Was tut sich derzeit am Markt? Die Russlandkrise scheint überwunden, die Gaspreise sind auf einen guten Niveau.
Es wird wohl beides sein – das bis in den November milde Wetter und ein verbessertes Klima zwischen Russland und Ukraine. Laut Berechnungen der Österreichischen Energieagentur zeigte der Gaspreisindex (ÖGPI) im November eine anhaltend stabile Entwicklung gegenüber dem Vormonat. Der Index stieg gegenüber Oktober nur leicht an (+ 0,2 %). Im Vergleich zu November 2013 ging er sogar um 0,4 % zurück. Nach einem leichten Aufschwung im Frühjahr erreichte der ÖGPI – gemessen am Preisniveau 2006 (100 Punkte) mit 135,91 Punkten im April einen vorzeitigen Höchststand. Er lag zuletzt bei 132,87 Punkten im November. »Die österreichische Erdgaswirtschaft begrüßt das Verhandlungsergebnis zwischen Russland und der Ukraine zur Wiederaufnahme von Gaslieferungen«, kommentiert auch Michael Mock, Geschäftsführer des Fachverbands der Gas- und Wärmeunternehmungen, die jüngsten internationalen Entwicklungen. Mock lobt die gute bilaterale Zusammenarbeit zwischen österreichischen Abnehmern und den russischen Vertragspartnern. »Die russischen Gaslieferungen nach Österreich zeichnen sich durch fast 50 Jahre gute Partnerschaft und Zuverlässigkeit aus.« Die Ukraine-Russland-Krise im Hinterkopf füllten die Unternehmen die heimischen Gasspeicher verstärkt auf. Von den Speicherkapazitäten in der Größenordnung von rund 8,1 Milliarden m3 werden aktuell rund 2,4 Mrd. von der OMV und etwa 5,7 Mrd. m3 von der RAG Rohöl-Aufsuchungs AG, einem Tochterunternehmen der EVN, eingespeichert. Der Füllstand lag mit Stichtag 1. November bei mehr als 92 % oder gut 7,45 Mrd. m3. Das entspricht rund 85 % des österreichischen Jahresbedarfs. Zu den größten Einspeicherern zählen auch E.ON und Gazprom, welche die Speicherstandorte 7Fields in Oberösterreich und Salzburg sowie Haidach nutzen. Es ist eine prominente Runde, die aber auch größer sein könnte, heißt es aus dem Markt. »Alle anderen leisten sich die Einspeicherung einfach nicht«, spricht ein Insider von einer »Zockermentalität«, die mitunter in Österreich herrschen würde. Denn: Verglichen mit den Preisen am Spotmarkt fallen für eingespeichertes Gas Mehrkosten von 20 bis 30 % an. Manches Unternehmen am heimischen Markt würde demnach dieses Geschäftsrisiko auf jene abwälzen, die eben einspeichern. Diese können bei Knappheit ihre Ressourcen zwar gewinnbringend am Markt absetzen, dennoch bleibt das Risiko. Als »sehr schwierig für den Gashandel« bezeichnet auch ein ungenannt bleibender Händler eines international tätigen Unternehmens die aktuelle Marktlage. Die immer geringeren Margen würden im Preiskampf um die Unternehmenskunden generell das Geschäft verschärfen.
Weiterhin Faktor
Allen Energiewendeprognosen zum Trotz wird der Einsatz von Erdgas in Europa in den nächsten Jahren weiter wachsen. Wiener-Stadtwerke-Vorstandsdirektor Marc Hall sprach bei der 20. Euroforum Jahrestagung »erdgas 2014« Anfang November in Berlin. »Erdgas wird als sauberste fossile Energiequelle als Komplementär der erneuerbaren Energien zu Lasten von Öl und Kohle in Europa noch wichtiger werden. Die Produktion innerhalb der EU geht freilich zurück, auch Norwegen hat sein Produktionsplateau bereits erreicht«, so Hall. »Der damit absehbaren höheren Importabhängigkeit sollte durch Stabilisierung der bestehenden Bezugsquellen und einer weiteren Diversifikation von Quellen und Transportrouten entgegengetreten werden.« Die Potenziale von in Europa kritisch beäugtem Schiefergas seien eindeutig begrenzt. So werden sich auch die Versorgung mit verflüssigtem Erdgas (LNG) im Wesentlichen auf die bisherigen Importländer UK, Spanien und Frankreich konzentrieren. Als substituierende Quelle für den Kontinent kommen sie aufgrund der Menge und der globalen Konkurrenz, vor allem mit Asien, nicht in Frage. Hall betonte die besondere Rolle Österreichs als Erdgasdrehscheibe. Die geplante Leitungsverbindung South Stream, die in Österreich enden soll, wäre geeignet, sowohl russisches Gas als auch Mengen aus alternativen Quellen wie dem Kaukasus oder den Golfstaaten aufzunehmen.
Stillstand erzeugt
Auch anlässlich einer Energiekonferenz von Deloitte Mitte Oktober standen die Entwicklungen auf den globalen Märkten im Fokus. Fazit: Die Energiewende findet mittlerweile auf der ganzen Welt statt – allerdings mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten. »Was der europäische Energiemarkt am dringendsten braucht, ist frischer Wind durch Investitionen«, bestätigt auch Gerhard Marterbauer, Leiter Industry Line Energy & Resources bei Deloitte. »Die USA beobachten ganz genau, was im europäischen Energiesystem funktioniert und was nicht. Der amerikanische Energiemarkt ist von einer höheren Diversifikation gekennzeichnet: Die traditionellen Energieversorger haben es verstanden, sich mit innovativen Services in Stellung zu bringen.« Für den Experten hat vor allem das Fördersystem bei erneuerbaren Energien »die Marktmechanismen in Europa außer Kraft gesetzt und de facto einen Stillstand erzeugt«.
Wechselwillig
Etwas mehr Bewegung ist in die Wechselbereitschaft der österreichischen Haushalte und Unternehmen im Erdgasbezug gekommen. Laut E-Control haben sich rund 54.500 Kunden, darunter 51.000 Haushalte, einen neuen Gaslieferanten gesucht. Das entspricht einer Wechselrate von 4 %. Im Vorjahr hatten bis Ende September noch 1,7 % ihrem Gaslieferanten den Rücken gekehrt. »Nie zuvor haben sich so viele Österreicher für einen neuen Strom- und Gaslieferanten entschieden«, heißt es bei der Regulierungsbehörde.