Die Begriffe Diversität und Inklusion vollziehen einen Wandel vom Marketing-Slogan zu Säulen für die Innovationskraft und Überlebensfähigkeit von Unternehmen.
Titelbild: Christiane Noll, Avanade, bietet flexible Modelle, um Privat- und Berufsleben besser zu vereinen. (Credit: Kurt Keinrath Fotografie)
Die ersten Programmierungen der Welt wurden von Frauen durchgeführt. Softwareentwicklung galt lange Zeit als Frauenberuf. Auch wenn sich die Rollenbilder in IT-Berufen in den vergangenen Jahrzehnten geändert haben – die IT ist mehr denn je eine krisensichere Branche für Frauen, Männer und Menschen jeglichen Alters, Fähigkeiten und Bildungslevels. Die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft erzeugt einen großen Bedarf an Fachkräften und sie bringt sichere Jobs. Die Verdienstmöglichkeiten sind überdurchschnittlich hoch – Teamwork und flexible Arbeitszeiten erleichtern es zudem, Karriere, Familie und persönliche Entwicklung auf einen Nenner zu bringen.
Obwohl das Interesse an MINT-Berufen – also Berufe aus den Themenfeldern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – allgemein bei Mädchen und Frauen steigt, fühlen sich viele in den männerdominierten Teams und Hierarchien der Berufswelt in der Technik nicht willkommen. »In den Unternehmen haben wir mit dem Phänomen Drehtür zu kämpfen«, berichtet Brigitte Ratzer, Leiterin der Abteilung Genderkompetenz der TU Wien. »Viele Frauen, die einschlägig in der Industrie tätig werden, sind nach einem Jahr wieder weg und verschwinden in andere Berufsfelder. Unsere Absolventinnen erzählen, dass sie sich in ihren Berufsfeldern ständig beweisen müssen und immerwährend am Prüfstand stehen.« (siehe auch das Interview »Technikerinnen schauen nicht immer so aus, wie man es sich vorstellt«, Energie Report, Ausgabe 4/2022 - Link: »Technikerinnen schauen nicht immer so aus, wie man es sich vorstellt« ).
Zumindest die IT-Branche scheint im Mindset fortgeschrittener als andere technische Disziplinen zu sein – auch ist der Fachkräftemangel in den IT-Abteilungen besonders schmerzhaft. Für den Business-Software-Dienstleister und IT-Berater msg Plaut sind Diversität und Chancengleichheit »keine abstrakten Begriffe, sondern gelebte Werte«, die bereits auch mit dem equalitA-Gütesiegel der Republik Österreich für die aktive Förderung von Frauen im Unternehmen ausgezeichnet wurden.
Unterstützende Programme
Durch Homeoffice, Teilzeitregelungen, »Flex«-Tage und eine unternehmensweite Initiative »Mensch im Mittelpunkt« sorgt msg Plaut für Rahmenbedingungen, die es allen Mitarbeitenden erlauben, ihr Berufsleben so zu gestalten, dass weder Karriere noch Familie und persönliche Entwicklung zu kurz kommen. So werden durch das Konzept »Bring your kid to work« akute Notfälle in der Betreuung abgefedert, was vor allem von den Müttern im Unternehmen genutzt und geschätzt wird.
Um die konkrete Förderung von Frauen weiter voranzutreiben, ist msg Plaut aktives Mitglied des Netzwerks WOMENinICT des Verbands Österreichischer Software Industrie, das Frauen in der IT sichtbarer macht und mehr junge Frauen und Mädchen für eine Karriere in der Branche begeistern will. »Durch unsere Mitarbeit bei GRACE, dem Programm für Quereinsteigerinnen in die IT, und unser Engagement bei SHEgoesDIGITAL, dem Mentoring Programm für Mädchen, Wiedereinsteigerinnen und 50+ Frauen, wollen wir Frauen stärken, die in der IKT-Welt Fuß fassen oder mehr Sichtbarkeit erlangen möchten«, führen die ehrenamtlichen Mentorinnen bei msg Plaut Anca Jurca, Svenja Schröder, Marion Vöhr, Claudia Vlach und Jennifer Eisinger weiter aus.
