Das Factoring-Geschäft in Österreich kommt wieder in Schwung. Nach einem Jahr der Konsolidierung wird für heuer wieder mit hohen Zuwachsraten gerechnet. Der Verkauf offener Forderungen an eine Bank ist nun auch für kleinere Unternehmen eine Option.
Von Angela Heissenberger.
Der Forderungsverkauf kämpft noch immer mit seinem Image: Wer sich professionellen Geldeintreibern anvertraut, um den muss es schon sehr schlecht stehen, lautet eines der meistgenannten Vorurteile. Tatsächlich wartet Factoring aber mit einigen Vorzügen auf. Der wichtigste: Auf raschem Weg wird Bares in die Kassa gespült, das Unternehmen kann sich die lebenswichtige Liquidität erhalten. Auch die schlechte Nachrede muss nicht sein, denn beim »stillen« Factoring bleibt die Forderungsabtretung für den Kunden unsichtbar.
Konsolidierung
Das Krisenjahr 2009 brachte eine Neuordnung des österreichischen Factoringmarktes. Mit einem Forderungsvolumen von knapp einer Milliarde Euro schaffte die Raiffeisen Factor Bank im zweiten Jahr ihres Bestehens den Sprung auf Platz drei unter den fünf heimischen Factoringinstituten. Raiffeisen sowie die zur Volksbanken-Gruppe gehörige VB-Factoring erreichten jeweils knapp 15 Prozent Marktanteil, hinter der zur UniCredit-Gruppe zählenden FactorBank AG mit knapp 18 Prozent. Marktführer Intermarket fiel erstmals seit Jahrzehnten unter die 50-Prozent-Marke, behauptete sich aber unangefochten an der Spitze. Schlusslicht ist wie bisher die international ausgerichtete Coface Austria Bank AG mit rund drei Prozent Marktanteil.
Der Gesamtmarkt beläuft sich auf 6,6 Milliarden Euro, das Volumen der angekauften Forderungen hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt. Dennoch blieb das Wachstum mit 5,3 Prozent hinter den Erwartungen. 2010 soll nun der Markt wieder zweistellig wachsen. Seit der Krise gilt Liquidität als höchstes Gut der Unternehmen, der Weg zur Hausbank lag vielen aber näher. Der hierzulande üblichere Zessionskredit – offene Forderungen werden als Kreditbesicherung eingesetzt – bringt jedoch mit einer Bewertung von maximal 50 Prozent deutlich weniger.
Im Vergleich zum Zessionskredit bietet Factoring zudem wesentliche administrative Vereinfachungen: In der Buchhaltung entfällt der Vermerk bei jeder einzelnen Forderung, die zediert wurde. Der Verkauf der Forderungen ist in den Büchern nach außen hin nicht sichtbar. Experten rechnen, dass die Banken selbst Zessionskredite wegen des Verwaltungsaufwandes und des zunehmenden Risikos sukzessive zurückfahren werden. Der Kreditschutzverband von 1870 schätzt das Volumen der Zessionskredite auf rund zehn Milliarden Euro pro Jahr, das entspricht etwa einem Viertel aller kurzfristigen Kredite.
Auch für KMU
Unangenehm stießen beim Factoring bisher nur die hohen Gebühren auf. Bei Zusatzkosten von durchschnittlich 0,5 Prozent der Forderungssumme kam Factoring erst ab Jahresumsätzen von 500.000 Euro in Frage. Mit dem Produkt »Factoring Compact« wendet sich die Intermarket Bank nun gezielt an Kleinunternehmen mit einem Jahresumsatz von 300.000 bis 700.000 Euro. Besonders in der Gründungsphase oder bei Expansionsplänen benötigen Firmen genügend liquide Mittel und die Sicherheit pünktlicher Zahlungseingänge. Das Unternehmen sollte bereits seit sechs Monaten geschäftstätig sein, bei überzeugenden Business-Plänen ist die Bank aber auch schon früher mit an Bord.
Grundsätzlich rechnet sich Factoring für Unternehmen unterschiedlichster Branchen. Vor allem Handels-, Produktions- und Dienstleistungsbetriebe mit rasch steigenden oder saisonal schwankenden Umsätzen oder hohen Außenständen profitieren vom Verkauf der Forderungen, zumal ein klassischer Bankkredit für viele Firmen inzwischen unerreichbar ist. Je nach Umfang der gewählten Leistungen kümmert sich das Factoringinstitut aber nicht nur um das Mahnwesen und treibt die fälligen Zahlungen ein, sondern übernimmt auf Wunsch auch das Debitorenmanagement und sichert das Risiko eines Forderungsausfalls (»Delkredererisiko«) ab.
