Die Methodik der Taktplanung und Taktsteuerung richtet die Produktion eines Bauobjektes nach einer Taktzeit aus, um die Koordination sowie die Steuerung des Produktionsfortschrittes zu erleichtern. Teil 8 der Serie »Lean Baumanagement – Werkzeuge und Methoden«
Um die Taktzeit berechnen zu können, muss die zur Verfügung stehende Arbeitszeit durch den von den Kunden angemeldeten Bedarf dividiert werden. Die Taktzeit ist fester Bestandteil von Produktionssystemen in der stationären Industrie und findet sich fast in jedem Automobilkonzern als integraler Teil wieder. Bauprojekte, welche mit der Taktplanungs- und Taktsteuerungsmethode1 gefertigt werden, sind in ihrem Wesen repetitiv. Sich wiederholende Arbeitsschritte und Abfolgen können nach der Taktzeit ausgerichtet werden, um einen kontinuierlichen Fluss an Mannschaften, Material und Baufortschritt sicherzustellen.
Das oberste Ziel ist es, den Wert aus Kundensicht zu definieren und einen Gesamtüberblick über das Projekt zu bekommen. Bei der Prozessanalyse wird einerseits die zeitliche Komponente noch außer Acht gelassen und andererseits werden projektspezifische Zwänge noch nicht mitberücksichtigt. Dadurch entsteht eine grobe Struktur des Projektes und ein anfängliches Verständnis über die Anforderungen an das Projektteam.
Die Prozessanalyse ist in drei Schritte gegliedert. Zuerst wird das Bauobjekt in Funktionscluster aufgeteilt. Dies sind Bereiche, welche sich in ihrer Beschaffenheit sowie den geometrischen Abmessungen und den zu erledigenden Arbeitsschritten ähnlich sind. Bei genauer Betrachtung finden sich in jedem dieser Cluster Elemente, welche sich wiederholen. Dies können z. B. ähnlich aufgebaute Bürozimmer oder Bewohnerzimmer inklusive Bad sein. Diese Wiederholungselemente werden gesucht und als sogenannte Standardraumeinheiten (SRE) definiert. Als dritter und letzter Schritt der Prozessanalyse werden die einzelnen Arbeitsschritte, die notwendig sind, um den Bau einer SRE durchzuführen, definiert. Dazu muss ein tiefes Verständnis der zu erledigenden Arbeit und der zu erbringenden Qualität vorhanden sein.
Aufbauend auf der Prozessanalyse kann anschießend die Taktplanung geschehen. Sobald die detaillierten Arbeitsschritte für die SRE identifiziert wurden, kann der Arbeitsumfang berechnet werden. Die zu bauende Menge sowie der Inhalt werden mit Aufwandswerten hinterlegt und berechnet. So ergibt sich die Arbeitsaufteilung für die einzelnen Gewerke. Das Ergebnis des vierten Schrittes ist ein Arbeitsverteilungsdiagramm. Da die Arbeit für manche Gewerke aufwendiger ist, wird sich eine Ungleichmäßigkeit einstellen.
Im Sinne der Schaffung eines kontinuierlichen Arbeitsflusses der Mannschaften durch die einzelnen Taktbereiche muss die Arbeitsbelastung je Gewerk harmonisiert werden. Dies kann mittels Anpassung der Kapazität sowie Springern passieren. Aus der logischen Abfolge für die Projektabwicklung sowie dem harmonisierten Arbeitsverteilungsdiagramm kann als letzter Schritt der getaktete Produktionsterminplan abgeleitet werden. Die Grafik auf der nächsten Seite zeigt die Schritte der Taktplanung.
Die Arbeitspakete werden einzelnen Arbeitsteams zugeteilt und bilden sogenannte »Gewerkezüge«.4 Dies sind Arbeitskolonnen, welche sich wie ein Zug mit kontinuierlicher Geschwindigkeit durch die einzelnen Taktzonen fortbewegen. Ziel der Taktsteuerung ist es, den Arbeitsfortschritt im Takt zu halten und den Bauprozess zu stabilisieren. Um dies zu schaffen, müssen der Baufortschritt und die produktive Arbeit täglich dokumentiert und gemanagt werden. Die vorgegebene Taktzeit erlaubt eine kurzzyklische Steuerung des Produktionsprozesses in Echtzeit, basierend auf den tatsächlichen Fortschritten der Baustellenmannschaften. So kann schnell auf etwaige Abweichungen reagiert werden.
Taktsteuerungen werden im Zuge von Steuerungsmeetings vorgenommen und erfolgen immer mit jenen Arbeitsmannschaften, die auch für den Baufortschritt verantwortlich sind. Alle Gewerke können den Fortschritt der anderen Mannschaften in Echtzeit mitverfolgen und auf Probleme in den Vorschauwochen hinweisen. So entwickelt sich bei allen Projektbeteiligten ein tiefes Verständnis für den Bauprozess und die gegenseitigen Abhängigkeiten. Weiters fördern die Steuerungsmeetings an Steuerungstafeln den gewerkeübergreifenden Informationsaustausch und erleichtern die Koordination, da alle Personen ein gemeinsames Kommunikationstool verwenden.
