Das Sammeln, Speichern und Auswerten von Daten bringt neue Möglichkeiten für Wirtschaft und Verwaltung – und stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Der Report Verlag diskutierte am 6. Oktober die Transformation von Geschäftsmodellen und Entwicklungen am Markt.
Die Datenmengen in unserer Wirtschaft und Gesellschaft wachsen unaufhörlich. Das Phänomen Big Data stand im Brennpunkt eines Publikumsgesprächs im Bundesrechenzentrum in Wien. 120 Gäste waren gekommen, um mit den Podiumsdiskutanten – Vertretern von IT-Unternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen – zu den Möglichkeiten und Herausforderungen einer neuen Dimension der Datenverarbeitung zu sprechen. Begrüßungsworte sprach Roland Jabkowski, Sprecher der Geschäftsführung des BRZ. Die weiteren Partner des Talks: Mindbreeze, Interxion, T-Systems und Commvault.
Bild: Roland Jabkowski Der BRZ-Geschäftsführer begrüßte die Gäste des Publikumstalks. »Unser Ziel muss es sein, unter Berücksichtigung des Datenschutzes aus Big Data Smart Data zu machen. Das ist die Basis für optimierte IT-Services für die Verwaltung.« |
Report: Herr Fallmann, was verstehen Sie unter Big Data und was bieten Sie in diesem Bereich an?
Daniel Fallmann, Mindbreeze: Wir beschäftigen uns seit 2005 mit der Analyse von strukturierten und unstrukturierten Inhalten. Big Data war für Mindbreeze ein zentrales Gründungselement. Unser erster Kunde, das Land Niederösterreich, hatte damals schon 120 Millionen Dokumente. Um gezielt Fragen beantworten zu können, braucht es flexible Lösungen. Big Data bedeutet, nicht nur mit sehr großen Datenmengen, sondern auch mit unterschiedlich strukturierten und sich rasch ändernden Informationen aus verschiedensten Quellen umgehen zu können.
Nehmen Sie etwa nur ein Verkehrsleitsys-tem her, in dem es nicht um Datengrößen, sondern um Geschwindigkeit geht. Mit der Mindbreeze-Appliance werden Daten aus Quellsystemen im Unternehmen oder auch aus der Cloud semantisch analysiert. Wir verstehen und reichern die Daten an, vernetzen sie, um diese dann optimal für den Anwender und den Fachbereich zu visualisieren.
Report: Haben Sie ein Praxisbeispiel zu Big Data?
Daniel Fallmann: Einer unser Kunden ist ein großes Luftfahrtunternehmen. Technikabteilungen der Luftfahrgesellschaften haben die Herausforderung, zu den Bauteilen in den Flugzeugen möglichst alles zu wissen. Bei einem Luftgebläse geht es darum, Logdateien, Herstellerinformationen, Servicedaten und alle Verschleißdaten der letzten Flüge zu bekommen. Insgesamt halten in diesem Fall über 200 Anwendungen unterschiedliche Informationen zu einem einzelnen Bauteil, auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Diese Daten hat es immer schon gegeben. Neu ist die 360-Grad-Sicht auf jedes beliebige Bauteil für die Mitarbeiter – natürlich werden die Berechtigungen der Anwender mitberücksichtigt. Viele Firmen sind nach dem Einsatz unseres Produktes erstaunt, wie viele nützliche Informationen im Unternehmen vorhanden sind. Wissen, was das Unternehmen weiß – genau dabei unterstützen wir unsere Kunden.
Report: Was bedeutet Big Data für Ihre Kunden in der Verwaltung, Herr Köhle?
Gerhard Köhle, Bundesrechenzentrum: Das BRZ ist der führende E-Government-Partner der Bundesverwaltung und entwickelt und betreibt über 400 IT-Anwendungen – beispielsweise FinanzOnline oder auch den Elektronischen Akt ELAK. In diesen Anwendungen werden natürlich auch Daten verarbeitet. Unser Ziel ist aber nicht, großes Geschäft mit diesen Daten zu generieren, sondern daraus Nutzen zu ziehen, um die Servicequalität und Effizienz der Verwaltung weiter zu verbessern und zu erhöhen. Big Data ist als Marketingbegriff entstanden, beschreibt aber geschickt das Phänomen, die riesigen Mengen an Daten zu nutzen und mit neuen Methoden und Technologien zu bearbeiten.
Wir haben gemeinsam mit der Donauuniversität Krems untersucht, was ein Big-Data-Projekt tatsächlich ausmacht: Das beginnt bei den bekannten Eckpunkten wie etwa den großen Datenmengen und unterschiedlichen Datentypen sowie der Verarbeitung von Daten in Echtzeit. Darüber hinaus sind es aber auch Erhebungsmethoden und Datenquellen, ganz besonders aber die Zielsetzung eines Projekts. Was will ich mit der Analyse meiner Daten erreichen? Geht es um Prognosen und das Erkennen von Trends oder um die Generierung neuer Erkenntnisse etwa durch das Verknüpfen von verschiedenen Quellen?