»Mindsetterin« Maren Wölfl will auch Mütter mit ihren besonderen Führungsqualitäten in Unternehmen nicht missen. (Bild: Katharina Schiffl)
Im eigenen Unternehmen unterstützen sich Frauen gegenseitig bei Unsicherheiten und Hilfestellungen bei aktuellen oder künftigen Herausforderungen. »Das veraltete Bild des Nerds, das leider fälschlicherweise oft für die ganze Branche steht, hat längst ausgedient. Gerade in den IT-Berufen gibt es keinen Gender-Gap in der Bezahlung und auch keinen diskriminierenden Umgang im beruflichen Alltag«, unterstreicht msg Plaut-Vorstand Georg Krause.
Auch bei dem IT-Dienstleister und Microsoft-Spezialisten Avanade werden gezielt Fachkräfte für bunt und breiter besetzte Projektteams angesprochen. Im sogenannten »Recruitment Marketing« herrschen die Themen Diversität und Inklusion vor. Ein hauseigener Blog mit dem Titel »Being Orange« bietet Einblicke, wie diese Schwerpunkte im Arbeitsalltag bei Avanade (mit orangem Logo) tatsächlich gelebt werden. Geschäftsführerin Christiane Noll sieht das aktive Zugehen auf weibliche IT-Kräfte nicht nur aus Gründen des Fachkräftemangel essenziell.
Über Karrieremessen, Mitarbeiterempfehlungen und die gezielte Kooperation mit Plattformen und Initiativen, die sich auf Frauen in der IT spezialisiert haben, wird der Kontakt zu Kandidatinnen innerhalb und außerhalb der Unternehmensumwelt hergestellt. Sind diese dann an Bord, werden Frauen über Mentoring- und Coaching-Programme in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung im Unternehmen unterstützt. »Eine wichtige Rolle spielen die Rahmenbedingungen. Mit flexiblen Arbeitsmodellen geben wir die Möglichkeit, Privat- und Berufsleben nach den eigenen Vorstellungen zu vereinen«, erklärt Noll.
Mütter in Führung
Väter und deren Qualitäten sind in den Unternehmensspitzen üblicherweise gut vertreten, weiß auch die Trainerin und Beraterin Maren Wölfl. Für mehr Diversität in den Teams würde eine Personengruppe besonders fehlen: Mütter in Führungspositionen. »Eltern lernen mit der Kinderbetreuung viel. Die fürsorglichen Qualitäten der Mütter, gepaart mit einem langfristigen und nachhaltigen Denken, fördern ein Mindset, das wir dringend in der Wirtschaft benötigen«, ist Wölfl überzeugt (siehe auch femalewakeupcall.com). Sie zitiert Studien, wonach sich Mütter gezielt um das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen kümmern, wodurch diese engagierter sind und mehr Einsatz zeigen. Frauen in Führungspositionen würden in vielen Leadership-Qualitäten besser als Männer abschneiden, ist Wölfl überzeugt – man müsse ihnen nur auch die Chance geben.
»Inklusive Teams zahlen sich doppelt aus«
Menschen mit Behinderungen können einen erheblichen Mehrwert in ein Unternehmen bringen, betont WACA-Projektleiter Werner Rosenberger, der im Auftrag der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs Barrierefreiheit im Internet bewertet und Webauftritte und Unternehmen und Organisationen nach den internationalen W3C-Richtlinien (WCAG)prüft.
Werner Rosenberger, Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs: »Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen nicht unterschätzen«. (Bild: Jürgen Skarwan)
»Es gibt verschiedenste Studien, die belegen, dass die Kreativität und Kommunikation in einem inklusiven Team gestärkt werden. Eine Untersuchung der Universität St. Gallen zeigt, dass die Produktivität und Arbeitsfähigkeit gesteigert und im Gegensatz dazu die emotionale Erschöpfung und Kündigungsabsicht des gesamten Teams reduziert werden«, berichtet Rosenberger. Er beobachtet, dass die Motivation bei Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt meist überdurchschnittlich hoch sei. Inklusive Teams würden sich daher doppelt auszahlen. »Speziell in Zeiten des Fachkräftemangels sollten die Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen nicht unterschätzt werden«, so Werner Rosenberger. »Dazu ist aber natürlich eine bauliche und digitale Barrierefreiheit im Arbeitsumfeld notwendig, damit alle Menschen gleichwertige Tätigkeiten und Jobs wahrnehmen können.«