In der Industrie 4.0 verschmelzen reale und virtuelle Welten: Maschinen entscheiden autonom, Geräte kommunizieren untereinander, Anlagen und Werkzeuge können an wechselnde Produkt- oder Produktionswünsche angepasst werden. Welche Chancen tun sich mit der Vernetzung von Maschinen im Verkehr, in Gebäuden und Anlagen auf – insbesondere in der produzierenden Industrie? Und wie steht es dazu mit der Sicherheit? Am 27. April diskutierten hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Politik. Knapp 100 Besucherinnen und Besucher waren zum Podiumsgespräch des Report Verlag gekommen, das bei Henkel im 3. Bezirk in Wien stattfand.
„Industrie 4.0 bedeutet für mich die radikale Veränderung von Geschäftsprozessen und Geschäftsmodellen zur Steigerung der Flexibilität, der Individualisierung, Servicequalität und Kundenorientierung bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität“, definiert Walter Oberreiter, Business Strategy Consultant CSC. Er sieht große Herausforderungen gerade im Bereich der Sicherheit. Hier seien entsprechend sichere Systeme nötig ebenso wie das Vertrauen und die Wahl des richtigen Lösungspartners. Oberreiter beobachtet einen Trend zur Serviceorientierung: Produkte werden zunehmend durch Dienstleistungen ersetzt.
Bei der Verknüpfung von IT und Maschinentechnik ist für Josef Kranawetter, Geschäftsführer Weidmüller, „wichtig, alle Verantwortlichen an einen Tisch zu bringen – bis hin zum Management. Es geht dabei um eine einzige Frage: ‚Was möchte ich von meiner Maschine wissen?’“ Doch nicht jeder Prozess muss Kranawetter zufolge auch in einer Netzwerkkommunikation abgebildet werden. „Sicherheit beginnt dort, wo man festhält, welche Daten überhaupt kommuniziert werden“, appelliert er. „Wir brauchen heute eine Informationsstruktur, in der SAP oder andere ERP-Software direkt mit den Sensoren an den Maschinen spricht und etwa Energiewerte dem produzierten Stück direkt zurechnet.“
„Wir können an unserem Standort nur bestehen, wenn wir unsere Prozesse beherrschen und diese Veränderungen selbst steuern“, betont Alfred Smyrek, Werksleiter Wien, Henkel Central Eastern Europe. Sämtliche Anlagen und die gesamte Produktion bei Henkel laufen verkettet ab - inklusive Lager- und Transportprozesse. Dazu ist ein hoher Automatisierungsgrad wichtig, denn Stehzeit kostet ebenfalls viel Geld. „Wir befinden uns bereits mitten im Wandel und definieren heute die Anforderungen an die Ausbildung jener Fachkräfte, die wir in ein paar Jahren suchen werden.“
„Die Entwicklung der Automatisierung und Vernetzung findet sicher statt. Österreich kann sich dem nicht entziehen. Wenn wir es nicht machen – die anderen tun dies sicher“, ist Andreas Reichhardt, Leiter der Sektion III Innovation und Telekommunikation im bmvit, überzeugt. „Wenn es uns gelingt, die Maßanfertigung zum Preis des Massenproduktes zu ermöglichen, haben Unternehmen enorme Wettbewerbsvorteile. Damit sichern wir den Produktionsstandort Österreich ab – das bedeutet Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Wohlstand.“ Er weist auf Förder- und Infrastrukturprogramme hin, die den Untergrund für Innovation in Österreich schaffen.
„Alles, was eine Maschine alleine machen kann, muss an sie ausgelagert werden können. Dazu sollte der Maschinenpark in den Unternehmen natürlich auf dem neuesten Stand gehalten werden“, betont Verena Majer, Geschäftsführerin Dr. Majer Maschinenbau. Viele Tätigkeiten, die vor wenigen Jahren noch manuell durchgeführt wurden, werden heute von Maschinen übernommen – dies sei auch eine Kostenfrage und Frage der Schnelligkeit. Eine große Herausforderung sind kürzere Durchlaufzeiten und kleinere Zeitfenster in der Produktion. Vorteil eines KMU sei allerdings immer noch, dass trotzdem nicht alles automatisiert abläuft und vieles flexibel auf Zuruf funktioniert. „Gerade Losgröße eins war immer ein Vorteil der Kleineren“, so Majer.
Wolfgang Honold, Ansprechpartner für SAP-Software in der Getzner Gruppe: „Jeder muss in seinem Bereich und in seiner Branche fachübergreifend neue Möglichkeiten und Ideen finden. Informationstechnologie alleine liefert nicht die Antwort.“ Zur Sicherheitsdebatte meint Honold, der auch Vorstand der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) für Österreich ist: „Aus Angst gestorben ist auch tot. Wenn ich mir vorstelle, das wir wieder mit Blaupausen arbeiten müssten – das wäre sicherer, aber wohl heute nicht mehr durchführbar.“
Der vollständige Nachbericht erscheint in der Mai-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Report (+) Plus. Partner des Publikumsgesprächs waren Weidmüller, CSC und Henkel.
Fotos zum Podiumsgespräch unter https://www.flickr.com/photos/award2008/sets/72157651852846049/
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