegs oder beim Einkaufen geladen. Hier sind die Ladesäulen für eine durchschnittliche Verweildauer von zirka 30 Minuten ausgelegt. So benötigt man für das Laden bei einer Schnellladesäule für 100 km nur fünf bis zehn Minuten.

»Wir erwarten in Zukunft einen starken Shift und gehen davon aus, dass der Anteil an Ladungen an öffentlichen Ladestationen mit dem Hochlauf der E-Mobilität zunimmt. Zum einen wird der Anteil an E-Pkw, aber auch an E-Lkw, steigen und damit auch der Bedarf, unterwegs zu laden«, sagt Smatrics-CEO Hauke Hinrichs. »Zum anderen haben gerade im urbanen Bereich Elektromobilist*innen nicht immer die Möglichkeit eine eigene Ladestation zu installieren«, so der Manager der gemeinsamen Tochter von Verbund und der deutschen EnBW.

E-Mobilität ist längst alltagstauglich geworden und die Ladeinfrastruktur wächst: In Summe gibt es österreichweit mehr als 22.000 öffentliche Ladepunkte. »E-Laden wird immer fließender in den Tagesablauf integriert. Laden findet immer öfter dort statt, wo es mit anderen Dingen kombiniert werden kann. Das ruft neue Player auf den Plan, die mit der Möglichkeit des Ladens einen zusätzlichen Mehrwert für ihre Kund*innen bieten wollen«, erwartet Hinrichs weiter steigendes Interesse von Unternehmen an der Errichtung eigener Ladeinfrastruktur. Smatrics bietet eine Palette von Planung, Rollout, Betrieb und Service an, außerdem Tarifierung, Roaming, Apps und Abrechnung. Mit einem White-Label-Angebot kann die Ladeinfrastruktur optisch in das gewünschte Look-and-Feel des Unternehmenskunden eingebettet werden.

In Österreich betreibt Smatrics EnBW das größte flächendeckende Schnellladenetz, es ist das Kerngeschäft des Errichters und Betreibers für Ladeinfrastruktur. Man möchte in den nächsten Jahren etwa alle 40 km ultraschnelles Laden bereitstellen. Der Strom für die Ladevorgänge kommt aus vollständig erneuerbaren Quellen vom Verbund. Während in Österreich bereits rund 11.000 leichte E-Nutzfahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind – einer der besten Werte in Europa –, wird mit einem Bedarf bis 2040 von rund 4.500 Ladepunkten an Autobahnraststationen und Rastplätzen gerechnet. Ein Fünftel der prognostizierten Zahl für LKW mit Vorbereitung fürs »Megawatt Charging«.

Wachsender Wandel
Was sollte beim Schritt zur betrieblichen Elektromobilität und auch zur eigenen Ladeinfrastruktur beachtet werden? »Es sollte zunächst nicht der komplexeste, sondern der einfachste Anwendungsfall umgesetzt werden«, rät Gerrit Pürstl, der bei Siemens die Geschäftsstelle Elektromobilität für die Region CEE leitet. »Mit Tagestouren von 300 bis 400 km und dem Laden über Nacht wächst man schon gut ins Thema Elektromobilität«, so der Experte. »Viele werden überrascht sein, wie gut das Fahrprofil der Mitarbeiter mit Pkw- und Lkw-Routen bereits zur Elektromobilität passt.«

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Bild: Gerrit Pürstl, Siemens, über betriebliche Elektromobilität: »Wichtig ist, dass man sich traut, es auszuprobieren.«

Die Kosten der Ladeinfrastruktur hält sich Pürstl zufolge bei AC »sehr in Grenzen«, während sich DC in einem Fuhrpark-Mix von Mitarbeiterfahrzeugen und Dienstwagen aber auch Nutzfahrzeugen eignen würde. Auch Siemens deckt Ladelösungen von klein bis groß ab – inklusive Beratung, Planung und Errichtung. Das Portfolio reicht von AC-Lösungen Typ-2 – der kleinen Wallbox für den Pkw am Arbeitsplatz oder zu Hause – bis zu den Schnellladestationen CCS mit Leistungen von bis zu 400 kW an Autobahntankstellen oder für Lkw-Ladestationen.

Pürstl beobachtet, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen an Standorten eigene Ladeinfrastruktur errichten. Eine Ladeinfrastruktur auf dem Firmengelände zeigt deutlich das Engagement zur Reduktion von Treibhausgasen. Zudem würden sich immer mehr Menschen zum Kauf eines E-Autos entscheiden. Das Ladeangebot könne damit auch ein Faktor für die Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung werden. Und die eigene Ladeinfrastruktur ist in vielen Fällen schlicht ein Kostenthema. Mit Förderungen einer smarten Ladeinfrastruktur, mitunter auch bei den Mitarbeitenden zu Hause, und Einsparungen bei den Betriebskosten zahlt sich Elektromobilität unterm Strich einfach aus. Je mehr Kilometer zurückgelegt werden, desto günstiger ist es im Vergleich zum Betrieb von Verbrennern.

