Mittwoch, Februar 05, 2025

Leo Windtner, General­direktor der Energie AG Oberösterreich, spricht über Marktverwerfungen, die den Liberalisierungsgedanken ad absurdum führen. Er sieht dennoch Hoffnung für die Branche.

Von Martin Szelgrad

Report: Sie sind seit 1994 Generaldirektor der heutigen Energie AG Oberösterreich. Was waren die Herausforderungen damals, im Jahr Ihres Antritts?

Leo Windtner: Die Liberalisierung des Energiemarktes war damals Thema Nummer eins. Mit unserem hohen Anteil an Großkunden waren wir gemeinsam mit dem Verbund am stärksten vom einziehenden Wettbewerb betroffen. Manche Analysten in Wien hatten die seinerzeitige OKA (Anm. »Oberösterreichische Kraftwerke AG«) schon als möglichen Fall im Übernahmepoker der heimischen E-Wirtschaft vermutet. Diesen Befürchtungen sind wir aber mehr als aktiv entgegengetreten. Möglich war dies auch Dank eines rigoros durchgezogenen Paradigmenwechsels im gesamten Unternehmen. Aus »Abnehmern« wurden »Kunden«, »Tarife« wurden zu »Preisen« und wir konnten eine moderne Serviceorganisation formen. Heute wird dies eher noch in die Superlative fortgesetzt: Mit der »PowerStrategie 2020« stellt die Energie AG neben ihrer operativen Exzellenz – die wir mit den jüngsten hervorragenden Halbjahreszahlen unterstrichen haben – den Kunden ins Zentrum all ihrer Tätigkeiten. Heute, 15 Jahre nach der Liberalisierung, haben wir es bei der Energiewende mit einer zweiten Welle der Marktveränderungen zu tun. Diese Welle ist bereits zu einem Tsunami angestiegen, der bisher gültige Geschäftsmodelle regelrecht wegspült. Einer der Gründe für diese drastische Entwicklung sind die planwirtschaftlichen Überförderungen der Erneuerbaren am deutschen Strommarkt. Ein anderer Faktor ist der verunglückte CO 2-Emissionshandel auf EU-Ebene, der sogar zu einem Wiedererwachen der Braunkohleverstromung geführt hat. Gepaart wird dies in Europa dann noch mit einer kleinen Renaissance der geförderten Kernkraft. Die Liberalisierung war im Vergleich dazu harmlos. Die aktuellen Marktverwerfungen sind zu einer Bedrohung für die Branche insgesamt angewachsen.

Report: Die energieintensive Industrie sieht in dem derzeit zahnlosen Emissionszertifikatehandel kein Problem. Betreiber von Gaskraftwerken haben hier aber gegenüber der wesentlich günstigeren Kohle das Nachsehen. Welche politische Maßnahme würden Sie für sinnvoll halten?

Windtner: Wahrscheinlich wäre ein pragmatischer Ansatz die Einführung einer CO 2-Steuer, wenn für bestimmte Industriebereiche gewisse Freiräume geschaffen werden. Das was hingegen derzeit passiert, ist ein klimapolitisches Absurdistan.

Report: Mit den Ergebnissen der G7-Konferenz im Juni und den Erwartungen an die UN-Klimakonferenz Ende des Jahres ist der Ausstieg aus den fossilen Energien in diesem Jahrhundert wieder großes Thema. Wie realistisch ist dies bereits für die kommenden Jahrzehnte? Könnte auch die Energie AG Oberösterreich aus den Fossilen aussteigen?

