Mit einem neuen Streamingdienst will Google die milliardenschwere Videospielindustrie aufmischen.
Wer Musik hören will, kauft keine Alben mehr, Filmfreunde stellen sich kaum mehr DVDs ins Regal, und auch für e-Books gibt es mit Kindle Unlimited die Bibliothek zum Fixpreis. Besitzen ist out – Streamen ist in. Außer im aktuell umsatzstärksten Unterhaltungsmedium des Planeten: Wer Videospiele konsumiert, braucht dazu meist nicht nur die oft kostspielige und proprietäre Hardware, sondern muss das Produkt, ob physisch oder digital, meistens auch noch zuerst kaufen und auf seinem Spielgerät installieren – eigentlich ein Anachronismus.
Kein Wunder, dass in der 45 Milliarden Dollar schweren Videospielbranche fieberhaft am nächsten großen Dinge getüftelt wird: Wer das »Netflix für Videospiele« auf den Markt bringt, darf sich als Disruptor einen der lukrativsten Märkte der Welt unter den Nagel reißen.
Apropos Netflix: Dass der global erfolgreiche Streamingdienst nicht einen direkten Streaming-Konkurrenten als schärfsten Rivalen im Kampf um die Screentime seiner Nutzerinnen und Nutzer nennt, sondern ein einzelnes Videospiel, das kostenlose und trotzdem im Jahr 2018 2,4 Milliarden Dollar einspielende »Fortnite«, zeigt, dass hier ein schlummernder Titan darauf wartet, wachgeküsst zu werden.
Google prescht vor
Google wagt nun den Vorstoß. Auf der diesjährigen GDC, der Game Developers Conference in San Francisco, stellt der Suchmaschinengigant ein revolutionäres Service vor, das den Gamesmarkt aufmischen soll. Google Stadia will als Online-Streamingdienst das Unterhaltungsmedium der Zukunft von den Fesseln der Hardware befreien: Aktuelle Videospiele soll man dann so einfach wie ein YouTube-Video starten und spielen können, ganz unabhängig vom Endgerät. 7500 weltweit verteilte Knotenpunkte sollen dafür sorgen, dass auch anspruchsvollste moderne Spiele auf PCs, aber auch auf Geräten wie Smartphones, Tablets oder Smart-TVs ruckelfrei und ohne nennenswerte Latenz direkt spielbar sein sollen.
Damit hat Google nicht nur das Videospielgeschäft an sich, sondern auch den höchst lukrativen Markt mit Video-Streaming von Games-Inhalten im Visier. Amazons 2014 um eine Milliarde Dollar eingekaufter diesbezüglicher Streamingdienst Twitch ist bislang der Platzhirsch in Sachen Games-Content, doch auch bei Googles YouTube spielt das Streamen von Games-Inhalten seit jeher eine riesige Rolle. Stadia soll mit Funktionen wie »Crowd-Play« und »State-Share« nun auch das globale und höchst lukrative Ökosystem von hyperpopulären Streamer-Celebrities und ihre millionenfache Anhängerschaft wieder an Google binden.
Alles nur Hype? Wer weiß. 2019 will Google bereits in ausgewählten Märkten starten, doch Google Stadia wird als »First Mover« auch das zweifelhafte Privileg haben, manche Fehler als Erster zu begehen. Wie das globale Games-Publikum reagiert, ob die versprochenen technischen Parameter tatsächlich für ruckelfreies Spielen reichen und nicht zuletzt wie sich das Service finanziert, ist noch offen.
Mit Amazon und Apple stehen auf jeden Fall zwei Internet-Giganten lauernd abseits, doch ein weiterer Konkurrent kann auf höheres Games-Wissen verweisen als alle drei zusammen: Steam, als Downloadplattform für PC-Spiele milliardenschwerer Quasi-Monopolist, experimentiert schon seit einiger Zeit mit Streaming-Ideen. Hoffentlich hält der Breitbandausbau mit dieser Zukunft mit.