Sonntag, Dezember 22, 2024



Viktoria Praschl, ist VP Sales Central Europe bei Tricentis und seit 13 Jahren bei dem Spezialisten für ­Software Testing und Quality Assurance tätig.

Welchen Bedarf bei den Unternehmen deckt Tricentis mit seinen Softwareprodukten ab?

Viktoria Praschl:
Praktisch jede Firma heute hat Software im Einsatz – eine mobile App oder ein SAP-System für die Warenlagerung und Buchhaltung. Man möchte sicherstellen, dass diese Software funktioniert. Für Softwareentwickler und Hersteller ist es wichtig, Produkte fehlerfrei auszuliefern. Unsere »Enterprise Continuous Testing«-Plattform hilft, Software zu testen, diese schneller zu liefern und die Qualität zu sichern. Wir haben dazu Produkte für die Automatisierung mit »Tricentis Tosca«, für Last- und Performance-Tests mit »Tricentis NeoLoad« oder spezielle Tests für die Datenqualität mit »Tricentis Data Integrity« im Angebot, wenn etwa Systeme in die Cloud migriert werden.

Bild oben: Viktora Praschl ­leitet das Sales-Team für Zentraleuropa bei dem Software-Testing-­Riesen Tricentis.

Seit zwei Jahren haben wir auch eine offizielle Partnerschaft mit SAP als »Solution Extension Partner«. Tricentis kann das Portfolio der SAP im Bereich Quality Assurance ergänzen und wir unterstützen uns auch gegenseitig als Verkaufs- und Produktpartner.

Welchen Anteil haben automatisierte Prozesse im Softwaretesting? Und warum ist die Automatisierung wichtig?

Praschl:
Der Großteil im Testing wird immer noch manuell abgewickelt. Sobald die Entwicklungsabteilung in einem Unternehmen Änderungen an einer Software vorgenommen hat, prüft jemand händisch die Abläufe und Funktionen auf mögliche Fehler. Tosca automatisiert diesen Schritt. Das ist sehr wichtig, denn Software wird generell immer öfter upgedatet. Allein SAP hat mit dem Schritt in die Cloud bei seinen Unternehmenskunden mittlerweile Updatezyklen von viermal im Jahr – früher war es ein einziges Update alle drei bis fünf Jahre. Mit jeder neuen Version kommen Verbesserungen und neue Features, die natürlich getestet werden müssen. Manuell würde man hier nicht mehr nachkommen, zudem ist ein händisches Testing vergleichsweise langsam. 

Mit Automatisierung sparen Unternehmen auch Kosten. Hat man einmal einen Prozess automatisiert, kann dieser immer wieder eingesetzt werden. Und – was sehr wichtig geworden ist – mit einer Qualitätssicherung steigt die Zufriedenheit der Anwender*innen. Man freut sich, eine neue Softwareversion nutzen zu können.

Füllt die Automatisierung jene Stellen in den Unternehmen aus, die aufgrund des Fachkräftemangels nicht besetzt werden können?

Praschl:
Ziel der Lösungen ist nicht, den Menschen zu ersetzen, sondern zu unterstützen. Trotzdem herrscht weltweit ein Mangel an Arbeitskräften in der IT. Und wenn Unternehmen die richtigen Mitarbeiter*innen haben, dann sind diese völlig überlastet. Mit unserem Angebot können sich Sachbearbeiter*innen auf spezielle Qualitätssicherungsaufgaben konzentrieren oder innovativeren Aufgaben widmen. Ersetzt können sie nicht werden: Die Fachkraft hat ja das Know-how und kennt die Anforderungen, nach denen getestet werden muss. Wir bieten dazu mit einer Recorder-Funktion die Aufzeichnung manuell durchgeführter Tätigkeiten, um daraus Testfälle gestalten zu können. Diese sind dann auch wiederholbar. Vielleicht wird man auch diesen Schritt irgendwann völlig automatisieren können, mit künstlicher Intelligenz beispielsweise.

Im Grunde genommen können Lösungen heute schon selbstständig feststellen, welche Änderungen in einer Software zuletzt vorgenommen worden sind. Eine unserer Komponenten »Change Impact Analysis« schafft das im SAP-Umfeld – Veränderungen auf Codeebene zu analysieren und daraus den Testfall zu erstellen.

Wir befinden uns in einer digitalisierten Gesellschaft und Wirtschaft. In welchen Bereichen steigt die Relevanz von Qualitätssicherung weiter?

