EuGH klärt Rechtslage, entscheidende Fragen bleiben offen.
Ein Kommentar des
IT-Experten Rechtsanwalt Stephan Winklbauer, Partner bei Willheim Müller Rechtsanwälte.
Von Stephan Winklbauer
Am 3. Juli hat der EuGH sein lange erwartetes Urteil zur Frage der Zulässigkeit des Vertriebes von Gebrauchtsoftware erlassen. Worum geht es in diesem Rechtsstreit? UsedSoft handelte mit Softwarelizenzen von Oracle, die es bei Kunden von Oracle eingekauft hatte. Bei den Programmen handelt es sich um sog. »Client-Server-Software«. Das durch den Lizenzvertrag gewährte Nutzungsrecht an einem solchen Programm umfasst die Befugnis, die Software dauerhaft auf einem Server zu speichern und einer bestimmten Anzahl von Nutzern (Clients) dadurch Zugriff zu gewähren, dass sie in den Arbeitsspeicher ihrer Arbeitsplatzrechner geladen wird. Oracle bietet für diese Programme Paketlizenzen für jeweils mindestens 25 Clients an. Benötigt ein Unternehmen eine Lizenz für 27 Nutzer, muss es also zwei Lizenzen kaufen. UsedSoft hatte überzählige Lizenzen aus derartigen Paketlizenzverträgen zum Weiterverkauf angeboten und wurde von Oracle auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Die Frage war nun, ob Oracle als Hersteller der Software deren Vertrieb durch UsedSoft unterbinden kann. Kernthema dabei ist der sogenannte »Erschöpfungsgrundsatz«. Vereinfacht gesagt bestimmt dieser, dass der Hersteller keinen Einfluss mehr auf den Weiterverkauf der Software hat, nachdem er sie selbst einmal verkauft hat. Sein Verbreitungsrecht ist »erschöpft«, sobald die Ware mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde.
Soweit die Software auf einem physischen Datenträger erworben wurde (CD-ROM, DVD), war das bisher schon der Fall. Strittig war nur der Fall, dass kein Datenträger vorhanden ist, sondern die Software etwa durch Download erworben wurde.
Der EuGH entschied in weiten Teilen gegen Oracle und sprach sich für eine weitestgehende Erschöpfung der Rechte des Softwareherstellers auch beim Vertrieb von Software ohne Datenträger aus.
Rechtlich begründet der EuGH dieses Ergebnis über Art. 4 Abs. 2 der Computerprogramm-RL (2009/24/EG), die von der Erschöpfung des Verbreitungsrechtes schon beim »Erstverkauf einer Programmkopie in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber« spricht. Dabei spielt es laut EuGH keine Rolle, ob die Kopie dem Kunden vom Rechtsinhaber auf einem materiellen Datenträger oder durch Herunterladen von dessen Website zur Verfügung gestellt wird.
Allerdings dürfen – so der EuGH – Volumenslizenzen nicht aufgesplittet werden. Dieses scheinbar für das Geschäftsmodell der Gebrauchtsoftware nachteilige Ergebnis begründet der EuGH mit der konkreten Lizenzkonstellation des Ausgangsverfahrens. Der Ersterwerber muss nämlich beim Weiterverkauf seine eigene Kopie unbrauchbar machen, um nicht das Recht auf Vervielfältigung des Herstellers zu verletzen. Bei einer »Client-Server-Software« nutzt der Ersterwerber aber die auf seinem Server installierte Kopie weiter und macht sie somit nicht unbrauchbar.
Diese Auslegung hindert aber nicht die Aufsplittung von reinen Client-Lizenzen (ohne Server-Komponente), denn bei diesen kann der Ersterwerber seine Kopien beim Weiterverkauf vollständig unbrauchbar machen. Letztlich bleibt diese entscheidende Frage aber vom EuGH noch unbeantwortet. Das Verfahren geht nun zurück zum BGH, der den Rechtsstreit in dieser Sache unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH endgültig entscheiden muss. Es bleibt abzuwarten, ob er das Geschäftsmodell Gebrauchtsoftware bestätigt oder ob nach wie vor die wesentlichen Fragen offen bleiben.