Unter den zahlreichen Einsatzszenarien in der öffentlichen Verwaltung ist unter anderem die Effizienzsteigerung und Verwaltungsreform bedeutend. Durch Big-Data-Technologien können Verwaltungsprozesse effizienter gemacht und Kosten gespart werden. Ein gutes Beispiel ist das Deutsche Patentamt, das durch Teilautomatisierung die Bearbeitungszeit für die Kategorisierung von Patentanträgen von mehreren Tagen auf wenige Minuten reduzieren konnte.
Und auch der Schutz von IT-Systemen selbst ist ein gelungener Anwendungsfall für Big Data. Mit der Analyse von Datenströmen und Log-Dateien können frühzeitig Anomalien erkannt und wesentlich schneller Maßnahmen ergriffen werden.
Report: Warum ist das Phänomen Big Data für Unternehmen wichtig? Was bieten Sie dazu an?
Martin Madlo, Interxion: Für uns bedeutet Big Data die Verarbeitung von Daten, die mit klassischen Methoden der IT nicht mehr möglich wäre. In den Projekten werden historische, langfristig gespeicherte Informationen mitunter mit Echtzeitdaten verknüpft und auch die Erwartung an die Systeme ist gestiegen. In den vergangenen Jahren hat sich die erlaubte Zeitspanne bis zum Ergebnis der Datenauswertung von Minuten oder Stunden auf Sekunden oder gar Millisekunden verkürzt. Auch die Datenmengen wachsen unaufhörlich. Jeder Airbus übermittelt nach Landung und Andocken Datenmengen in Terabyte-Umfang an die Wartungsmannschaften. Auf Facebook werden von Nutzerinnen und Nutzern weltweit täglich 600 Terabyte hochgeladen.
Solche unstrukturierten Daten auch aus Social Media oder Videoquellen können je nach Zielsetzung in einem Unternehmen ebenfalls für die Serviceverbesserung oder zum Schaffen von neuen Geschäftsprozessen genutzt werden. Interxion stellt seit 15 Jahren in Österreich effiziente und hochverfügbare Rechenzentrumsdienstleistungen bereit. Mit über 100 Carriern in Wien und einer entsprechend leistungsfähigen Anbindung an die weltweiten Netze haben wir uns zu einer der großen Datendrehscheiben in Europa entwickelt und liefern die Infrastruktur, um Big-Data-Anwendungen zu betreiben.
Report: Bei Big Data steht das Sammeln von Daten im Vordergrund. Wie sicher ist unsere Gesellschaft damit noch? Werden wir zu transparenten Bürgern?
Martin Madlo: Sicherlich steigt auch die Begehrlichkeit der Unternehmen, auf personenbezogene Daten zugreifen zu können und damit Geschäft zu machen. Doch haben wir in Österreich ein sehr ausgeprägtes Verständnis von Datenschutz und Privatsphäre. Viele Firmen haben in ihren Geschäftsbedingungen und in ihrer Corporate Governance inkludiert, wie streng diese Daten geschützt werden. Leider gibt es dieses Verständnis nicht in allen Ländern. Das birgt Gefahren, bei denen man sich schon genau überlegen sollte, welche Services oder Plattformen man nutzen möchte.
Bild: Im Fokus des Publikumsgesprächs standen Begriffserklärungen und Beispiele aus der Praxis bei Unternehmen. Der gemeinsame Tenor: Big Data war zuerst ein Hype, nun ist es Realität im Geschäftsalltag. |
Report: Wo sehen Sie gute Anwendungsbeispiele in der Praxis?
Martin Madlo: In der Logistik können Big-Data-Analysen massiv zur Effizienzsteigerung eingesetzt werden. Das beginnt bei der Planung von Fahrten und Zustellungen, bis hin zur Planung der Transportwege, die auch aktuelle Verkehrsinformationen verknüpft. Mit der Nutzung von Social-Media-Daten könnten sogar Konsumtrends und damit auch Prognosen für den Handel erstellt werden. Denken Sie nur an Google, das aufgrund des erhöhten Aufkommens von Suchbegriffen zu Grippemitteln auf Erkrankungstrends in ganzen Regionen schließen kann.
Report: Wo ist nun die Trennlinie zwischen herkömmlichen IT-Modellen und Big-Data-Lösungen? Und was bietet T-Systems dazu an?
Axel Quitt, T-Systems: Eine klare Trennung gibt es nicht. Ich sehe es eher als Entwicklungssprung neuer Technologien und Verfahrensweisen. Wenn wir die gemeinsamen Aktivitäten mit unserer Konzernschwester T-Mobile hernehmen, agiert T-Systems in Österreich als Komplettanbieter zu diesem Thema. Das beginnt bei der Generierung der Daten auf mobilen Geräten, geht über den Transport der Daten in den Netzen bis hin zur Speicherung und Verarbeitung in unserem Rechenzentrum und alle Dienstleistungen dazu. Am Ende dieser Kette steht Data Science, welche die Erkenntnisse aus der Verknüpfung von Informationen gewinnt.