Praschl:
Mit der Digitalisierung werden Wertschöpfungsketten lückenlos verknüpft und auch die »Customer Journey« basiert heute auf einer »Connectivity« von Daten und Prozessen – vom ersten Berührungspunkt von Kunde und Unternehmen bis zum Backend unterschiedlichster Systeme. Die Pandemie hat das noch weiter beschleunigt, und auch legislative Prozesse wie zum Beispiel eu-LISA stellen Bereiche unserer Gesellschaft – in diesem Fall ein einheitliches Meldewesen in Europa – softwarebasiert unter einen Schirm. Software hat Papier ersetzt, die Prozesse dahinter werden zunehmend automatisiert und auf jeden Fall digitalisiert abgewickelt. Das muss sicher, fehlerfrei und mit hoher Qualität geschehen.

Einer unserer Kunden ist Starbucks, die im Management ihrer Stores und Services schon sehr fortgeschritten sind. Über eine App kann das gewünschte Getränk vorbestellt werden, das dann zum gewünschten Zeitpunkt bereitsteht. Es ist ein völlig neues Verständnis von Produktions- und Serviceabläufen.

Sie haben eine technische Ausbildung und sind im Bereich Sales tätig – wie ist es dazu gekommen?

Praschl: Ich hatte vor 13 Jahren einen Sommerjob als Praktikantin in der Entwicklungsabteilung bei Tricentis begonnen – und bin eingeladen worden, zu bleiben. Nachdem mir die Gespräche mit Kunden großen Spaß gemacht hatten und ich das auch gut konnte, bin ich ins Consulting gewechselt. Ich wurde eingeladen, nach New York zu ziehen, um unsere Präsenz in den USA aufzubauen. Am Anfang hatte ich noch gezögert – ich komme aus einer kleinen Ortschaft in der Steiermark mit 2.000 Einwohner*innen und für mich war schon Wien eine sehr große Stadt. Aber die Tricentis-Gründer Wolfgang Platz und Franz Fuchsberger hatten mich überzeugt und so wurde ich Teil eines am Anfang noch kleinen Teams von neun Leuten in den USA. Acht Jahre später waren wir bereits 500 Leute, wir sind also relativ gut skaliert. Vor zwei Jahren bin ich dann nach Österreich zurückgekommen und leite seitdem das Verkaufsteam für Zentraleuropa.

Worin unterscheidet sich das Business im Technologiesektor in den USA von jenem im deutschsprachigen Raum? Was waren ihre persönlichen Erfahrungen?

Praschl: Unser Produkt war technisch sehr gut, es war damals aber nicht unbedingt einfach zu bedienen und es war in seinem Design und Aussehen nicht besonders attraktiv. Unsere Gesprächspartner in den USA attestierten uns zwar die Exzellenz unserer Software, lehnten eine Zusammenarbeit aber regelrecht aus Imagegründen ab: Die User würden die Anwendungen nicht nutzen wollen und sogar das Aussehen unserer eigenen Website wurde bemängelt. Die ersten zwei Jahre waren dann relativ mühsam, wir haben aber viel in Marketing und in ein Redesign unserer Produkte investiert. Einer der ersten Großen war dann der Kabel- und Streaming-Anbieter HBO.

Prinzipiell sind die Amerikaner sehr offenherzig im Business. Man nimmt mehr Risiko, gemäß dem Motto »fail fast«. Wenn es dann passt, dann ist man gut im Geschäft – was sich ein Jahr später auch schnell wieder ändern kann. Ein Unterschied ist sicherlich eine gewisse Agilität in den Strukturen der Unternehmen – das Aufbrechen der traditionellen Mauern zwischen IT und Softwareentwicklung auf der einen Seite und den Fachbereichen auf der anderen hatte man in den USA schon vor vielen Jahren beobachten können.

In Österreich nimmt man sich mehr Zeit, um Neues zu prüfen. Hat man ein Unternehmen aber überzeugt, wird meist ein treuer Kunde auf längere Zeit gewonnen. Zudem ist die Ausbildung in Europa top, ebenso das Know-how im Software Engineering.

Welche weiteren Bereiche könnte Tricentis mit Testing-Lösungen künftig abdecken?

Praschl:
Neben dem weiteren Ausbau von Machine-Learning-Funktionen könnte der Bereich IT-Security für uns spannend werden, um direkt die Security-Abteilungen in den Unternehmen anzusprechen.


Über das Unternehmen

Tricentis wurde 2007 in Österreich gegründet, 2017 hat sich das Private-Equity-Unternehmen Insight Venture Partners an dem Unternehmen beteiligt. Heute sind rund 1.600 Mitarbeiter*innen weltweit bei dem Marktführer für Enterprise Continuous Testing beschäftigt. Kunden, die auf das Portfolio von Tricentis setzen sind in Österreich SPAR, Swarovski oder OMV, international Mercedes-Benz, die Schweizerische Mobiliar, HBO und Starbucks.

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