Der Strommarkt ist weiterhin Verwerfungen ausgesetzt. In Unternehmen sind nun Weitblick und eine kluge Einkaufspolitik gefragt, um Kosten zu minimieren.
Text: Martin Szelgrad
Die Energiepreis-Rallye der letzten Jahre ist vorläufig zu Ende. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges stiegen die Energiekosten stark an und sind mitverantwortlich für die immer noch hohe Inflation im Euroraum. Inzwischen haben sich die Preise aber etwas beruhigt . Das historisch niedrige Niveau von Öl und Gas – und eng damit verbunden auch Strom – wird trotzdem nicht in absehbarer Zukunft erreicht werden, sind sich Expert*innen einig.
Mit Blick auf den aufflammenden Krisenherd im Nahen Osten ist wieder Vorsicht angebracht. Neben dem Krieg Russlands könnte dies der nächste geopolitische Hebel auch für wieder steigende Energiepreise werden. Aus Sicht des Stromverbrauchs gilt nun, kräftig in Energiemaßnahmen zu investieren – wer kann, mit einer PV-Anlage am Dach oder mit Effizienzhebeln in Gebäuden und Anlagen – oder sich in der Beschaffung an Energiemärkten abzusichern.
Branchenprimus
Welche Trends sind nun im Einkauf Strom bei gewerblichen Kunden zu beobachten? Welche Modelle sind besonders gefragt? Bei Kunden im Bereich kleine und mittlere Unternehmen beobachtet man bei der EnergieAllianz Austria, dem größtem Energievertrieb für Strom und Erdgas in Österreich, aktuell vor allem einen Wunsch nach Spotprodukten mit Preisfixierung, dem sogenannten Cap.
»Gewerbliche Kunden können mit diesem Modell von günstigen Spotpreisen profitieren, aber gleichzeitig ihre Kosten durch eine Preisobergrenze begrenzen, um sich vor plötzlichen Preisschwankungen zu schützen«, sagt Geschäftsführer Thomas Pucharski, verantwortlich für den Vertrieb der EAA. »Bei den Spotpreismodellen nutzen Kundinnen und Kunden unsere Markterfahrung und profitieren von den Entwicklungen an der Börse«, so Pucharski weiter. Trotzdem seien für gewerbliche Kunden, die sich mit dem Energiemarkt nicht beschäftigen möchten, auch Fixpreismodelle von Interesse. »Die Kundin oder der Kunde muss sich hier nicht mehr über die Strombelieferung den Kopf zerbrechen«, betont er. Unternehmen haben so einen geringeren Aufwand beim Energieeinkauf, eine einfachere Preisstruktur und eine hohe Planungssicherheit.
Der EnergieAllianz-Geschäftsführer erwartet, dass in den kommenden Monaten der Markt für Terminprodukte an den Energiebörsen tendenziell noch volatiler wird. »Die Erzeuger werden kleinteiliger, zum anderen entwickeln sich die Marktregeln für erneuerbare Einspeiser ständig weiter. Dies führt dazu, dass der Markt vor allem mittelfristig stärker von Einzelereignissen und Nachrichtenmeldungen als von Fundamentalfaktoren beeinflusst wird«, so Pucharski. Noch reagiert der Markt aufgrund von Rezessionsängsten mit eher sinkenden Preisen. Doch könne die nächste Agenturmeldung über eine Entspannung in einem der herrschenden Konflikte oder über ein staatliches Hilfsprogramm den Trend sofort umkehren.
Aufsteiger
Stromversorgung direkt aus österreichischen Kraftwerken, vom Erzeuger für Verbraucher. Mit einem neuen Stromprodukt von »Power To The People« können sich Haushalte und vor allem kleinere Unternehmen gegen Preisschwankungen am Markt absichern, indem sie fixe Tarife für ins Netz eingespeisten PV-Strom bekommen, oder diesen zu einem wettbewerbsfähigen Preis direkt von Erzeugern in Österreich beziehen. Ein Aufsteiger des immer noch jungen Modells der Direktvermarktung ist das Unternehmen Nobilegroup mit Sitz in Wien. »Wir richten uns damit an alle Stromverbraucher und Stromproduzenten aus Österreich, auch an Unternehmen unabhängig von der Größe oder Struktur«, betont Gründerin und CEO Lorena Skiljan.
Kerngeschäft des Unternehmens, das Skiljan gemeinsam mit Peter Gönitzer, Ex-CFO bei Wien Energie gegründet hat, ist eigentlich die Beratung und Umsetzung von Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften. Mit dem Stromprodukt wollen die beiden eine Lücke in Österreich schließen: die Einspeisung von PV-Anlagen ins Netz wird von der Oemag derzeit nur mit 9 Cent pro kWh vergütet, Energieversorgungsunternehmen nehmen den Überschuss mit sogar nur 6 bis 7 Cent ab. Mit einem Vertrag mit Power To The People erhalten Einspeiser 12 Cent, die Verbraucher zahlen netto 16 Cent. »Das ist immer noch weit unter den Endkundentarifen der Großen«, argumentiert die Energieexpertin. Das Produkt richtet sich auch an jene, die sich nicht auf »die billigen Herkunftsnachweise aus Norwegen für grünen Strom verlassen, sondern grünen Strom in dieser Qualität erhalten wollen«, so Lorena Skiljan. »Die Preise an den Großhandelsmärkten sind bereits deutlich gefallen. Diese Marktentwicklungen werden allerdings sehr langsam an die Kund*innen weitergegeben.«
Die Neuen am Markt
Wer ist im vergangenen Halbjahr neu auf den heimischen Strommarkt gekommen?
solide | smart | lokal |
Die Maxenergy Austria Handels GmbH hat »Auri« und |
Mit der Produktfamilie »smartEnergy« prescht die Energie Steiermark mit flexiblen Preisen für Smart-Meter-Kunden vor. Die Stromtarife basieren auf dem Prinzip »time of use«, bei dem verschiedene Preiszonen angewendet werden (Tarif »smartTimes«). An Pendler*innen und Wochenendhausbesitzer*innen richtet sich »smartWeekend«, mit »smartNight« gibt es zu den Nachtstunden besonders günstigen Strom. |
Mit »Power To The People« bezieht der jüngste der neuen Anbieter, die Nobilegroup, den Strom nicht vom Großhandelsmarkt, sondern vertraglich direkt von Erzeugern von grünem Strom. Durch den Wegfall der Handelsebene möchte man auch Unternehmen ein echtes nachhaltiges Energieprodukt zu einem leistbaren Preis auf kurzem Weg bieten. |
Strom zum besten Preis
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