Die Abwicklung erfolgt in der Regel sehr unbürokratisch. Das Unternehmen übermittelt die Rechnungen elektronisch an das Factoringinstitut, das unmittelbar einen Vorschuss auf die offene Forderung gewährt. Der Factorkunde erhält in der Regel 80 Prozent des Rechnungswertes sofort, der Rest – abzüglich der vereinbarten Gebühr – folgt nach der Zahlung durch den Debitor. Bei den Spesen gibt es Verhandlungsspielraum: Die Factoringgebühr liegt je nach Leistungsumfang zwischen 0,1 und 1,5 Prozent der Forderungssumme. Dazu kommen die banküblichen Kontokorrentzinsen, die vom Tag der Übernahme durch das Factoringinstitut bis zum Zahlungseingang durch den Schuldner anfallen. Mit der Bevorschussung kann der Unternehmer die Forderungen gleich saldieren. Die Eigenkapitalquote und damit das Rating verbessern sich deutlich. Das Geld steht sofort zur Verfügung und kann beispielsweise für die frühzeitige Begleichung eigener Schulden verwendet werden, um Skonti bei Lieferanten zu nützen. Statt säumigen Schuldnern hinterherzulaufen, kann sich der Unternehmer auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Bei Geschäftsabschlüssen mit Kunden bietet die Möglichkeit längerer Zahlungsziele abseits des Preises zusätzlichen Verhandlungsspielraum.
Schmuddelimage ade
In Österreich wurde die erste Factoring-Gesellschaft 1965 gegründet. Bedingt durch die starke Konkurrenz der Banken und rechtliche Schranken entwickelte sich der Markt über Jahrzehnte jedoch nur schleppend. Erst seit dem Jahr 2000 wächst das Geschäft mit dem Forderungsverkauf rasant.
International hat Factoring schon weit länger Tradition. Die Ursprünge reichen bis ins alte Persien zurück, wo bereits 2000 v.Chr. Vermittler Forderungen eintrieben und dafür Vorschüsse und Garantien gaben. Auch die Römer kannten den Factor, den Macher – abgeleitet von facere (lat. für machen, tun). Über Londoner Finanzagenten, die in den englischen Kolonien Export- und Importgeschäfte abwickelten, kam der Begriff »Merchant Factors« nach Amerika. 1889 wurde mit dem »Factors Act« in den USA die erste gesetzliche Regelung für Factoring geschaffen. In Europa etablierte sich die Finanzierung von Forderungen in moderner Form erst wieder ab den 1960er-Jahren.
Langsam setzt nun ein Wandel ein: Durch die Wirtschaftskrise haben die Themen Forderungsfinanzierung und Liquidität stark an Bedeutung gewonnen. Das »Schmuddelimage« soll bald der Vergangenheit angehören.
>>Factoring-Lexikon:
> Full-Service-Factoring: Factoring ist ein Finanzierungsgeschäft, bei dem das Factoringinstitut die laufenden Forderungen eines Kunden ankauft. Darüber hinaus werden auch alle damit zusammenhängenden Verwaltungsfunktionen – Buchhaltung, Mahnwesen und Inkasso – sowie das Ausfallsrisiko der Forderung übernommen. Die drei Funktionen Finanzierung, Service und Delkredere können unterschiedlich kombiniert werden.
> Inhouse-Factoring: Die Buchhaltung verbleibt beim Kunden, der vom Factor nur Finanzierung und Delkredere in Anspruch nimmt.
> Echtes/unechtes Factoring: Beim echten Factoring übernimmt der Factor das Ausfallsrisiko. Im unechten Verfahren wird stattdessen meist ein Rückkaufobligo vereinbart.
> Offenes/stilles Factoring: Im offenen Factoringverfahren wird der Debitor über den Forderungsverkauf informiert und aufgefordert, direkt an den Factor zu zahlen. Beim stillen Factoring erfolgt die Abtretung der Forderungen im Stillen, also unbemerkt.
> Export-Factoring: Bei dieser Sonderform ist nicht nur ein Factor, sondern zwei involviert. Zunächst verkauft das Unternehmen die offene Forderung an den Export-Factor. Dieser überträgt sie an einen Import-Factor im Zielland, der mit dortigen Usancen vertraut und über die Bonität des Debitors besser informiert ist.