Heinz Mihatsch, Leiter der Abteilung »Energy & Performance Services« bei Siemens in Österreich, über das kommende Energieeffizienzgesetz, Einsparcontracting und die Bundesimmobiliengesellschaft als Vorbild.
Report: Sie sind Energieeffizienz-Experte bei Siemens. Was bedeutet das konkret?
Heinz Mihatsch: Ich leite in Österreich die Abteilung »Energy & Performance Services (EPS)«. Sie gehört zur 2019 neu gegründeten Sparte Smart Infrastructure der Siemens AG und entstand aus dem Zusammenschluss der Abteilungen Building Technologies und Energy Management. Wir im Bereich EPS haben rund 40 Beschäftigte und die Kompetenz, als Generalunternehmer Energieeffizienzprojekte durchzuführen, von der Verbrauchsanalyse über die Berechnung der möglichen Einsparungen und die Abwicklung der Projekte bis zum Monitoring.
Diese Struktur wurde europaweit mit 1. Oktober eingeführt. Siemens möchte damit den aktuellen Trends in der Energiewirtschaft Rechnung tragen. Vor allem geht es um Digitalisierung, Energieeffizienz und dezentrale Energieerzeugung.
Die Hintergrundthematik ist: Auf der einen Seite steht der Energieverbrauch, vor allem in Gebäuden. Mit unseren Technologien erfassen wir sehr viele Daten und wissen entsprechend viel über die Energieströme. Auf der anderen Seite steht die Energieversorgung. Diesbezüglich fragt sich: Wo kommt die Energie her? Wie kann man sie sinnvoll speichern und verteilen?
Report: Letzten Endes geht es also um Energiemanagement?
Mihatsch: Richtig. Mit Energieeffizienz befasst sich Siemens bereits seit rund 20 Jahren. Begonnen hat alles mit der Bundesimmobiliengesellschaft, die nach wie vor zu unseren wichtigsten Auftraggebern gehört. Sie war einer der Initiatoren des Energieinsparcontractings. Heute betreuen wir etwa 800 Liegenschaften und sparen Kosten von 70 Millionen Euro ein. Unter unseren Kunden sind Industrie- und Gewerbebetriebe ebenso wie Unternehmen aus der Hotellerie, Shoppingcenter und, ganz wichtig, Einrichtungen der öffentlichen Hand. Am Siemens Campus in Wien-Floridsdorf installieren wir gerade eine Distributed-Energy-Lösung.
Dabei errichten wir auf den Dächern mehrerer Gebäude Photovoltaikanlagen sowie einen zentralen Stromspeicher. Außerdem statten wir 20 Parkplätze mit E-Ladestationen aus. Alle diese Anlagen steuern wir zentral mit unserer Microgrid-Software. Das wird ein schönes Referenzprojekt.
Report: Im Klima- und Energieministerium wird an einem neuen Energieeffizienzgesetz gearbeitet. Was sind Ihre wichtigsten Anliegen hinsichtlich der kommenden Bestimmungen?
Mihatsch: Sehr positiv an der Novelle, die 2021 kommen soll, sind die klarere Positionierung des Contracting und die transparentere Bewertung der Effizienzmaßnahmen. Die Auswirkungen der Maßnahmen sollen erheblich genauer berechnet und gemessen werden als bisher. Dadurch werden ihre Vorteile für die Kunden deutlicher sichtbar. Das wird die Unternehmen animieren, Projekte umzusetzen und nicht nur Energieaudits zu machen, um ihre gesetzliche Pflicht zu erfüllen.
Report: Führen Sie selbst Energieaudits durch?
Mihatsch: Ja, an unseren eigenen Standorten und für ausgewählte Kunden. Das ist immer eine Unterstützung für die Gesamtlösung, die wir anstreben. Mit dem Audit erheben wir die Potenziale, die wir dann realisieren. Energiemanagementsysteme, die, wie im Energieeffizienzgesetz vorgeschrieben, nach ISO 50001 zertifiziert sind, gehören dagegen nicht zu unserem Angebot. Wir sind keine Consulter, sondern Generalunternehmer und Projektumsetzer. Aber natürlich haben wir die technische Kompetenz, Energiemanagementsysteme zu implementieren. Das ist eine komplexe Dienstleistung, die wir in Ausnahmefällen für Bestandskunden erbringen.
Report: Laut dem bestehenden Gesetz müssen Industrie und Gewerbe Effizienzmaßnahmen auch dann nicht umsetzen, wenn diese rentabel wären. Wäre aus Ihrer Sicht eine Pflicht zur Umsetzung sinnvoll?
