Die Energiewende muss an Tempo zulegen. Der Bau neuer Windräder und Solaranlagen allein wird nicht reichen, auch das Stromnetz muss effizienter werden. Software eröffnet dabei eine neue Dimension.
Der Druck auf das gesamte Energiesystem wächst enorm. Zum einen muss die Produktion dekarbonisiert werden, zum anderen nimmt die Nachfrage nach elektrischer Energie stärker zu als lange Zeit gedacht. Das Heizen, der Verkehr, die Industrie – alles stellt auf Strom als Energiequelle um. Was dabei viel zu wenig beachtet wird: Die Stromnetze sind zum Teil nicht nur veraltet, sondern auch nicht in der Lage, die Masse an neuen Anforderungen und Bedürfnissen zu erfüllen. Der Neubau von Leitungen stößt in weiten Teilen Europas auf massiven Widerstand in der Bevölkerung. Bis zusätzliche Infrastruktur errichtet werden kann, vergehen viele Jahre – Zeit, in der der Klimawandel voranschreitet.
Strombedarf nimmt rasant zu
Laut einer Studie von McKinsey wird die weltweite Stromnachfrage aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung bis 2050 auf das Dreifache des aktuellen Niveaus steigen. Dazu trägt zum einen der Anstieg der Zahl der Elektrofahrzeuge bei, die sich der Prognose der McKinsey-Experten zufolge in diesem Zeitraum verdreizehnfachen dürfte. In Europa sollen bis 2030 rund 40 bis 50 Millionen zusätzliche Wärmepumpen installiert werden. Das alles hat laut Studie zur Folge, dass sich die Anzahl der Netzanschlussanfragen in den nächsten Jahren um das Fünf- bis Achtfache erhöhen. Der Großteil dieser Entwicklung betrifft die Verteilnetzebene, die damit an ihre Grenzen stößt.
Die Netzbetreiber stehen nun vor dem Problem, die Anschlussmöglichkeiten rasch zu erweitern, ohne viele neue Leitungen zu bauen. Ihre Aufgabe ist es aber, das Netz stabil zu halten. Und all das mit begrenzten Ressourcen. Das Netz kann also zum Flaschenhals der Energiewende werden. »Es kann aber auch zum Wegbegleiter hin zu Netto-Null werden«, sagt Sabine Erlinghagen, CEO von Siemens Grid Software.
Digitalisierung als Lösung
Ein Ausweg aus der Zwickmühle, in der die Energiebranche steckt, heißt Digitalisierung. Der zweite heißt Kooperation. »Die Branche versteht allmählich, dass ein Gegeneinander in der Transformation zu NetZero nichts bringt«, ist die Expertin überzeugt. »Wir arbeiten mit den verschiedensten Teilnehmern zusammen, um kompatible Lösungen zu finden.« Um den Austausch innerhalb der Energiebranche zu intensivieren, haben sich an die 140 Stromnetz-Unternehmen Mitte Juni auf der Cired-Konferenz in Rom getroffen. Zentrales Thema: Wie kann Digitalisierung die CO2-freie Zukunft der Elektrizitätswirtschaft unterstützen?
»Das kann funktionieren«, betont Erlinghagen. Mit geeigneter Software könnten die Kapazitäten der bestehenden Elektrizitätsinfrastruktur schnell erhöht werden. Siemens hat dafür die Software LV Insights X auf den Markt gebracht (s. Interview mit Sabine Erlinghagen) Energieversorger könnten damit die Niederspannungsnetze aktiv managen und so die Transformation der Energiesysteme beschleunigen. Die Stromversorger könnten mit der Software die Ausfallszeiten reduzieren und die Arbeitsabläufe optimieren. Sie könnten Datensilos zwischen Abteilungen, Stakeholdern und Systemen aufbrechen und damit den Aufwand für Datenhandling um bis zu 80 Prozent verringern, lobt Siemens die Vorteile der Software bei der Präsentation von LV Insights X.
Aus Daten aus unterschiedlichen Quellen wie geografischen Info-Systemen (GOS), Zählerdatenmanagementsystemen und Advanced Distribution Management Systemen könne rasch ein digitaler Zwilling des Netzes erstellt werden. Über eine entsprechend gestaltete grafische Oberfläche sei es damit möglich, zeitnah den Netzzustand zu überwachen. LV Insigths X wird von Siemens als Software-as-a-Service (SaaS) angeboten.