Mit Unterstützung von Oesterreichs Energie, dem World Energy Council Austria und dem OVE wurden Mitte Februar an der TU Graz die Pforten zum mittlerweile 15. Symposium Energieinnovation geöffnet.
95 % aller Staaten haben sich auf das Pariser Zwei-Grad-Klimaziel und die CO2-freie Wirtschaft bis zur Jahrhundertwende geeinigt. Es gilt, die globale Erwärmung langfristig auf zwei Grad oder weniger zu begrenzen. Das Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation der TU Graz lud zur Präsentation innovativer Forschungsergebnisse ein. VertreterInnen aus den Bereichen Industrie, außeruniversitäre Forschung, Energieberatung, Elektrizitätswirtschaft und Verwaltung folgten der Einladung zum Symposium, das alle zwei Jahre stattfindet. Ein Kern des Events war der Bereich der Speicherung volatiler Energie.
Volatil braucht Speicher
Mehr als 75 % der Weltbevölkerung leben in urbanen Räumen. In Europa sind Gebäude für 40 % des gesamten Energiebedarfs und für 36 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Um das EU-CO2-Reduktionsziel zu erreichen, müssen vor allem die bestehenden Gebäude in Städten energetisch ertüchtigt werden. Die Dekarbonisierung ist laut Christian Heschl, Studiengangsleiter Gebäudetechnik und Gebäudemanagement, FH Burgenland, nur mit dem Ausbau der regenerativen Energiesysteme zu schaffen. Er nennt zwei mögliche Optionen: »Entweder wir bauen große Energiespeicher, die eine Unmenge kosten und wirtschaftlich kaum umsetzbar sind, oder wir verwenden intelligent vernetzte Gebäude mit Warmwasserbereitung als Zwischenspeicher, bzw als thermischen Speicher. Dazu brauchen wir Digitalisierung im Gebäude.« Als ein Lösungskonzept für thermische Speicher wurde in Graz die bereits angewandte Power-to-Heat Methode vorgestellt. Dabei wird überschüssige elektrische Energie in Wärme umgewandelt und dem Wärmesektor zugeführt. Im Gegensatz zu großen P2H-Anlagen in Fernwärmenetzen befinden sich Nahwärmenetze häufig direkt in der Nähe dezentraler Erzeugungsanlagen. Damit kann neben der Systembalance auch die lokale Netzstabilität durch gezieltes Einschalten elektrischer Heizelemente unterstützt werden. Als möglichen thermischen Speicher stellte Nina Hack von der TU Dresden keramische Materialien vor, die bis 1.200 Grad beständig sind. Gearbeitet wird dabei mit mehreren keramischen Wabenkörper-Steinen, die sich auch durch hohe Korrosionsbeständigkeit und hohe Beladungsleistung auszeichnen. Die Beladung des Test-Speichers erfolgt mit elektrisch vorgeheizter Umgebungsluft, die Entladung mit kalter. »Die ersten Versuchsergebnisse bestätigen den erwarteten Verlauf für das kontinuierliche Erwärmen bzw Abkühlen in unterschiedlichen Ebenen«, berichtet Hack.
Big Solar Graz
Martin Graf, Vorstand der Energie Steiermark, stellte in Graz eine neue Speicherform der Superlative vor. »Gemeinsam mit dem dänischen Konzern VKR und regionalen Partnern wollen wir unter dem Namen Big Solar die größte solare Fernwärmeanlage der Welt errichten, die mit einem Output von 230 Gigawattstunden Wärme rund 20 % des Bedarfs der zweitgrößten Stadt Österreichs decken kann«. Als Vorbild dient die dänische Kleinstadt Vojens, wo Häuser seit 2017 über einen 70.000 m² großen Solarpark samt Wärmespeicherbecken beheizt werden. Mit bis zu 450.000 m² soll die Grazer Anlage bedeutend größer werden. Durch die Errichtung eines 1.800.000 m³ großen Erdspeichers kann die im Sommer erzeugte Wärme aus den Solarkollektoren gespeichert werden und in der Heizsaison wieder entladen werden. Das Wasser im Saisonalspeicher wird auf bis zu 90 Grad aufgeheizt. Martin Graf: »Zum Einsatz kommen Absorptionswärmepumpen, die eine bessere Ausnutzung des Speichers und einen höheren Solarertrag ergeben.« Mit der Fertigstellung ist frühestens 2020 zu rechnen. Die Gesamtinvestitionssumme liegt bei rund 200 Mio. Euro.
EnergySimCity
Ein Projekt rund um Siedlungen mit einem hohem Anteil an volatil einspeisenden erneuerbaren Energieumwandlungsanlagen ist EnergySimCity, ein Forschungsprojekt von AEE Intec. Integriert wurde eine Power-to-Heat Anlage, die die Rücklauftemperaturen des Fernwärmenetzes erhöht, eine dezentrale Top Unit, um eine Temperaturwelle zu simulieren, und mehrere dezentrale Solaranlagen, die in das Fernwärmenetz einspeisen. Damit sollen Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Energieumwandlungsanlagen, Strom-, Gas-, Kälte- und Wärmenetzen sowie Speichern und Verbrauchern abgebildet und mögliche Synergiepotenziale aufgezeigt werden.
