Sonntag, Dezember 22, 2024

Einer Studie von Booz & Company zum österreichischen Mobilfunkmarkt zufolge bewirkt ein "irrationaler, zerstörender und aggressiver" Wettbewerb jährlich einen Schaden von 1 Milliarde Euro für den Wirtschaftsstandort.

Eine hohe Penetration von 159 Prozent, eine im Vergleich hohe Anbieterdichte und die niedrigsten Preise im Europavergleich: Der österreichische Mobilfunkmarkt ist sehr hart umkämpft. Trotz einer Steigerung des Datenvolumens auf fast das Neunfache sind die Umsätze der Mobilfunkserviceanbieter seit 2007 um gesamt 15 Prozent gesunken. Das heißt auch, die Gewinne der Anbieter  gingen entsprechend zurück.  Der dadurch verursachte Rückgang der Infrastruktur-Investitionen und der Mitarbeiteranzahl gefährdet den Wirtschaftsstandort Österreich.

Während die Kosten für Dienstleistungen kontinuierlich steigen, sind die Mobilfunkpreise im letzten Jahrzehnt überdurchschnittlich gesunken – im Vergleich zum Jahr 2000 um rd. 55 Prozent. Durch die sinkenden Erlöse drohen der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Vergleich und damit das Schrumpfen der österreichischen Wirtschaft. Der jährliche Schaden für den Wirtschaftsstandort Österreich beläuft sich auf etwa 1 Milliarde Euro. Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie “Ruinöser Wettbewerb im Österreichischen Telekommunikationsmarkt” der internationalen Strategieberatung Booz & Company über die Wettbewerbsdynamik am österreichischen Mobilfunkmarkt.

“Telekommunikation ist das einzige Kerngut im Warenkorb, das seit 2000 immer billiger geworden ist. Der starke Wettbewerb der Anbieter definiert sich vor allem über den Preiskampf, der nun ein Ende finden muss, sonst folgen Konsequenzen wie digitale Versteppung durch die Verlangsamung des Breitbandausbaus, Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und erhöhte Arbeitslosigkeit durch das Sinken des Beschäftigungslevels in dieser Branche”, so Martin Reitenspieß, Partner Booz & Company und Telekomexperte. Auch die Außensicht auf Österreich zeichnet ein sehr kritisches Bild. Analysten wie J.P.Morgan oder Goldman Sachs bezeichnen den harten Preiswettbewerb hierzulande als irrational, zerstörend und aggressiv.

Reduktionen von Investitionen und Personal
In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kommunikationssektor kontinuierlich gefallen – waren es 2007 noch 16.550 Beschäftigte, sank die Zahl bis 2011 auf 13.980 Arbeitsplätze. Einzig Hutchinson 3G erhöhte den Mitarbeiterstand um 26 Prozent, während A1 (- 19 %), T-Mobile (- 32 %) und Orange (- 15 %) deutlich reduzierten. Auch die Investitionen in technische Infrastruktur gingen in diesem Zeitraum um mehr als 40 Prozent zurück – Österreich liegt mit 494 Mio. Euro bei den Investitionen in systemrelevante Infrastruktur im Jahr 2011 im internationalen Vergleich auf Rang 54 von 59. Trotz dieser kostenreduzierenden Maßnahmen sinkt die Profitabilität bei den Mobilfunkanbietern. Die Serviceumsätze der Anbieter verringerten sich um 13 Prozent von 3,314 Mrd. Euro in 2007 auf 2,896 Mrd. Euro in 2012. Das EBITDA im selben Zeitraum von 1,097 Mrd. Euro auf 860 Mio. Euro um 22 Prozent.

Breitbrandstrategie gefährdet
“Die bmvit Breitbandstrategie sieht vor, dass Österreich bis 2020 die nahezu flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit ultraschnellen Breitbandhochleistungszugängen erreicht und sich damit an der Spitze der IKT-Nationen positioniert. Aktuell liegt Österreich jedoch aufgrund der geschilderten Situation unter dem EU-Durchschnitt, die Erreichung der Ausbauziele wird ohne entsprechende Gegenmaßnahmen gefährdet sein”, erklärt Reitenspieß. Die Experten von Booz & Company haben im Rahmen der Studie auch die direkten Auswirkungen des Rückganges von Investments, Beschäftigung und Produktivität seit 2007 auf das BIP analysiert und einen jährlichen Schaden von fast einer Milliarde Euro für den Wirtschaftsstandort Österreich errechnet: Der Rückgang der Investitionen bewirkt ein Minus von rd. 350 Mio. Euro, die Reduktion der Mitarbeiterzahlen ein Minus von rd. 200 Mio. Euro. Die Auswirkungen der Produktivitätssteigerungen auf das Wirtschaftswachstum können mit einem Minus von rd. 250 Mio. Euro beziffert werden.

Auswege aus der Abwärtsspirale
Abhilfe zur Standortsicherung und für ein volkswirtschaftliches Wachstum können laut Studie eine faire wettbewerbsrechtliche Regulierung der Industrie und ein effektiveres Stakeholder Management schaffen. Notwendig für volkswirtschaftliches Wachstum sind Investitionen in eine moderne Telekommunikations-Infrastruktur – Stichworte Glasfaser und LTE –, sowie eine Sicherung der Arbeitsplätze und des industriellen Know-hows. Den wichtigsten Hebel zur Förderung der Investitionsfähigkeit stelle die Stärkung der Margen der Anbieter durch eine nachhaltige Erhöhung des Preisniveaus dar. “Ohne marktberuhigende Maßnahmen wird der Preisverfall im österreichischen Markt anhalten und eine immer langsamer voranschreitende Digitalisierung könnte die Produktivität der gesamten Wirtschaft stark bremsen. Keine besonders rosige Zukunft für Österreich, daher bedarf es einer umsichtigen Regulierung und einer Stabilisierung der Preise”, empfiehlt Reitenspieß.

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