Wer für sein Unternehmen oder seinen Schaffensbereich nachhaltige, das heißt über mehrere oder viele Perioden hinweg wirksame Wettbewerbsvorteile schaffen will, der sollte sich primär um die Schaffung von komplexen Voraussetzungen kümmern. Denn solche sind kaum beziehungsweise nur schwer kurz- und mittelfristig imitierbar beziehungsweise zu übertreffen. Diese Kolumne befasst sich mit den Inhalten solcher Voraussetzungen und deren Zusammenhängen mit der Performance von Unternehmen.
Worum geht es dabei? Unternehmen gliedern sich in vom Wettbewerb befeuerte Märkte ein, um sich unter Beachtung von vorgegebenen Regeln gegenseitig mit besseren Angeboten zu übertreffen. Unternehmen, welche bei diesem Wettbewerb über längere Zeitspannen hinweg mitmachen wollen und können, haben sowohl im Inneren als auch in den Beziehungen nach außen komplexe Voraussetzungen zu schaffen, damit
■ Bewahrenswertes aktiv bewahrt (BEWAHREN) wird,
■ Neues entsteht und konsequent umgesetzt (WERDEN lassen) und
■ Überholtes konsequent abgeschafft (ABSCHAFFEN) wird.[1]
Diese drei Gestaltungsfelder können als ein Erfolgstriangel (BWA) angesehen werden, wobei die Intensität der Bearbeitung von der vorgefundenen Lage und der eine Vision umsetzenden Strategie abhängig sind.
Vitale Unternehmen [2] sind in der Lage, im Inneren eine den veränderten Anforderungen des Umfeldes entsprechende Passung der Intensität der Bearbeitung in den drei Gestaltungsfeldern (BWA) immer wieder neu herzustellen. Es passen in diesen Unternehmen die Anforderungen und die Intensität der Bearbeitung der Felder Bewahren, Werden und Abschaffen in der Relation zu anderen Unternehmen mit relativ geringen Verzögerungen in der Anpassung zusammen. Diese Vitalität passiert nicht, sondern sie muss immer wieder neu erarbeitet werden. Also worum geht es in dieser Kolumne? Es geht um die Herstellung und Bewahrung der Vitalität, also um die Fähigkeit, sich von innen heraus erneuern zu können.
>> Was sind die wesentlichsten Kernfähigkeiten für vitale Unternehmen? <<
Folgt man den Ergebnissen der Forschung der Boston Consulting Group, dann stellen in zukunftsorientierter Sicht
■ eine starke Leadership (starke Qualitäten der Führung),
■ motivierte Mitarbeiter und
■ eine über Funktionsgrenzen hinweg zusammenarbeitende Mitarbeiterschaft
die wesentlichsten Kernfähigkeiten für das Aufbauen und Bewahren der Vitalität von Unternehmen dar.[3]
Für eine starke Leadership sind besonders jene Personen wichtig, welche als Eigentümer oder Aufsichtsräte jene Personen auswählen, welche
■ eine passende Leadership vorleben und weiterentwickeln helfen und
■ für ihre Mitarbeiter Voraussetzungen schaffen,
■ damit auch diese eine solche anstreben und umsetzen können.
Treten hier wesentliche Mängel auf, dann leidet das gesamte Unternehmen darunter. Diese wesentlichen Mängel sind leider in sehr vielen Unternehmen festzustellen.[4]
Diese Mängel haben zur Folge, dass in Unternehmen die entsprechenden Voraussetzungen für die Selbstmotivation der Mitarbeiter nicht geschaffen werden (können) und damit nur in einem (zu) geringen Ausmaß freiwillige Zusatzleistungen für gemeinsame Ziele erbracht werden. Mit der Pflichterfüllung allein kann ein Wettbewerb auf hohem Niveau kaum gewonnen werden.
Es fehlen das Streben nach und die Leidenschaft für Exzellenz weitgehend. Es herrscht oder droht in diesen Unternehmen das Mittelmaß. Mängel in der Leadership (den Qualitäten der Führung) und die fehlende Selbstmotivation zu Erbringung von freiwilligen Zusatzleistungen lassen dann die Bereitschaft zum gemeinsamen Denken, Handeln und zur gegenseitigen Unterstützung verkümmern. Diese Zusammenhänge sehend kann festgehalten werden, dass nachhaltige Wettbewerbsvorteile das Vorhandensein einer starken Leadership bedingen. An dieser Bedingung wird kaum ein gangbarer Weg vorbei führen.