Mihatsch: Das dürfte politisch schwer umzusetzen sein. Es wird eher darum gehen, Anreize zu bieten. Bekanntlich fördert das AWS Investitionen in Digitalisierung, Ökologisierung und Klimaschutz sowie Gesundheit mit 14 % der Kosten. Dazu kommt die Umweltförderung im Inland (UFI) durch die Kommunalcredit Public Consulting (KPC), die bis zu 30 % der Kosten eines Projektes betragen kann. Das ist ein Hebel, der sehr viele Energieeffizienzmaßnahmen bewirkt.
Report: Es gibt immer wieder Zweifel, dass sich Einsparcontracting-Projekte ohne Förderungen durch die öffentliche Hand rechnen.
Mihatsch: Sie rechnen sich eher nicht. Wir führen manchmal Projekte ohne Förderungen durch. Die sind rentabel, weil wir zusätzlich zum Contracting noch andere Maßnahmen setzen. Wichtig wäre, das Fördersystem zu vereinfachen. Gerade kleine Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Wir unterstützen unsere Kunden oft bei der Abwicklung der Förderungen. Mit dem Einsparcontracting haben wir ein klares Modell. Die Maßnahmen sind technisch ausgereift.
Damit kommen die Subventionen an der richtigen Stelle an. Sie wirken, wo sie wirken sollen. Grundsätzlich interessant ist Einsparcontracting nicht nur für die Industrie und das Großgewerbe, sondern oft auch für mittelgroße Gewerbebetriebe und natürlich auch für die öffentliche Hand. Neben den Gebäuden des Bundes würden auch solche der Länder und der Kommunen in Frage kommen. Oft haben diese Körperschaften aber nicht die notwendigen Ressourcen und das Know-how.
Daher wäre eine Bündelung um die BIG herum möglicherweise sinnvoll. Dabei geht es auch um die langfristige Wirksamkeit der Maßnahmen. Mit Einmaleffekten alleine ist es nicht getan. Es ist notwendig, den Energieverbrauch und damit auch die CO2-Emissionen nachhaltig zu senken.
Report: Es heißt gelegentlich, Siemens sei eine Bank mit angeschlossenen Anlagenherstellern. Wie finanzieren Sie Ihre Contractingprojekte?
Mihatsch: Wir sind keine Bank. In Österreich bedienen wir uns bei der Finanzierung der Banken. Manchmal ist es nicht einfach, Finanzpartner zu finden, gerade auch im kleinteiligeren Geschäft. Hilfreich wären die geplanten Staatshaftungen von bis zu 50 Millionen Euro. Generell wird das Einsparcontracting immer attraktiver. Auch Energiedienstleister bieten entsprechende Services zunehmend an. Die kommen unter anderem aus dem Anlagenbau und aus dem Facility-Management. Wir sehen das positiv: Konkurrenz belebt den Markt.
Report: Welche Möglichkeiten hätte die Bundesregierung, Einsparcontracting noch attraktiver zu machen?
Mihatsch: Das kommende Energieeffizienzgesetz geht aller Voraussicht nach in die richtige Richtung, mit den geplanten Förderungen ist es ebenso. Wichtig wäre, dass die Politik mit gutem Beispiel vorangeht und selbst Contractingprojekte umsetzt. Der Bund und die Länder sollten das Erfolgsmodell der BIG stärker nutzen. Beispielsweise ließen sich im öffentlichen Bereich Gruppen installieren, die ihre Liegenschaften gemeinsam managen.
Allein wenn ich an die teilweise leerstehenden Kasernen des Bundesheeres denke, ergäben sich attraktive Möglichkeiten. Und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie diesen ist die öffentliche Hand gefordert, zu investieren. Ihre finanzielle Stabilität ist wesentlich größer als die vieler Unternehmen. Prinzipiell sehr interessant ist die Photovoltaik-Offensive des Bundes, mit der eine Million Dächer mit Solaranlagen ausgestattet werden sollen. Dabei ist allerdings die richtige Implementierung und Projektbegleitung sehr wichtig.
Es hat keinen Sinn, dass diverse Unternehmen einfach Solarpaneele auf Dächer schrauben. Worum es geht, ist die Entwicklung von Betreibermodellen, die langfristig funktionieren und nachhaltig den CO2-Verbrauch senken.
Report: Auch im sozialen Wohnbau?
Mihatsch: Ja. Dort wäre es ebenso möglich, Betreibermodelle zu finden. Diese könnte man dann über den ganzen Wohnbaubereich ausrollen. Wir müssen uns alle für eine CO2-reduzierende Zukunft fit machen, denn letztendlich haben wir nur eine Erde, auf der nicht nur wir, sondern auch zukünftige Generationen eine lebenswerte Umgebung vorfinden sollen. Das ist unsere jetzige Verpflichtung und Auftrag an uns alle.