Nach der Pandemie sorgen Lieferengpässe und Verzögerungen für Probleme. Die Hightech-Branche könnte davon langfristig sogar profitieren.
Wer 2021 einen neuen PC kaufen will, traut seinen Augen kaum. Während normalerweise jedes Jahr bessere Hardware zum niedrigeren Preis über die Rampe geht, werden in diesem Jahr zum Teil mehrere Jahre alte Komponenten um Fantasiepreise angeboten. Besonders die Grafikkartenpreise sind absurd: Die unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller für brandneue, aber auch für gebrauchte Hardware werden im Handel, online und real, teils um das Mehrfache überzogen.
In diesem Fall ist es der Höhenflug der Kryptowährungen, der für Engpässe und damit Mondpreise sorgt: Weil professionelle Coin-Miner mit den Grafikkarten riesige Bitcoin-Farmen aufziehen und dafür alles am besten gleich in Palettenmenge zusammenkaufen, was der Markt hergibt, haben normale Konsumenten das Nachsehen.
Die Gier der Krypto-Farmer ist aber bei weitem nicht der einzige Grund für die Versorgungskrise, denn die betrifft tatsächlich so gut wie alle Güter, nicht nur in der Technik. Waren es zu Beginn der Coronakrise letztes Jahr die Konsumenten, die mit Hamsterkäufen die Supermarktregale leerten, sind es nun die Firmen selbst, die mit Vorratskäufen »zur Sicherheit« für eine Überlastung der Lieferketten und damit Preisspiralen sorgen.
Im Impfstoffmangel manifestiere sich eine veritable »Krise des Kapitalismus«, wie Analysten von Bloomberg meinen. In den handfesten Versorgungskrisen mit so gut wie allen anderen Gütern, vom Bauholz bis zum Mikrochip, zeigt sie sich tatsächlich noch deutlicher, auch wenn mancher schon das berühmte Licht am Ende des Tunnels zu sehen meint.
Weniger ist mehr
Insbesondere die Engpässe bei Halbleitern und Mikrochips wirken sich fatal aus – allerdings vielleicht nur kurzfristig, wie die Tech-Journalistin und Halbleiter-Fachfrau Stacey Higginbotham festhält. Kurzfristig führen die Lieferengpässe zu Verzögerungen, höheren Preisen und zwingen Hersteller dazu, manche Produkte von Grund auf neu zu designen. Genau Letzteres könnte aber langfristig zu einem kompletten Paradigmenwechsel im Design elektronischer Komponenten und Geräte führen.
Als erste Maßnahme im Angesicht der Knappheit steht ein Shift weg von der physischen Hardware-Komponente hin zur Software. Während die »Smartifizierung« der Welt dazu führte, dass vieles, das historisch ohne Mikrochips auskam, jetzt doch welche benötigt – Autos, Glühbirnen, das eigene Heim –, zwingt die aktuelle Situation die Hersteller dazu, die Anzahl von Mikrochips wieder zu reduzieren. Genau das wird hoffentlich zu intelligenteren Lösungen führen: zu neuen Chips, die mehrere Funktionen als bisher übernehmen können, oder aber die Verschiebung von Hardwarefunktionen in neue Software-Ebenen.
Der Wandel zur Virtualisierung ist schon länger im Gange, durch die äußeren Umstände könnte er noch beschleunigt werden. Das Mooresche Gesetz, das besagt, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise mit minimalen Komponentenkosten regelmäßig verdoppelt, gelangt längst an physikalische Grenzen – die Verlagerung der Effizienzsteigerung ins Virtuelle könnte dieses Problem umgehen helfen.
Die Knappheit wichtiger Komponenten könnte aus verschiedenen Gründen länger anhalten, als uns lieb ist: Auch
steigende Lohnkosten, die weitere Störungsanfälligkeit globaler Vertriebskanäle oder der Klimawandel könnten dazu führen, dass die »gute, alte Zeit« des Überflusses ein für allemal vorbei ist. Vielleicht erwächst aus dieser Not aber auch neue Tugend.
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