Schiefergas galt die längste Zeit als relativ CO2-freundliche Energiealternative. Inzwischen bezeichnen Umweltforscher dies allerdings als Irrtum.
Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, ist Vorsicht geboten – eine Binsenweisheit, die sich auch beim Thema Schiefergas immer mehr zur traurigen Gewissheit verdichtet. Wir erinnern uns: In Zeiten düsterer Klimawandelprognosen und Peak-Oil-Sorgen erschien vielen die plötzlich technisch machbare Gewinnung von Erdgas aus tiefliegenden Schieferlagerstätten durch die Hochdruckeinleitung von Flüssigkeit und Chemikalien – das sogenannte Fracking – als Lösung aller Energiesorgen. Immerhin entsteht bei der Verbrennung von Erdgas nur halb so viel CO2 wie bei jener von Kohle, die zunehmend, vor allem in Zeiten sich verknappender Ölreserven und der Abkehr von Atomkraft, zur Energiegewinnung verwendet wurde.
Mit Fracking, so jubelten vor allem US-Energiebranche und -Politik, könnte man gleich mehrere Probleme auf einmal lösen: Die Lagerstätten auf dem nordamerikanischen Kontinent seien gewaltig und verringerten die Abhängigkeit von politisch instabilen Ölförderstaaten im Mittleren Osten, die zaghaft geäußerten Umweltbedenken wurden in den dünn besiedelten und ohnedies wenig umweltbewussten Vereinigten Staaten vom Tisch gewischt und auch die CO2-Bilanz – so die Existenz des von Menschen verursachten Klimawandels denn überhaupt ernstgenommen wurde – ließe sich durch Schiefergas verbessern, wie die freudestrahlenden Proponenten des US-Fracking-Booms behaupteten.
Neuer Goldrausch
Die Folge war eine Art neuer Goldrausch – ein beispielloser Boom, der die gesamte US-Fracking-Industrie bis auf gefährliche Größe aufblies. Kritiker wie die Geologen Art Berman und David Hughes warnen schon längst vor heillos unrealistischen Gewinnversprechen und prophezeiten dem boomenden Business einen ähnlichen Untergang wie dem ebenfalls zuvor einmal profitablen US-Immobilienzweig. Im Rest der Welt waren es vor allem umweltpolitische Bedenken, die die Energieunternehmen vom Run auf die Schiefergaslagerstätten abhielten – zu Recht, wie nun aktuelle Forschungen untermauern.
Ausgerechnet US-Forscher haben nun nämlich nachgewiesen, dass einer der bislang unumstrittenen Vorteile von Schiefergas schlicht ein Missverständnis sein könnte: Tom Wigley vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, schließt in einer aktuellen Studie, dass durch den massiven Austritt des enorm klimaschädlichen Gases Methan aus den ausgebeuteten Schiefergaslagerstätten jeder positive CO2-Effekt gegenüber Kohle zunichte gemacht würde. Mehr noch: Anderen Forschern zufolge bestünde die reale Gefahr, dass die nach dem Fracking versiegelten Schiefergasabbaustätten nach dem Verwittern des dafür benutzten Betons – in etwa nach 50 bis 100 Jahren – beginnen könnten, unkontrolliert das Treibhausgas Methan abzugeben; eine Tatsache, die im laufenden Goldrausch sträflich ignoriert würde.
Man sieht: Die im Fracking von vielen herbeifantasierte Energierevolution hat mehr Schönheitsfehler als ohnedies befürchtet. Hoffentlich stellt sich diese vermeintlich einfache Lösung für die komplexen Probleme des Klimawandels und der Energieversorgung nicht als Bumerang heraus.