Die EU-Taxonomie-Verordnung und eine neue Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen den grünen Daumen der Wirtschaft stärken und Investitionen in Nachhaltigkeit fördern.
Um die Klimaziele von Österreich bis 2040 und der EU bis 2050 zu erreichen, müssen große Summen investiert werden. Einen Weg dafür bildet die Sustainable-Finance-Richtlinie der EU mit ihrem Herzstück der Taxonomie-Verordnung, einem Klassifizierungssystem zur Definition ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten. Sie soll Anreize schaffen, die Kapitalflüsse in der EU nachhaltiger zu gestalten und Finanzierungsströme verstärkt in jene Unternehmen lenken, die sich mit nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten beschäftigen. Eng damit verbunden ist die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
»Die Taxonomie-Verordnung schafft erstmals einheitliche Kriterien zur Klassifizierung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten und damit ein klares Signal, in welche Richtung Finanzmittelflüsse gehen müssen, um Klima- und Umweltziele erreichen zu können und Greenwashing zu vermeiden«, berichtet Stefan Sengelin, Abteilung Grüne Finanzen und nachhaltige Wirtschaft im Klimaschutzministerium. Das Ministerium selbst investiert 4,6 Mio. Euro in ein Förderprogramm für Geschäftsmodelle, die sich dezentralen und regionalen Versorgungskonzepten sowie der Digitalisierung des Energiesystems und der intelligenten Energienutzung widmen. (FFG, Ausschreibung bis 15. März 2022)
»Haben erstmals einheitliche Kriterien zur Klassifizierung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten«, sagt Stefan Sengelin, BMK.
Seit 2017 sind große kapitalmarktorientierte Unternehmen – mit mehr als 500 Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Euro oder Umsatzerlösen von mindestens 40 Millionen Euro – sowie Kreditinstitute und Versicherungen in der EU zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet. Geregelt wird dies in Österreich mit dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG). Allerdings gab es Lücken bei der Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen, es fehlte an Standardisierung und Qualität. Die EU-Kommission hat daher die Überarbeitung der »Non-Financial Reporting Directive« (NFRD) in die Wege geleitet und einen Vorschlag für eine »Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)« vorgelegt.
Lücken werden geschlossen
Die neuen Berichtspflichten sollen die Aussagekraft der nichtfinanziellen Berichterstattung erheblich erhöhen, indem erstmals eine Verbindung zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Themen hergestellt wird. Für Susanne Hasenhüttl von der ÖGUT bildet die CSRD ein Erfolgsrezept. »Bislang waren nur wenige Unternehmen von der Berichtspflicht betroffen, es gab keinen EU-weit verpflichtenden Standard, ebenso wenig die Pflicht für eine externe Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung.« Eine verpflichtende Berichterstattung erfordere, so Hasenhüttel, dass sich die Unternehmen systematisch mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz befassen müssten.
»Die Beschäftigung mit dem Thema und die Transparenz darüber sind oft der erste Schritt, um Maßnahmen für den Klimaschutz zu setzen.«, meint Susanne Hasenhüttl, ÖGUT.
Mit der neuen CSRD sind alle am EU-regulierten Markt notierten Unternehmen von der Berichtspflicht erfasst, mit Ausnahme von Kleinstunternehmen. Für KMU ist eine »Phasing-in Period« von drei Jahren geschaffen. Nicht an einem EU-regulierten Markt notierte Unternehmen sind ebenso einbezogen, wenn sie mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale überschreiten: Bilanzsumme 20 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse 40 Mio. Euro, durchschnittlich 250 Beschäftige während des Geschäftsjahres. Für eine Berichtspflicht ist zudem das Vorliegen der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder einer dieser gleichgestellten Rechtsform maßgeblich. In Österreich werden nun tausende Unternehmen von der neuen Berichtspflicht erfasst.
