Im Report-Interview spricht Vizekanzler und Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner über Problemstellungen und europäische Komponenten für einen gemeinsamen Markt.
Report: Die heimische Energiewirtschaft ist derzeit von großen Verwerfungen geprägt. Wie soll der nötige Ausbau der Stromnetze in Österreich von politischer Seite her unterstützt werden?
Reinhold Mitterlehner: Der steigende Anteil volatiler Erneuerbarer Energien wie Windkraft und Photovoltaik bringt mehrere Herausforderungen mit sich. Umso wichtiger ist es, die Stromnetze auszubauen, um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleisten zu können. Dieser Weg erfordert klare Rahmenbedingungen für Investoren, aber auch die Einbindung und Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung. In diesem Sinne wird derzeit ein Energie-Infrastrukturpaket im Parlament verhandelt, das im Sinne der EU-Vorgaben einen klaren Genehmigungsprozess in einem zeitlichen Rahmen vorsieht und die betroffenen Stakeholder frühzeitig einbindet. Klar ist: Österreich hat sich mit seinen Pumpspeichern als grüne Batterie im Alpenraum gut positioniert. Um diese Rolle voll auszufüllen, braucht es aber auch entsprechende Netze, um Strom aus Wasserkraft genau dann bereitzustellen, wenn in unseren Nachbarländern der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Ferner fördert der Ausbau der Energie-Infrastruktur die Integration der Energiemärkte und wirkt damit wettbewerbsbelebend.
Report: Sind Sie mit den jüngsten Zielen der EU, bis 2030 40 % CO 2 -Emissionen gegenüber Stand 1990 zu reduzieren, aus wirtschaftlicher Sicht zufrieden?
Mitterlehner: Mit den Beschlüssen zu den Klima- und Energiezielen 2030 ist Europa für die internationalen Klimaverhandlungen in Vorleistung getreten. Aber, Energie- und Klimapolitik ist mehr denn je auch Standortpolitik. Daher braucht es klare Regeln, um »carbon leakage« aufgrund zu hoher CO 2 -Kosten zu verhindern. Das ist im Interesse des Klimaschutzes und des Wirtschaftsstandorts, denn um Standorte und Arbeitsplätze in Europa langfristig zu sichern, muss auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist es ein positives Signal, dass sich beim G-7-Gipfel auch die USA, Kanada und Japan zum Klimaschutz und dem Ausbau Erneuerbarer bekannt haben. Das ist auch ein wichtiges Zeichen für das geplante globale Klimaabkommen Ende 2015 in Paris.
Report: Was sind die größten Hürden für faire beziehungsweise ausgeglichene Energiemärkte bei Strom und Gas in den EU-Staaten? Welche Marktregeln sollten aus Sicht der österreichischen Politik eingeführt werden, um GuD-Kraftwerke (KWK-Anlagen) wieder wirtschaftlich gewinnbringend betreiben zu können?
Mitterlehner: Die vollständige Realisierung des Energie-Binnenmarktes ist der wichtigste Schritt hin zu fairen und ausgeglichenen Energiemärkten. Dass die damit verbundenen Regeln in allen EU-Staaten vollständig umgesetzt werden müssen, ist derzeit noch eine der größten Hürden. Österreich engagiert sich daher in grenzüberschreitenden Kooperationen, wie dem Pentalateralen Forum, das schon bisher der Motor in der Integration des EU-Strommarktes ist. Denn um die Vorteile des Binnenmarkts zu nutzen, müssen wir die Herausforderungen im Energiebereich möglichst gemeinsam mit den europäischen Partnern angehen. Bei den angesprochenen KWK-Anlagen gilt, dass jede neue Maßnahme mit dem europäischen Beihilfenrecht kompatibel sein muss. So ist es auch gesetzlich festgeschrieben.
Report: Wie »europäisch« respektive zentral sollte Energiepolitik in Europa koordiniert werden? Wie könnte eine sinnvolle Energieunion aus Ihrer Sicht aussehen und geleitet werden?
Mitterlehner: Wir teilen das wichtige Ziel, dass die Energiewende im europäischen Binnenmarkt enger abgestimmt werden muss. In diesem Sinne soll die geplante Energieunion mehr Solidarität, Versorgungssicherheit und Wettbewerb in Europa bringen. Ergänzend zur Versorgungssicherheit durch den Ausbau der notwendigen Infrastruktur geht es vor allem darum, Erneuerbare Energie, soweit erforderlich, zu fördern und an den Markt heranzuführen und den Bedarf an Energie durch intelligente und wirtschaftliche Effizienzmaßnahmen zu reduzieren. Österreich setzt sich dafür ein, dass die drei Eckpfeiler Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft stärker ausbalanciert werden. Es gilt die Stärken einzelner Länder – wie etwa im Fall Österreichs die Rolle als »grüne Batterie« über die Pumpspeicher – länderübergreifend optimal zu nutzen.
Report: Welche Einbußen hat die heimische Wirtschaft durch die Sanktionen gegen Russland erlitten?
Mitterlehner: Geopolitische Probleme wie die Ukraine-Krise und die Folgen der Russland-Sanktionen belasten das Investitionsklima und hinterlassen auch Spuren in der österreichischen Exportbilanz. Mittel- und langfristig müssen wir daher noch stärker als bisher alternative Auslandsmärkte erschließen. Das verteilt auch das Risiko besser, wenn es im Handel mit einzelnen Regionen zu Einbrüchen kommt.