870 Millionen Euro will der Energieversorger in den nächsten fünf Jahren in Infrastruktur und Innovationsprojekte stecken. Die Finanzierung der fürs Netz wichtigen KWK-Anlagen indes ist weiter ungewiss.
„Es war ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr“, ist Michael Strebl, Vorsitzender der Geschäftsführung, „guter Dinge“. Wien Energie hat 2017 ein Ergebnis von 86,2 Millionen Euro erzielt. Der Betrag gleicht – bis aufs Vorzeichen – dem Ergebnis aus dem Jahr davor. Das Minus aus 2016 wurde ins Plus gedreht. Der Umsatz konnte um rund 10 % auf 1,2 Milliarden Euro gesteigert werden. Gründe für die positive wirtschaftliche Entwicklung waren gestiegene Strompreise und eine bessere Auslastung der Kraftwerke – und nicht zuletzt die Folgen der sehr kalten Monate Jänner und Februar im Vorjahr.
Der durchschnittliche Personalstand lag bei 2.568 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – 84 Vollzeit-Äquivalente weniger als im Vorjahreszeitraum. „In Zukunft rechnen wir damit, dass sich die Beschäftigungslage in der Energiebranche stabilisiert. Durch Digitalisierung und zusätzliche Wertschöpfung werden bei Wien Energie sogar 250 neue Jobs in den nächsten fünf Jahren entstehen“, betont Wien Energie-Finanzchef Peter Gönitzer. Mit dem Blick auf neue Berufsbilder wie Datenanalysten und Robotik- und AutomatisierungsexpertInnen, sieht Gönitzer rund 1 bis 2 % neue Jobs jährlich entstehen. Sie werden etwa zur Hälfte am Arbeitsmarkt und Hälfte aus den eigenen Reihen im Unternehmen besetzt und ausgebildet werden.
Strebl und Gönitzer orten das Unternehmen „stark von Innovation und Erneuerbaren getrieben“: Wien Energie investiert in den nächsten fünf Jahren 870 Millionen Euro in Versorgungssicherheit, Erneuerbare-Energie-Lösungen und Innovation. Alleine 100 Millionen Euro sollen in den Ausbau von Photovoltaik-Flächen fließen, weitere 15 Millionen Euro in die Errichtung von 500 öffentlichen Elektrotankstellen (mit je zwei Ladepunkten zu 11 kW Leistung). Bis Mitte 2018 sollen es bereits 230 Ladepunkte sein. Bis zum Jahr 2030 plant Wien Energie eine zusätzliche installierte Photovoltaik-Leistung von 600 Megawatt. Eine der „Trägerraketen“ der Solaroffensive ist die Ökostrom-Novelle aus dem vergangenen Jahr. Sie macht es Stadtbewohnern erstmals möglich, auf diese Form der erneuerbaren Energie aktiv zuzugreifen. Eine Gemeinschafts-Photovoltaik-Anlage könnte Schätzungen zufolge auf bis zu 10 % von insgesamt 68.000 Mehrfamilienhäusern in Wien stehen. Das können auch bereits bestehende Wohnhäuser sein, wie Gemeindebauten, Genossenschaftsanlagen oder klassische Zinshäuser.
Sorgenkind KWK
Ungewiss ist weiterhin die Finanzierung von Modernisierungsprojekten und Neubauten im Bereich der Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen. „Wir leben von der Substanz – von den Investitionen, die in der Vergangenheit gemacht worden sind. An gewissen Tagen können wir unsere Kraftwerke wirtschaftlich betreiben, aber an Neuinvestitionen ist derzeit nicht zu denken“, sagt Strebl. Der Kraftwerksblock zwei in Simmering geht 2023 vom Netz, in der Energiewirtschaft ist dieser Termin hinsichtlich der Ausbildung von Personal und auch funktionierenden Lieferketten der Industrie praktisch „übermorgen“. „Wir brauchen dringend eine Lösung für diese Kraftwerke, der trotz allen Anstrengungen in Erneuerbare als Backup notwendig sind.“ KWK-Anlagen seien weiterhin die eleganteste Form, Strom und Wärme gemeinsam zu erzeugen. In Deutschland gibt es entsprechende Förderungen und Flexibilität für den Strommarkt. „Wenn wir etwas ähnliches wie deutsche Regelung hätten, wären wir schon froh“, verrät Strebl.
Bilanz Netzreserven
Wien Energie hat im Vorjahr den Übertragungsnetzbetreiber APG 195 Mal bei der Stabilisierung des Stromnetzes mit Leistungsreserven unterstützt. 2016 waren es noch 88 Einsätze, in den Jahren davor noch weniger. Bis April werden im laufenden Winterhalbjahr Netzreserven auch für den deutschen Netzbetreiber TenneT bereitgestellt. Es dürfe eine einmalige Angelegenheit sein: Die Deutschen schreiben mit der Trennung der Strompreiszone nicht mehr in Österreich aus. Dafür hat die APG für den Sommer neuerlich eine Reserveleistung von 1.400 MW bei den Wienern angefordert. Michael Strebl ist hier alles andere als euphorisch: „Die derzeitigen Netzreserven sind so etwas wie eine Mindestsicherung für Kraftwerke. Invest-Entscheidungen gehen sich auf dieser Basis nicht aus.“