Seit 1970 hat sich der Abbau extraktiver, nicht nachwachsender Rohstoffe mehr als verdreifacht, die OECD rechnet mit einer weiteren Verdopplung in Europa bis 2060. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Überarbeitung der Österreichischen Rohstoffstrategie. Dazu hat die AG Rohstoffe ein Positionspapier vorgestellt.
Österreich ist ein Bergbauland mit langer Tradition. Bei bestimmten Rohstoffen gibt es bedeutende Vorkommen. Bei Wolfram und Magnesit liegt Österreich etwa weltweit auf Platz sechs der Lagerstätten. Aber etliche, die für die Industrie 4.0, die digitale Revolution, erneuerbare Energien und die E-Mobilität benötigt werden, fehlen. Die Folge sind hohe Importraten von Mineralien und Metallen v.a. aus Lateinamerika, Asien sowie Australien. Damit geht oft eine Förderung von Umweltzerstörung und sozialer Misswirtschaft einher. Abbau und Verarbeitung extraktiver Rohstoffe sind für 90 Prozent des globalen Diversitätsverlustes und der Wasserknappheit sowie für 50 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ein Drittel der Menschenrechtsverletzungen betreffen den extraktiven Sektor.
Problematischer Abbau
Die Veranstaltung »Rohstoffwende. Wie machen wir Österreich durch eine neue Rohstoffstrategie fit für die Zukunft« der AG Rohstoffe brachte ein realistisches Bild. Geladen waren Referenten aus Brasilien, Kolumbien und Hongkong, um über die Situation vor Ort zu berichten. Vor einem Jahr starben beim Dammbruch der Erzmine in Brumadinho 272 Menschen, eine meterhohe Flutwelle überzog damals das Land mit 13 Mio m³ giftigem Minenschlamm. »Das war der zweite große Dammbruch innerhalb von vier Jahren«, berichtete Dom Vicente de Paula Ferreira.
Bild oben: Beim Rohstoffkonsum pro Kopf und Jahr liegt Österreich mit rund 20 kg im Spitzenfeld. Ökonomin Karin Küblböck sieht dringenden Handlungsbedarf bezüglich der transparenten Gestaltung der Wertschöpfungsketten. »Die Verantwortung liegt bei den Unternehmen.«
Die Umweltschutzgesetzgebung wird im Land ausgedünnt, die Minen werden weiter betrieben und das Risiko als natürlich eingestuft. Gegen den deutschen Zertifizierer TÜV Süd läuft aktuell eine Klage wegen undurchsichtigem Risikomanagement. Au Lap Hang aus Hongkong zeigte die desaströsen Arbeitsbedingungen chinesischer Arbeiter in der Elektronikindustrie. Als umstrittenes Projekt wurde die Goldmine La Colosa in Kolumbien vorgestellt. Die Goldreserven in dem Hochmoor Páramo de Santurbán zählen zu den größten der Welt, der kanadische Konzern Greystar plante einen groß angelegten Abbau.
Seit einem Jahrzehnt kämpfen Aktivisten für den Schutz des Hochmoors, Quelle des gesamten Trinkwassers der Region. Es gab einen negativen Volksentscheid gegen das Projekt, große Teile der lokalen Bevölkerung sind mobilisiert. Die Politik steht aber hinter dem Bergbauunternehmen. »Die Verordnung aus 1994 hat für die Explorationsphase und für die Bergbauprojekte noch eine Umweltgenehmigung vorgesehen. Nachfolgende Erlässe haben die Umweltlizenz für Explorationsaktivitäten im Bergbau beseitigt«, kritisierte Yefferson Rojas Arango, der auf ein positives Ende hofft.
Grenzüberschreitend
Welche Maßnahmen können Länder jenseits von z.B. Brasilien, China und Kolumbien treffen, um für höhere Umwelt- und Sozialstandards zu sorgen? Es gibt mit der sogenannten Agenda 2030 eine UN-Agenda zur Zusammenführung von Nachhaltigkeits- und Entwicklungsagenden. Unter dem Schlagwort Konfliktmineralien sollen Regulierungsinitiativen die Finanzierung bewaffneter Konflikte aus Rohstoffeinnahmen verhindern. Diese Due-Diligence-Pflichten müssen in der EU ab 2021 umgesetzt werden.
Ihre Wirksamkeit beschränkt sich allerdings nur auf einzelne Rohstoffe und wenige Unternehmen. Für die AG Rohstoffe braucht es eine Rohstoffwende in der EU, in Österreich durch eine umfassendere Überarbeitung der Rohstoffstrategie, die derzeit vorgenommen wird. Herbert Wasserbauer nennt einige Punkte:
- Reduktion von Ressourcenkonsum/echte Kreislaufwirtschaft
- Ambitionierte Umsetzung der EU-Konfliktmineralienverordnung
- Lieferkettenverantwortung für Auslandsaktivitäten von Unternehmen
- Nachhaltige Rohstoffpolitik, die Handelspolitik, Schließung von Steueroasen sowie verbindliche Umwelt- und Sozialstandards umfasst
Rot-weiß-rote Rohstoffpolitik
Die österreichische Politik und Verwaltung ist aktiv in europäische rohstoffpolitische Diskussions- und Entscheidungsprozesse eingebunden. Ökonomin Karin Küblböck, Expertin für internationale Ressourcenpolitik bei der ÖFSE, sieht großes Know-how rund um Bergbau und Rohstoffe.
Seit vielen Jahren werde z.B. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung das internationale Standardwerk »World Mining Data« produziert, das weltweite Daten zum Rohstoffabbau erhebt. Heimische Unternehmen zählen bei manchen Metallen mit hochspezialisierten Produkten zu den Weltmarktführern. In der Forschung gibt es sehr viel Know-how u.a. durch die Montan-Universität Leoben, das Institute for Ecological Economics an der WU Wien, die BOKU und die TUs. »Österreich muss diese Rolle nutzen und sich international aktiv in für eine nachhaltigere Rohstoffpolitik einsetzen«, fordert Küblböck.