Darüber hinaus schafft die kollaborative Planung und Steuerung des Baufortschritts eine erhöhte Transparenz und Ruhe in der operativen Bauprojektabwicklung. Die Kontinuität des Arbeitsflusses der Mannschaften und Materialien erhöht sich, indem die Übergaben mit allen dazugehörigen Voraussetzungen genau geklärt werden. Dies hat eine reduzierte Anzahl an Qualitätsmängeln und Nacharbeit sowie eine erhöhte Stabilität der Produktion und geringere Arbeitsbelastung der Aufsichtsorgane zur Folge.5
Fazit
Sowohl Taktplanung und Taktsteuerung (TPTS) als auch Location-based Management System (LBMS; siehe Ausgabe 2/23 - Link) sind wiederholende Planungs- und Steuerungsmethoden, welche einen kontinuierlichen Fluss von Arbeiter*innen und Materialien auf der Baustelle anstreben. Beide Methoden verwenden den Arbeitsumfang für einzelne Gewerke und eine Einteilung der zu erbauenden Fläche als Planungs- und Steuerungselement. Allerdings gibt es einige Punkte, in denen sich diese beiden Methoden unterscheiden.
Die präferierte Pufferart im LBMS ist die Zeit, wobei auch Raumpuffer sowie Planpuffer verwendet werden. Die am meisten verwendete Pufferart in TPTS ist die Kapazität. Allerdings werden auch hier Raumpuffer und Planpuffer eingesetzt. Ein weiterer Unterschied der Methoden ist die Vorgehensweise bei der Steuerung der Produktion. Der Zugang von LBMS ist top-down. Ingenieure messen den Fortschritt und rechnen Prognosen, um Probleme zu identifizieren, welche gemeinsam gelöst werden. Bei TPTS startet die Steuerung mit einem visuellen Plan des aktuellen Baufortschrittes. Es wird gemessen, welche Arbeitsmannschaft welche Arbeit gerade gemacht hat. Dies wird dann zum GU weiterkommuniziert. Die Gewerke sind in ihrer Arbeit flexibel, solange sie in der vorgegebenen Zeit die Flächen laut Plan abarbeiten und die dazugehörigen Arbeitspakete erledigen.
Ein dritter Unterschied ist die Verteilung der Arbeitsressourcen. LBMS versucht, die Arbeitstätigkeiten voll mit Kolonnen zu beladen und die gleiche Kolonnenstärke über die gesamte Projektlaufzeit zu halten. Im Gegensatz dazu belädt TPTS die einzelnen Arbeitspakete nicht vollständig mit Arbeitern, damit die einzelnen Mannschaften ihren Arbeitsauftrag vor Ablauf der Taktzeit abschließen können und eine professionelle Übergabe möglich wird. In der übrigen Zeit können Arbeiten, welche aus dem Takt fallen, erledigt werden.6
1) Vgl. DLOUHY, J.; BINNINGER, M.; OPRACH, S.; HAGHSHENO, S.: Three-Level Method of Takt Planning and Takt Control - A New Approach for Designing Production Systems in Construction. In: Proc. 24th Ann. Conf. of the Int’l. Group for Lean Construction S.17.
2) Vgl. [CITATION Mar181 \l 1031 ]166.
3) Vgl. [CITATION Mar181 \l 1031 ]166.
4) Vgl. HAGHSHENO, S.; BINNINGER, M.; DLOUHY, J.; STERLIKE, S.: History and theoretical Foundations of Takt Planning and Takt Control. In: Proc. 24th Ann. Conf. of the Int’l. Group for Lean Construction S. 59.
5) Vgl. [CITATION Joo21 \l 1031 ]86.
6) Vgl. FRANDSON, A.; SEPPÄNEN, O.; TOMMELEIN, I.: Comparison between Location-Based Management and Takt Time Planning. In: 23rd Annual Conference of the International Group for Lean Construction S.10.
Hintergrund zur Serie
Lean Baumanagement umfasst mehrere Bereiche, in denen unterschiedliche Werkzeuge und Methoden angewendet werden, um die Vorteile aus der Lean-Philosophie für den Baubereich nutzen zu können. Die Erläuterungen in den weiterführenden Ausgaben teilen sich grob in die sechs Bereiche Lean Production, Lean Construction, Lean Design, Lean Administration, Lean-Logistik sowie Supply Chain Management und Lean-Kultur auf. Aufbauend auf die Übersichtstabelle für Lean Baumanagement der Ausgabe 04/22 (Link zum Artikel) werden die einzelnen Bereiche kurz beschrieben und Werkzeuge und Methoden erläutert, die die Verschwendung identifizieren, reduzieren oder sogar eliminieren können.