Die Vielfalt des Begriffs Big Data ist unermesslich. Big Data bringt Kunden, Big Data rettet Leben, senkt die Kosten und eröffnet völlig neue Möglichkeiten, mit unserer Umwelt umzugehen. Gleichzeitig ist es schwierig, die Welt stets nur mit technischen Begriffen zu beschreiben. Viele Datenquellen liefern nicht nur Zahlen, beispielsweise unsere Sprache oder Bilder. Die analoge mit der digitalen Welt über deren Interpretation sinnvoll zu verknüpfen, ist eine der großen Aufgaben. Darüber hinaus können Big-Data-Lösungen wieder eine Humanisierung der Arbeitswelt ermöglichen. Den Fachbereichen werden durch die Bereicherung mit Daten und deren Visualisierung bessere Entscheidungsgrundlagen für ihre Geschäftsprozesse bereitgestellt. Das kann enorm beflügeln.
Report: Ihr Praxisbeispiel?
Axel Quitt: Ein Beispiel aus der Versicherungsbranche betrifft die großen Rückversicherer, die Geschäftsbeziehungen zu Versicherungsgesellschaften weltweit haben. Bislang standen diese Finanzdienstleister am Ende der Kette von Versicherungsfällen. Wenn die Informationen zu einem Vorfall beim Rückversicherer angekommen waren, konnte der in der Regel nicht mehr in die Prozesse aktiv eingreifen. Mit den Analysen von Social Media und auch offiziellen Nachrichtenkanälen können über das Filtern von Schlagwörtern nun Vorfälle wesentlich früher erkannt werden. Die Versicherer sind sofort in der Lage Schadensbegrenzung zu betreiben – und nicht erst sechs Wochen später.
Bilder: 120 Besucher waren gekommen und diskutierten mit den Vertretern am Podium. Vielerorts werden die Chancen durch Datenanalyse-Lösungen bereits erkannt, doch werden auch Nutzen und Datensicherheit hinterfragt. |
Report: Herr Raffling, wie entwickelt sich das Datenwachstum in den Unternehmen aus generell?
Gerhard Raffling, Commvault: Mit dem Internet of Things, der Verarbeitung von Maschinendaten und dem Datenwachstum in den Unternehmen wird sich die zu verwaltende Datenmenge alle zwei Jahre verdoppeln. In unseren Kundengesprächen bemerken wir, dass es durch diese Entwicklung bereits ein Umdenken in der IT gibt. Das Aufrüsten der bestehenden Infrastruktur, um die steigenden Anforderungen abzudecken, ist langfristig gesehen weder technisch noch kommerziell sinnvoll. Unternehmen nutzen zunehmend moderne Ansätze, um ihr Datenmanagement zu optimieren.
So besteht etwa die Möglichkeit, die Kosten für Hardware und Bandbreite durch Technologien wie globale Deduplizierung und Kompression zu minimieren und ein ganzheitliches, applikationsübergreifendes Datenmanagement einzuführen. Diese Maßnahmen schaffen laut Umfragen eine Reduktion des wöchentlichen Backup-Volumens von etwa 72 % um hier ein Beispiel zu nennen. Optimierungen in dieser Größenordnung sind bei dem prognostizierten Datenwachstum vieler Analysten auch zwingend notwendig.
Report: Spielt denn auch Datenlöschung eine Rolle bei Big Data? Wie gehen Unternehmen damit um?
Gerhard Raffling: Aktuelle Studien zeigen, dass durchschnittlich 69 % der Daten in einem Unternehmen sogenannte »Dark Data« sind – also Daten, die man nicht kennt. Man kann also auch nicht beurteilen, ob man diese Daten benötigt oder nicht. In der Regel werden sie mitverwaltet und als ebenso wichtig für das Geschäft eingestuft wie alle anderen Daten. Commvault hat mit dem virtuellen Data Repository und dem Single Indexing eine Technologie entwickelt, um alle Daten im Unternehmen zu analysieren und zu visualisieren.
Mit diesem Wissen schaffen wir eine wertvolle Entscheidungsgrundlage und einen deutlichen Mehrwert. Neben vielen weiteren Vorteilen entsteht somit auch eine Entscheidungsgrundlage, ob Daten aufgrund interner Richtlinien oder Compliance-Gründen weiterhin aufbewahrt werden müssen oder gelöscht werden können. Der Storagebedarf wird optimiert und Kosten reduziert. Big Data ist heute allgegenwärtig. Dabei stellt das Sammeln der Daten eine geringere Herausforderung für Unternehmen dar als die richtige und zeitnahe Analyse und Aufbereitung der Daten. Letztendlich entsteht aber genau dadurch der eigentliche Mehrwert für Unternehmen, den sie für ihren Wettbewerbsvorteil nutzen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Es bleibt spannend!
Alle Fotos zum Event gibt es hier!
Unser Best-Of Video vom Podiumsgespräch "Big Data":{youtube}v=z2BBWl_D91c{/youtube}