Menschen, Fahrzeuge, Infrastrukturen und Städte: Auf dem Weg zur klima- und ressourcenschonenden Zukunft stehen Gebäude im Mittelpunkt.
Städte nehmen rund 2 % der Erdoberfläche ein. Obwohl sie nur gut die Hälfte der Bevölkerung beherbergen, brauchen sie 75 % der Energie und verursachen 80 % aller CO2-Emissionen. Es wird prognostiziert, dass bis 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Damit sind Pläne für eine smarte Stadtentwicklung und Energieversorgung grundlegend.
Inmitten all dieser Strategien stehen Gebäude: Gerade im Verbrauch von Wärme und zunehmend auch Kälte sind sie neben der energieintensiven Industrie Schwergewichte im Wandel des Energiesystems. Dabei wird elektrische Energie eine Schlüsselrolle einnehmen: immer mehr grüner Strom aus erneuerbaren Energiequellen fließt ins Netz und erfordert mehr Agilität und Flexibilität aller Teilnehmer Innen der Energieinfrastruktur.
Der Technologieanbieter Siemens erwartet eine Verdoppelung der Nachfrage nach elektrischer Energie über die nächsten zehn Jahre. »Bei der Stromerzeugung könnten lokale Speichersysteme sowie Sektorkopplung einen Beitrag zur Befriedigung der Nachfrage leisten, indem sie beispielsweise Verbindungen zwischen Gebäuden und Ladestationen für Elektrofahrzeuge herstellen«, heißt es bei einem alljährlichen Infotag im Sommer in Wien, der unter dem Motto »The Future of Energy« stattfand.
An einem internationalen Beispiel demonstriert das Technologieunternehmen den »perfekten Ort« für das smarte Zusammenspielen aller Gewerke: Seit zehn Jahren arbeitet Siemens mit dem Sello Shopping-Center in Helsinki in den Bereichen Gebäudeautomation und Energie. Die Betreiber nutzen eine Cloud-basierte Energie- und Nachhaltigkeitsplattform zur Überwachung und Analyse der Lüftungsanlagen, Raumsensoren und Beleuchtungssysteme in den Räumlichkeiten und Geschäftslokalen des Zentrums.
Im Jahr 2017 konnte das Center 680 MWh Strom und 800 MWh Fernwärme einsparen und die Energiekosten über einen Zeitraum von acht Monaten um rund 93.000 Euro senken. Durch die Integration des Gebäudemanagement- und des Energiemanagementsystems werden Energiekosten in den Bereichen Energieerzeugung, Verbrauch, Speicherung und Verkauf von Strom an Besitzer von Elektroautos optimiert. Die Lösung ermöglicht auch die Aggregation von Mikrolasten innerhalb des Gebäudes – diese können dem nationalen Übertragungsnetzbetreiber Fingrid als Flexibilitätslasten angeboten werden. Damit stehen eine virtuelle Kraftwerkslösung in Helsinki zu Verfügung.
Datengetriebene Forschung
Bild oben: Die Forschungsgruppe des Projekts FLEX+ will unter anderem die Bewirtschaftung eines Pools von Batteriespeichern erproben. (c) SCCH
Zurück nach Österreich: Energie wird zunehmend dezentral erzeugt und verbraucht. Künstliche Intelligenz könnte dazu die Optimierung zwischen Lieferanten, Speichermedien und Prosumern steuern. Neue Ansätze zur verteilten Entscheidungsfindung zu finden, ist das Ziel des Projekts »FLEX+«, einer Ausschreibung des Klima- und Energiefonds.
Die FLEX+ Plattform soll für Vermarktung, Planung, Vorhersage, Aggregation und den bedarfsgerechten Abruf frei verfügbarer Energie aus Privathaushalten sorgen, um im sensiblen Strommarkt zu jeder Zeit eine optimale Verteilung sicherzustellen. Von Mai 2018 bis April 2021 bündeln vier wissenschaftliche Partner – AIT als Konsortialführer, die TU Wien, das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) und die FH Technikum Wien –, Industriepartner wie Fronius oder W & Kreisel Group sowie Energieversorger ihre Kräfte.
Das SCCH als Experte für Prognosemethoden entwickelt für das Projekt Werkzeuge zur Optimierung der Entnahme überschüssiger Energie aus Batterien. »Um Entscheidungen zu treffen, müssen wir vorhersagen, wie viel Energie morgen in PV-Anlagen erzeugt und wie hoch der Verbrauch sein wird«, erklärt Georgios Chasparis, Forscher für Prognosesteuerung und Optimierung: »Alle Teilnehmer in einem intelligenten Stromnetz nutzen und produzieren Energie.
Die Bestimmungen des Systems und die Handlungen der Teilnehmer stehen in Wechselwirkung. Daher wollen wir herausfinden, wie wir den Entscheidungsprozess verteilen können«, erläutert Chasparis. Seine Forschung befasst sich damit, wie man auf Basis begrenzter Informationen die Entscheidungsfindung von Systemen automatisieren und optimieren kann.
Die Plattform dient auch der Energievermarktung der Teilnehmer einer Prosumer-Gruppe. Für den einzelnen Teilnehmer liegt der Nutzen – und zugleich der Anreiz, seine PV-Anlage einzusetzen –, in der Reduktion der Kosten. »Aus unseren bisherigen Ergebnissen lässt sich im Idealfall eine Ersparnis von rund 150 Euro pro Jahr und Teilnehmer allein in Bezug auf die Batterien ableiten«, prognostiziert Chasparis.
Smarte Städte
Bild: Lissabon ist Austragungsort der »Urban Future global conference« in 2020: Clara Muzzio (Stadt Buenos Aires), Maria Vassilakou (Stadt Wien), Fernando Medina (Stadt Lissabon), Ellen de Vibe (Stadt Oslo) und Gerald Babel Sutter (c)UFCG).
Bei der Auftaktveranstaltung der »Urban Future global conference« in Lissabon Ende Oktober übergab Ellen de Vibe, Stadtplanerin aus Oslo, gemeinsam mit Wiens ehemaliger Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou den Staffelstab für die Konferenz an Bürgermeister Fernando Medina.
Für Gerald Babel Sutter, CEO, Gründer und Programmdirektor der UFCG, ist Lissabon als Austragungsort für die Urban Future Global Conference im nächsten Jahr geradezu prädestiniert: »Lissabon wurde aufgrund seiner nachhaltigen Stadtentwicklung in den letzten zehn Jahren völlig zurecht als Europäische Umwelthauptstadt 2020 ausgezeichnet.
Bemerkenswert ist nicht nur der Ansatz, den Mensch in den Mittelpunkt der Stadtplanung zu stellen, sondern auch die Fortschritte bei Energieeffizienz und Wassermanagement.« Inhaltlich wird sich bei Europas größter Konferenz für nachhaltige Städte im nächsten Frühjahr alles um die vier großen Themen Mobilität, Wasser, Stadtviertel und »Leadership« drehen.