Die EU-Sustainability-Reporting-Standards werden auf Basis der Vorschläge der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) bis Ende Oktober 2022 respektive 2023 entwickelt und verpflichtend anzuwenden sein. Es gibt eine Ausweitung der Berichtsinhalte, wie unter anderem die Offenlegung der Informationen betreffend Strategie, gesetzter Nachhaltigkeitsziele und Fortschritte des Unternehmens.
Ebenfalls vorgesehen ist eine Verpflichtung zur Erstellung eines Gesamtberichts. Ein gesonderter Nachhaltigkeitsbericht ist nicht mehr zulässig. Dadurch soll ein angemessener Zusammenhang und Konsistenz zwischen den Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen geschaffen werden. Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt durch unabhängige Dritte. Hier fordert Gerhard Marterbauer, Vorsitzender des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die zeitnahe Erweiterung der Ausbildung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer um Nachhaltigkeitsaspekte.
»Es ist auch technisches und sogar chemisches Know-how erforderlich, um einzelne Bereiche adäquat bewerten zu können. Ich sehe das Nachhaltigkeitsthema aufgrund seiner enormen Bedeutung als Riesenchance für unseren Berufsstand.« Die CSRD wird derzeit im Rat verhandelt und soll im ersten Quartal 2022 beschlossen werden. Anschließend wird sie in österreichisches Recht umgesetzt.
Nachhaltigkeit und Finanz gleich behandeln
Die EU-Taxonomie bietet erstmals Vorgaben, was in einzelnen Branchen beziehungsweise für Produkte als nachhaltig und Beitrag zum Erreichen eines der sechs EU-Umweltziele zu definieren ist. Es wurden für knapp 90 Wirtschaftstätigkeiten auf rund 500 Seiten technische Kriterien mit ambitionierten Schwellenwerten festgelegt, die zur Erreichung der Green-Deal-Ziele der Europäischen Union beitragen. Diese treten ab Jänner 2022 in Kraft – als Berichtsjahr gilt 2021, ab 2023 werden sie auf die Ziele Nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie für den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme erweitert. Die Taxonomie ist eine europäische Verordnung und damit unmittelbar anzuwendendes Recht.
Für Ulrike Middelhoff, Sustainability Managerin bei der Agrana, ist das tatsächliche Novum der Taxonomie die zwingende Verknüpfung von objektiv definierter Nachhaltigkeitsleistung und Finanzleistung, wodurch die Aussagekraft der Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöht wird.
»Investoren werden anhand der analysierten Daten künftig entscheiden, in welchem Umfang beziehungsweise ob sie überhaupt noch in die einzelnen Unternehmen investieren werden«, betont Gerhard Marterbauer. Daher empfiehlt er, möglichst frühzeitig eine professionelle und transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung zu implementieren.
Aus den etwa 80 heimischen Kapitalgesellschaften, die bereits zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind, ist zu hören, dass man Investitionen und Betriebsaufwendungen bereits intensiv analysiert und entsprechend gegensteuern möchte, um möglichst viel grün labeln zu können.
Aufbau von Ressourcen
Neben der Nachhaltigkeitsberichterstattung entscheiden vor allem die tatsächliche Optimierung des ökologischen Fußabdrucks und die rasche Umsetzung der damit verbundenen Maßnahmen. »Wir haben 2020 daher unsere Sustainability-Abteilung deutlich aufgestockt, personell wie finanziell«, berichtet Diana Neumüller-Klein, als Leiterin Investor Relations verantwortlich für die Berichterstattung im Strabag-Konzern. Einige Mitarbeiter*innen sind einzig damit beauftragt, an Verbesserungsprojekten zu arbeiten.
»Bauunternehmen haben oft keine Steuerungsmöglichkeit der von der Taxonomie geforderten Kriterien«, so Diana Neumüller-Klein, Strabag.
Für die EU-Taxonomie erkennt sie dringendes Verbesserungspotenzial. Sie sei ein wichtiger Treiber, aber trotz der Unterteilung in Wirtschaftssektoren wie Produktion, Energie, Gebäude, Abfall, Transport und IT zu allgemein gehalten, denn: »Als Bauunternehmen ist die Strabag vielfach in den Planungsprozess nicht eingebunden und hat damit keine Steuerungsmöglichkeit von vielen von der Taxonomie geforderten Kriterien«, so Neumüller-Klein.