Auch Siemens will seinen Fuhrpark von knapp 1.000 Fahrzeugen bis 2030 vollständig auf E-Mobilität umstellen. Im Vergleich der OPEX-Kosten mit Dieselfahrzeugen rechnet sich das insbesondere, wenn die Mitarbeiter*innen auch zu Hause laden können. Der Aufwand kann rückvergütet werden, auch mit Sachbezugsbefreiung am Lohnzettel.

Interview: Über typische Projektgrößen und Ladeleistungen bei KMU spricht David Berger, Abteilungsleitung Geschäftsentwicklung Elektromobilität bei Wien Energie (Link).


Weitere Infos: Förderungen

Grundsätzlich wird die Errichtung von Ladeinfrastruktur für Gewerbeunternehmen gefördert – sowohl für Wallboxen als auch für Standsäulen. Firmen bekommen für die Errichtung einer betrieblichen oder öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur aktuell bis zu 30 Prozent der Anschaffungskosten gefördert. Auf Bundesebene stehen unterschiedliche Förderprogramme zur Verfügung: Das Förderprogramm ENIN unterstützt Unternehmen bei der Flottenumstellung auf nichtfossil betriebene Nutzfahrzeuge sowie bei der Errichtung der für diese Nutzfahrzeuge erforderlichen Lade- beziehungsweise Betankungsinfrastruktur. Das Förderprogramm EBIN unterstützt bei der Umstellung von Busflotten auf emissionsfreie Antriebe und das Programm LADIN fördert die Errichtung von Schnellladeinfrastruktur in derzeit unterversorgten Gebieten. Auf Bundesländer- und Kommunalebene gibt es weitere Förderprogramme, abhängig davon, ob es sich um AC- oder DC-Lade­punkte handelt.

Hintergrund: Investition in Mobilität

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Was kostet die Errichtung einer eigenen Ladeinfrastruktur? Smatrics-Experte Hauke Hinrichs (Bild) rechnet Varianten vor.

1. von langsam ...
Bei AC-Wallboxen spielt das Umfeld, in dem sie errichtet werden, eine entscheidende Rolle. Sind sie im Freien oder in der Garage geplant? Wie weit ist es zum nächsten Stromanschluss? Besonders die Länge eines aufzugrabenden Weges und die dafür notwendige Verkabelung sind wesentliche Kostentreiber. Intelligente Wallboxen sind bereits ab 1.300 Euro erhältlich. Bei einer reinen Anbindung in ein »Backend« sind die Kosten durchaus mit jenen eines Handytarifs vergleichbar. Bei Zusatzleistungen erhöhen sich die Kosten entsprechend.

2. ... zu sehr schnell
Für die Errichtung eines »High Power Chargers« mit einer Leistung von 300 bis 400 kW sollte man mit einem Gesamtinvestment von rund 100.000 Euro aufwärts pro Ladepunkt rechnen. Die Kosten sind aber auch hier von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Dazu zählen der Standort, die Leistungsfähigkeit der Ladestation, Netzanschlusskosten, Genehmigungsgebühren und Realisierungskosten für Bau- und Elektrotechnik. »Für unsere Partner ist es ausschlaggebend die Investitionskosten, aber auch den Return of Investment zu kennen. Ladeinfrastruktur wird dort angenommen, wo sie gut in den Alltag integrierbar ist. Gerade Tankstellen oder Handelspartner erfüllen diese Voraussetzungen«, erklärt Hauke Hinrichs.


Technik: Große Leistung, smarte Verteilung

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Ladelösungen wie SICHARGE D 400 von Siemens decken beispielsweise den Einsatzbereich eines Firmenparkplatzes ab, auf dem tagsüber Pkw und Nutzfahrzeuge schnell, über Nacht aber auch kostenschonend geladen werden können. Die Ladelösung kann 400 kW über einen Stecker abgeben, dieselbe Leistung aber auch aufgesplittet auf vier Ladepunkte für Über-Nacht-Ladungen. Mit 100 kW lässt sich die maximale Batteriekapazität eines Lkw von 600 bis 800 kWh sehr gut abdecken – eine Vollladung dauert dann sechs bis acht Stunden. Mit der Lösung können Ladezustände bei Bedarf auch geplant werden. Das Fahrzeug ist genau dann vollgeladen, wenn es in Betrieb genommen wird.

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