Mittwoch, Februar 05, 2025

''Ob die Einhaltung der Zertifizierungsstandards auch zu einer Verbesserung des Gebäudes führt, ist aus Sicht des Facility Managers schwer zu beantworten. Da fehlen die Erfahrungswert'', sagt Gerhard Schenk.Gerhard Schenk, HSG Zander, im Interview. Der Geschäftsführer des Facility-Management-Spezialisten spricht über gefährliche Preistreibereien, die Auswirkung von Gebäudezertifikaten auf den Betrieb und ehrenrührige Ausschreibungen.

(+) plus: Mit welchem Gefühl blickt HSG Zander auf das abgelaufene Jahr zurück?

Gerhard Schenk: Ich blicke mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf 2011. Das Geschäft ist absolut zufriedenstellend verlaufen, aber es wird immer schwieriger, an neue Aufträge zu kommen. Es gibt Entwicklungen, die wirtschaftlich einfach nicht mehr nachvollziehbar sind. Es werden Leistungen versprochen, die zu dem angebotenen Preis nicht realisierbar sind. Das sind Spiele, auf die man sich als verantwortungsvolles Unternehmen nicht einlassen kann.

(+) plus: Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Schenk: Einerseits gibt es viele Fake-Ausschreibungen, bei denen von vornherein feststeht, wer den Zuschlag bekommen soll. Das kennt man ja in Österreich. Andere Ausschreibungen kommen mit dem Passus, dass der Auftraggeber den Leistungsumfang jederzeit abändern kann, ohne das Entgelt anzupassen. Wir haben im letzten Jahr Ausschreibungen erlebt, auch bei durchaus bekannten Objekten und seriösen Eigentümern, die man eigentlich nur noch als ehrenrührig bezeichnen kann. Wir haben Partiestunden inklusive Auto um 100 Euro angeboten und wurden von namhaften Mitbewerbern um 50 Prozent unterboten. Das ist absurd.

(+) plus: Was sind die Folgen dieser Preistreiberei?

Schenk: Leistungen werden nicht erfüllt. Wenn ich nur jedes zweite Mal zum Kunden fahre und meinen Auftrag erfülle, dann lässt sich auch das um 50 Prozent günstigere Angebot darstellen. Aber das kann ja nicht im Sinne des Kunden sein. Selbst wenn man den Sachbeweis führt, interessiert das keinen. Es zählt nur das, was unterm Strich steht. Und das Risiko sollen die FM-Anbieter auch noch tragen. Bei einem nicht unbekannten Bürogebäude in Wien soll laut Vertrag die fest gelegte FM-Leistung nur dann zur Gänze bezahlt werden, wenn das Objekt auch komplett vermietet ist. Wenn nicht, müssten wir zwar dieselbe Leistung erbringen, aber für deutlich weniger Geld.

(+) plus: Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Wie geht es Ihrer Branche bei der Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeitern?

Schenk: Es war in der Vergangenheit teilweise sehr schlimm, jetzt geht es wieder ein wenig besser. Wir versuchen, doch sehr hochwertig zu besetzen. Das ist nicht immer leicht. Da muss man viele wieder heim schicken.

(+) plus: Sie haben immer wieder die fehlende Beteiligung von FM-Anbietern im Planungsprozess kritisiert. Initiativen wie die IG Lebenszyklus Hochbau wollen genau dieses Manko beheben und Bauvorhaben ganzheitlich betrachten. Warum ist HSG Zander nicht Mitglied dieser Initiative?

Schenk: Initiativen wie die IG Lebenszyklus Hochbau sind sicher eine gute Sache und in der jetzigen Konstellation auch ausgewogen. Wir wurden auch gefragt, ob wir dabei sein wollen. Nachdem wir aber im direkten Konkurrenzverhältnis mit anderen Mitgliedern stehen, hätte das wahrscheinlich eher störenden als fördernden Charakter. Außerdem denke ich, dass all diese Initiativen nur dann sinnvoll sind, wenn es um ein konkretes Projekt geht, denn dann kann ich auch den Mieter mit an Bord nehmen.  

(+) plus:
Gebäudezertifizierungen sind ein absolutes Boomthema der letzten Jahre. Zu Recht?

Schenk: Ich denke schon. Diese Entwicklung ist absolut begrüßenswert und ein Beleg für die intensive, ganzheitliche Auseinandersetzung mit Gebäuden, vor allem in Hinblick auf die Dokumentation. Für den Erwerb dieser Zertifikate brauche ich eine lückenlose, tiefgehende Dokumentation, und die kann nie schaden. Wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht in ein ähnliches Dilemma wie mit dem Energieausweis schlittern. Das geht nur über die Qualität der Zertifizierer. Es muss jedem bewusst sein, dass eine Zertifizierung Geld kostet. Es darf nicht passieren, dass plötzlich auch unqualifizierte Unternehmen Zertifizierungen anbieten, die man im schlimmsten Fall einfach aus dem Internet beziehen kann. Dann kommt es zu einer Verwässerung und Entwertung. Und davor warne ich.

(+) plus: Hat die Zertifizierung eines Gebäudes konkrete Auswirkungen auf das Facility Management?

Schenk: Ein großer Vorteil ist wie bereits erwähnt die gute Dokumentation. Ob die Einhaltung der Zertifizierungsstandards auch zu einer Verbesserung des Gebäudes führt, ist aus Sicht des Facility Managers nur schwer zu beantworten. Da fehlen einfach noch die Erfahrungswerte. Ich weiß auch von zertifizierten Gebäuden mit einer, vorsichtig ausgedrückt, verbesserungswürdigen Haustechnik.

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