Windtner: Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten Jahrzehnten weiterhin Gaskraftwerke als Brückentechnologie brauchen werden, sind aber überzeugt, dass der Zug zu den Erneuerbaren unaufhaltsam weiterfährt. Zu welchem Zeitpunkt wir tatsächlich einen hundertprozentigen Deckungsgrad mit Erneuerbaren in Europa erreichen können, ist unbestimmt und hängt auch stark von der weiteren Preis- und Kostenentwicklung am Energiemarkt ab. Es kann etwa nicht ewig weitergehen, dass der Strommarkt mit teuren Förderungen penetriert wird. Ein Musterbeispiel dafür sind die EEG-Förderungen in Deutschland, die höher als die eigentliche Strompreistangente ausschlagen. Es wird Zeit, dass die Förderung der Einspeistarife, die einen gewissen Rentencharakter für die Erzeuger haben, abgeschafft wird. Als wesentlich sinnvoller würde ich Investitionsanreize für Erneuerbare sehen, die auf diese Weise endlich auch in eine Markttauglichkeit geführt werden könnten. Wenn das nicht geschieht, dann kann sich Europa bald den Terminus der Marktliberalisierung endgültig abschminken. Denn bei der Häufigkeit der regulatorischen Eingriffe heute muss man sich schon fragen, ob eine Liberalisierung im eigentlichen Sinn noch existiert. So ist für diese Entwicklung auch symptomatisch, dass Netzbetreiber zunehmend Kraftwerkskapazitäten zugeordnet bekommen, um Versorgungssicherheit weiterhin gewährleisten zu können. Mit Unbundling – dem zentralen Inhalt der Liberalisierung – hat das nichts mehr zu tun.

Report: Im Februar wurde der Spatenstich für einen Neubau des Traun-Kraftwerks Bad Goisern gesetzt. Wie rentabel ist der Ausbau der Wasserkraft derzeit in Österreich?

Windtner: Laufwasserkraftprojekte können höchstens noch in Einzelfällen rentabel umgesetzt werden. Diese Projekte müssen aber schon außergewöhnliche Prämissen vorweisen und sind im Regelfall wirtschaftlich nicht darstellbar. Auch der Ausbau in Bad Goisern ist für uns nur mit einer speziellen Finanzierungskonstruktion möglich. Denn Technologien, die heute nicht gefördert werden, haben bei dem niedrigen Strompreisniveau derzeit kaum eine Chance. Auch bei den Pumpspeicherkraftwerken werden in Österreich bestenfalls noch laufende Projekte zu Ende geführt.

Report: Wann wird der Strompreis wieder steigen?

Windtner: Das benötigt einen Blick in die Glaskugel aber ich gehe davon aus, dass dies frühestens in drei bis vier Jahren passieren wird – es sei denn, es treten unvorhergesehene Ereignisse auf.

Report: Wenn Sie die Stromerzeugung durch Erneuerbare speziell in Oberösterreich betrachten – welche Erzeugung funktioniert? Welche nicht?

Windtner: Die Wasserkraft ist großteils ausgebaut. Im Bereich Refurbishment sind die Programme großteils und sehr erfolgreich vollzogen worden. Wenn wir bei dem Beispiel Bad Goisern bleiben: Hier wird durch den Neubau die Kraftwerksleistung um das Zwölffache gesteigert. Wir wissen, dass Oberösterreich aufgrund der topografischen und meteorologischen Verhältnisse nicht die besten Voraussetzungen für Windkraft und Photovoltaik hat. Zur Solarenergie haben wir trotzdem eine offensive Haltung mit unseren erfolgreichen Bürgerkraftwerken und Partnerschaften mit der Industrie. So wird zurzeit das Flughafengebäude in Hörsching mit einer 550 kWp großen Anlage ausgestattet. Das Projekt ist ein Beispiel von vielen.

Report: Jeder spricht von Geschäftsmodellen, welche die Branche verändern werden. Wo sehen Sie hier Chancen?

Windtner: Die Energie AG hat jüngst ein virtuelles Speicherprodukt für Sonnenstrom vorgestellt. Damit kann Strom, der im Überfluss produziert wird, virtuell in unserem Netz gespeichert und bei Bedarf erneut abgerufen werden. Mit diesem Modell können wir auch die Kundenbeziehung festigen. Wir liefern damit nicht nur Strom, sondern Komfort. Wir wissen, dass wir auf lange Sicht nicht mit der Lieferung von Energie alleine auskommen werden, sondern künftig umfassende Leistungen darüber hinaus erbringen müssen.

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