Lithium-Natrium
Die Speicherung elektrischer Energie aus Windparks und Photovoltaik-Anlagen erfordert mittelfristig sichere und leistungsfähige elektrochemische Energiespeicher, auch in Form von E-Fahrzeugen. Bislang sind die meisten Elektro-KFZ mit Li-Batterien ausgestattet, die fast ausschließlich in Asien gefertigt werden. Die konventionelle Li-Ionenbatterie birgt laut Martin Wilkening, Leiter des Instituts für Chemische Technologie von Materialien sowie des CD-Labors für Lithium-Batterien der TU Graz, ein Risiko: Die verwendeten flüssigen aprotischen Elektrolyte sind entflammbar. »Die EU sieht deutlichen Handlungsbedarf, neue Generationen von Batterien zu fördern und Programme zur Etablierung europäischer Batterieproduktionsstätten zu konzipieren«, berichtet er.
PV-go-Smart
PV gewinnt als Energieproduzent an Bedeutung – durch die seit Mitte 2017 rechtlich geltende Gesetzesnovellierung auch in Mehrfamilenhäusern. PV bringt einen deutlichen Beitrag zur Einhaltung bzw. Erreichung der Klimaziele, erhöht jedoch aufgrund der Fluktuation in der Erzeugung die Komplexität in Planung und Organisation der effizienten Nutzung und Verteilung der Energie. Bis September 2019 läuft daher das Projekt PV-go-Smart mit dem Ziel, Datennetzwerke von PV-Systemen zu verknüpfen, Wetterprognosen und Skycams für neuartige Prognosemethoden mittels Einsatz von Online-PV- und Skycam-Daten zu generieren und effiziente Energiemanagementanwendungen mit Erzeugungsprognosen zu entwickeln.
Doppelte Wassernutzung
Derzeit in Umsetzung befindet sich ein Projekt zur Installation einer Großbatterie im Wasserkraftwerk Standort Wallsee-Mitterkirchen. Damit soll die prinzipielle Funktionsweise der Kombination der beiden Faktoren demonstriert werden. Wegen des hohen Wirkungsgrades und der hohen Anzahl an Ladezyklen wurde die Lithium-Ionen-Batterietechnologie gewählt. Wasser ist auch Medium für modifizierte Heißwasser-Pumpspeicherkraftwerke. Die vornehmlich aus Solarthermie, Industrieabwärme und Power-to-Heat gewonnene thermische Energie wird dabei dem Wasserkörper des Kraftwerks über Wärmetauscher zugeführt.
Bei fehlenden tiefliegenden Speichern wird die Potenzialdifferenz mit der Luftdruckaufbringung im Luftraum der oberen Speicherkaverne erhöht, ohne diese über einen großen topografischen Höhenunterschied herstellen zu müssen. Außerdem kann das innovative Speichersystem mit einer tiefengeothermischen Energienutzung kombiniert werden, um so eine wetterunabhängige thermische Energiequelle verfügbar zu machen. Eine weitere innovative Anwendung für H20: der schwimmende hydraulische Energiespeicher Buoyant Energy. Konventionelle Pumpspeicherung ist eine lange bewährte und wirtschaftlich rentable Technologie mit einem Wirkungsgrad bis zu 80 Prozent. An Buoyant Energy ist neu, dass das Reservoir des schwimmenden Energiespeichers mittels Turbinen und Pumpen befüllt beziehungsweise entleert werden kann. Damit eignet sich das Speicherkonzept für See- und Meeranwendungen.
Info: Der Tagungsband zum Symposium Energieinnovationen kann auf der Seite der TU Graz, Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation, abgerufen werden: https://www.tugraz.at/en/events/eninnov2018/home/
Einsatz für Blockchain
Ein neues Anwendungstool für Prosumer ist Blockchain. Bewohner können selbst erzeugten PV-Strom an andere Hausbewohner übertragen, weil sie zum Beispiel im Urlaub sind. Die Blockchain-Technologie erlaubt fälschungssicheres, verschlüsseltes Übertragen von Daten und das Abrechnen der Tauschgeschäfte.
Kopplung von Sektoren
Power-to-Heat, P2H, bedeutet die Erzeugung von Wärme unter dem Einsatz von Strom, etwa mittels herkömmlicher Elektroheizungen oder Wärmepumpenheizungen. Power-to-Cold, P2C, beschreibt die Umwandlung in Kälte und deren Speicherung. Bei Power-to-Gas wird mittels Wasserelektrolyse unter Einsatz von Ökostrom ein Brenngas hergestellt.