>> Was sind nun wesentliche Kennzeichen für vitale Unternehmen? <<
Patrik Lencioni hat, seine langjährige Beratertätigkeit reflektierend, das lesenswerte Buch »Der Vorteil« mit dem Untertitel »Warum nur vitale und robuste Unternehmen in Führung gehen« geschrieben. In einer Gegenüberstellung mit smarten Unternehmen führt er folgende Merkmale von vitalen Unternehmen an:
■ Kaum Machtkämpfe
■ Klare Verhältnisse
■ Gute Arbeitsmoral
■ Hohe Produktivität
■ Geringe Fluktuation [5]
Dazu merkt er an: »Ein gesundes Unternehmen wird unvermeidlich im Laufe der Zeit klüger. Denn in einer vitalen Organisation lernen Menschen voneinander, angefangen von der Führungsetage bis hinunter zum Pförtner. Gemeinsam spüren Sie Probleme auf und ziehen die richtigen Schlüsse aus Fehlern. Weder Machtkämpfe noch unklare Strukturen hindern sie daran, einen Missstand auszuräumen, und deswegen finden sie viel schneller Lösungen, als es ihren dysfunktionalen Konkurrenten möglich ist. Das betrifft wie gesagt nicht nur die Führungsebene.« [6]
Werden diesen fünf Merkmalen von vitalen Unternehmen von Patrik Lencioni die drei wesentlichsten Kernfähigkeiten aus der Forschung der Boston Consulting Group, starke Leadership, motivierte Mitarbeiter und eine über Funktionsgrenzen hinweg zusammenarbeitende Mitarbeiterschaft unterlegt, dann können die fünf Merkmale als ein Ergebnis der Wirkung der drei Kernfähigkeiten angesehen werden. Donald Sull stellt in seinem Beitrag »How to Thrive in Turbulent Markets« in der Harvard Business Review[7] zwei Boxer einander gegenüber. Der eine, Muhammad Ali, steht für Agilität [8] und der andere, George Forman, für Absorption. Agilität steht für die Kampfstrategie »Float Like a Butterfly, Sting Like a Bee« und Absorption für »Take a Licking and Keep on Ticking«. [8] Im Laufe der Zeit brauchen Sie beide Eigenschaften in einem den Erfordernissen entsprechenden Mix. Schwierig zu machen, aber wahrscheinlich erfolgreich in einer sich rasch verändernden Welt.
>> Vitalität und Robustheit stellen nachhaltige Wettbewerbsvorteile dar <<
Wenn Sie sich die wesentlichen Kennzeichen von vitalen Unternehmen anschauen, dann sollte klar werden, dass hinter diesen Schätze [9] liegen, die man wahrscheinlich nur mit großer Leidenschaft und Konsequenz in der Umsetzung und nur über längere Zeiträume hinweg schaffen kann. Wenn Sie sich mit Leidenschaft und Konsequenz in der Umsetzung starken Ausprägungen bei diesen wesentlichen Kennzeichen (Erkennungszeichen) annähern, dann nimmt auch die Agilität und Robustheit Ihres Unternehmen oder Gestaltungsbereiches zum Bestehen im Wettbewerb auf hohem Niveau zu.
Wenn Sie mit diesem Streben erfolgreich sind, dann können Sie eine flexible Gewichtung der Intensität der Befassung mit den Gestaltungsfeldern Werden lassen, Bewahren und Abschaffen realisieren und sich einer hohen Unternehmensqualität annähern. Ja, die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen auf Basis komplexer Voraussetzungen ist möglich und anstrebenswert.
[1] Risak. J. (2010): Überlegene Unternehmensqualität schaffen, Lindeverlag Wien, S. 198 f.
[2] Vgl. dazu auch Dörfler, A. (2003): Schrittweises Erstarren – rechtzeitiges Erneuern, in: Risak. J. (2003): Der Impact Manager, S. 55 –63.
[3] The Boston Consulting Group (2012): Organizational Capabilities Matter, January, S. 7.
[4] Vgl. Risak, J. (2010): S. 77.
[5] Lencioni, P. (2014): Der Vorteil, Weinheim, S. 17.
[6] Lencioni, P. (2014): S. 19 f.
[7] Sull, D. (2009): How to Thrive in Turbulent Markets, in: Harvard Business Review, February, S. 78 – 88.
[8] Sull, D. (2009): S. 80 bzw. S. 83.
[9] Vgl. Zook, C. (2007): Unstoppable, Harvard Business Press, Boston Massachusetts.