Von einem drohenden Engpass bei Erdgas hat schon jeder gelesen. Allerdings ist diese Sorge unbegründet: Erdgas steht laut GVS ausreichend zur Verfügung. Für einen Mangel können nur fehlende Infrastruktur und Preispolitik sorgen.
Karin Legat aus Stuttgart
Nordstream, Yamal Stream, Transgas, Southstream, Bluestream – das sind die Hauptstraßen für russisches Gas nach Europa, inkl. Türkei. »38 Prozent des in Deutschland importierten Erdgases werden in Russland gefördert«, informiert Helmut Kusterer, Bereichsleiter Geschäftsentwicklung und Vertriebsunterstützung der GVS, Gasversorgung Süddeutschland, bei einem Hintergrundgespräch in Stuttgart. Daneben stammt Erdgas aus inländischer Produktion und wird aus den Niederlanden, Norwegen und in geringeren Mengen aus der britischen und dänischen Nordsee bezogen. Erdgas sei ausreichend vorhanden – die Ursache für eine mögliche Gasunterversorgung ortet Kusterer in der zu verbessernden Infrastruktur. »Preisunterschiede in verschiedenen Märkten können Probleme verschärfen. Innerstaatliche Engpässe lassen sich durch kleine Investitionen und Netzergänzungen lösen. Und es braucht ein klares Bekenntnis zum Binnenmarkt«, fordert der Experte. »Nationale und subnationale Interessen dürfen nicht dominieren.« In der Ukraine-Russland-Krise sieht er keine dauerhafte Gefahr für den Gastransit. »Der russische Staatshaushalt ist abhängig von der Förderung von Öl, Nebenprodukten wie Gaskondensaten sowie Erdgas. Das Land kann sein Pipeline gas nur nach Europa liefern. Russland hat bisher keinen anderen Absatzmarkt.« Die Ukraine verliere als Transitland weiter an Bedeutung. »Die aktuelle Transitmenge ist heute nur mehr halb so groß wie früher und das existierende Transportsystem erfordert umfassende Investitionen.« Die Transportkapazität der Nordstream sei dagegen noch lange nicht ausgeschöpft.
Gasmarkt Österreich
Auch in Österreich ist die Erdgas-Situation entspannt. Durch die Liberalisierung des Energiemarkts im Jahr 2001 wurden die Bereiche Netz und Lieferung getrennt. Die Infrastruktur bildet einen Monopolmarkt – die Gaslieferung unterliegt dem freien Wettbewerb. Über 30 Gaslieferanten, darunter Alpiq, BP Gas, Eni Gas, Gazprom und Nexen Energy sorgen für volle Speicher. Mit einer Länge von rund 2.000 km kann sich der österreichische Erdgashighway mit dem gesamten Autobahn- und Schnellstraßennetz messen. Das Tor zu Österreichs Gasleitungsnetz bildet der Erdgas-Hub Baumgarten. Von hier verlaufen Leitungssysteme wie WAG, HAG und TAG in alle Richtungen. Seit kurzem wird der österreichische Gasmarkt auch durch die Gasversorgung Süddeutschland bedient. Den österreichischen Kunden steht das ganze Leistungsspektrum der GVS zur Verfügung. Dazu zählen neben Erdgasprodukten in Form von etwa strukturierter Lieferung, flexibler Bänder und Temperaturbindung ebenfalls Serviceleistungen wie Portfoliomanagement, Lastprognosen, virtuelle Speicher und Bilanzkreismanagement. Portfoliomanager stehen den Kunden zur Seite. "Unter der Berücksichtigung der individuellen Anforderungen untersuchen wir das Bezugs- und Absatzportfolio, legen gemeinsam mit den Kunden den Beschaffungsrahmen für den Bedarf fest und analysieren Risiken und Potenziale", informiert Kusterer.
Gas-Euro
Die Ergänzung des reinen Erdgasgeschäftes um ein umfangreiches Serviceportfolio ist laut Gasversorgung Süddeutschland erfolgsentscheidend in der Energiebranche. Zwischenhändler könnten in Frage gestellt werden, wenn sie nicht ihr Know-how teilen. Größere Volumen und erhöhte Flexibilität verknüpft mit Marktkenntnissen können zum Wohle der Kunden eingebracht werden. "Gas fließt immer entlang des Preisgefälles. Es ist daher überlebenswichtig, den Gasmarkt laufend zu beobachten, um einen Überblick zu erhalten", zeigt Helmut Kusterer auf. Im Spot LNG dominiert Gas-zu-Gas-Wettbewerb: Das erfordert eine durchgehende Beobachtung des Marktes. Dafür gebe es drei Möglichkeiten. "Großbetriebe erledigen diesen Gas-View in der Regel selbst, kleinere schließen sich zu größeren Einheiten zusammen oder lagern diese Tätigkeit aus, zum Beispiel an uns."
Marktwandel
Bis 2016 will Brüssel laut E-Control ein umfassendes Paket zur Diversifikation der europäischen Gasversorgung entwickeln und damit die Gasversorgung auf stabilere Beine stellen. Angestrebt werden rasche Verhandlungen über Gaslieferungen aus Aserbaidschan und Turkmenistan. Bei LNG wird Australien Qatar als treibende Kraft ablösen. Große Gasvorkommen, die in den 80er- und 90er-Jahren entdeckt wurden, gehen jetzt in die Förderung. LNG wird tieftemperaturverflüssigt auf minus 164 bis minus 161 Grad Celsius abgekühlt.