»Zurzeit fallen in Österreich rund 80 Unternehmen unter die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung. Häufig sind die Berichte schwer vergleichbar und von unterschiedlicher Qualität; teils inkludiert in den Geschäftsbericht, teils als eigenständiger Nachhaltigkeitsbericht publiziert«, informiert Heidrun Kopp, Inafina, über den Status quo. Neue Erfordernisse durch die Implementierung der EU-Taxonomie sowie Änderungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordern zusätzliches Know-how.
Berichterstattung als Managementrahmen
Heimische Unternehmen, die bereits zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind:
»Für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts erfolgen laufend Kernteamsitzungen, in denen neben aktuellen Themen auch die Ziele und Maßnahmen aus dem Vorjahresbericht evaluiert werden«, berichtet Ulli Vielhaber, ASFINAG. »Ab September jeden Jahres wird mit der Zusammenstellung des neuen Berichts begonnen. Weiters wird im Herbst ein Update des Berichts aus dem Vorjahr mit aktuellen Zahlen wie Unfall- und Energiedaten durchgeführt und veröffentlicht.«
»Die Nachhaltigkeitsberichterstattung kann als ein Managementrahmen angesehen werden, wodurch das Bewusstsein, die Verantwortlichkeit und der Fortschritt bei Nachhaltigkeitsthemen in regelmäßigen Abständen überprüft und verbessert wird. Gleichzeitig verbessert Nachhaltigkeitsberichtserstattung auch den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit externen Interessengruppen«, betont Dominic Köfner, Lenzing AG.
»Nachhaltigkeitsberichte fungieren in gewisser Weise auch als Spiegel nach innen. Als regelmäßiger Gradmesser für den Erfolg der nachhaltigen Unternehmensausrichtung sind sie unerlässlich,« erklärt Allianz- Nachhaltigkeitsbeauftragter Gunter Hanel.
»Wir schärfen das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen über den Vorstand hinaus«, betont Ulrike Middelhoff, Sustainability Managerin bei der Agrana. Neben einem integrierten Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht werden viele der Informationen in leichter lesbaren Publikationen verarbeitet. Das habe zu einer Bewusstseinsbildung im Unternehmen beigetragen.
Themen für Finanzierung
Die EU-Taxonomie ist Teil des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums von 2018. Weitere Schritte sind:
- »Green-Bond-Standard und Ecolabel« – Schaffung von Normen und Kennzeichen für umweltfreundliche Finanzprodukte
- »Effizienzsteigerung« – Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte
- »Nachhaltigkeitspräferenzabfrage« – Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in der Finanzberatung
- »Nachhaltigkeitsbenchmarks« – Entwicklung einer Transparenz von Methoden und Merkmalen
- »Ratings und Marktanalysen« – Bessere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit
- »Nachhaltigkeit bei institutionellen Anlegern/Vermögensverwaltern« – Pflichten bezüglich Einbeziehung und Transparenz
- »Risikomanagement und Kapitalanforderungen« – Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in den Aufsichtsvorschriften
- »Transparenz« – Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinfos und zur Rechnungslegung
- »Corporate Governance und Short-Termism« – Förderung nachhaltiger Unternehmensführung, Abbau von kurzfristigem Denken der Kapitalmärkte
Applikationen zur Sache
»SAP Product Footprint Management« berechnet Unternehmen den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte über die gesamte Wertschöpfungskette, »SAP Responsible Design and Production« hilft, Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in die Kernprozesse zu integrieren. Energiemanagement-Systeme unterstützen Unternehmen dabei, Energie- und Klimabilanzen dauerhaft zu verbessern und die Energiekosten unter Kontrolle zu behalten respektive zu senken. Die Förder- und Finanzierungsbank aws hilft bei der Implementierung.