Mit den Preisausschlägen im Vorjahr ist die Konzentration am Strommarkt wieder gestiegen, heißt es in einer Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde und der E-Control. Die Landesenergieversorger haben sich mit Endkundenangeboten vielfach auf „ihre“ Netzgebiete zurückgezogen – trotz der regulierten Entkoppelung des Netzgeschäfts.
Der funktionierende Wettbewerb der Energiemärkte in Österreich (Liberalisierung im Jahr 2001 bei Strom, 2002 des Gasmarktes) ist im vergangenen Jahr „völlig ins Wanken gekommen“, konstatiert die Bundeswettbewerbsbehörde. „Gegen Ende des Jahres 2021 sind die Energiepreise stark gestiegen, was sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar noch weiter verschärft hat. Insbesondere die steigende Marktkonzentration bereitet Sorgen, da es die derzeitige Krisensituation noch befeuert“, erklärt die Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde Natalie Harsdorf-Borsch. Unternehmen haben sich – zum Teil temporär – aus dem Markt zurückgezogen oder auf das eigene Versorgungsgebiet beschränkt, die Preise sind noch weiter gestiegen, Verträge wurden gekündigt oder mit deutlich höheren Preisen neu angeboten.
In einer gemeinsamen Taskforce mit der Regulierungsbehörde E-Control wird nun die Situation auf den Strom- und Gasmärkten aus Sicht der Kundengruppen Haushalte und kleinere Betriebe geprüft. Erste Ergebnisse hätten bereits „sehr auffällige Ergebnisse“ gezeigt, so Harsdorf-Borsch. Mit dem Rückzug vor allem der großen Energielieferanten, der Landesenergieversorger, auf ihre Netzgebiete – in der Regel ein bis zwei Bundesländer – wurde ein deutlicher Anstieg der Marktkonzentration gemessen. Besonders deutlich zeigt sich dies in Niederösterreich, Burgenland, Salzburg, Tirol und Vorarlberg. Spitzenreiter sind die westlichen Bundesländer, die mit einem sehr hohen Marktanteil des jeweiligen Incumbent herausstechen (illwerke vkw 98,7 % Marktanteil im Gebiet von Vorarlberg Netz, Tiwag 91,6 % bei Tinetz, Salzburg AG 90,6 % bei Salzburg Netz).
Ein Anbieterwechsel hat sich aufgrund der hohen Preise im letzten Jahr nahezu nirgendwo rentiert. Das schlug sich in verringerten Wechselzahlen nieder. Diese lagen 2022 bei 2,2 % bei Strom und bei 4 % bei Gas – in der Regel aufgrund von Kündigungen durch Anbieter oder Rückzug von Unternehmen aus dem Markt. Im Jahr davor lag die Wechselrate bei Strom noch bei 4,2 Prozent und bei Gas bei 5,6 Prozent.
„Fehlender Wettbewerb bringt in vielerlei Hinsicht Nachteile für Konsument*innen. Dazu zählt unter anderem, dass sinkende Preise am Großhandelsmarkt nicht in vollem Umfang und nur zeitverzögert an die Endkund*innen weitergegeben werden“, erläutert der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch. 2022 kam es preislich zu extremen Spreizungen zwischen Neukund*innen und langjährigen Bestandskund*innen.
„In vielen Fällen ist es zu einer – für die Kund*innen willkürlich anmutenden – Ungleichbehandlung gekommen. Unter anderem wurde nach Regionen, Kundengruppen oder eben nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unterschieden“, kritisiert Urbantschitsch. Analysen im Rahmen der Taskforce haben gezeigt, dass die Preise für Bestandskund*innen bei Strom und Gas weitgehend im Rahmen der Großhandelspreisänderungen angehoben wurden. „Auffallend und ärgerlich ist allerdings, dass im Vergleich dazu die Strompreise für Neukund*innen vielfach überproportional angehoben wurden. Außerdem bleiben die Preise für Neukund*innen bei den untersuchten angestammten Unternehmen weiterhin auf einem stark erhöhten und nicht den Großhandelspreisen entsprechenden Niveau. Diese Unternehmen treten offenbar noch nicht oder zumindest kaum unmittelbar in einen Preiswettbewerb, denn gleichzeitig sinken die Preise für verfügbare Neukundenangebote im Gesamtmarkt bereits laufend“, analysiert Urbantschitsch.
„Man hat auch gesehen, dass der Stromkostenzuschuss (Anm. Strompreisbremse) Auswirkungen auf die Preisgestaltung bei einigen Lieferanten hatte“, führt Natalie Harsdorf-Borsch fort. Nach der Bekanntgabe des Zuschusses im September 2022 konnte dieser auf Strompreise bis maximal 40 Cent geltend gemacht werden (oberer Schwellenwert bei 40 Cent Nettoenergiepreis pro kWh). Die IKB und Tiwag beispielsweise haben ihre Preise in dem Zeitraum auf 38,5 Cent erhöht, die Kelag wäre bei 41 Cent gelegen. Eine Korrelation sei auch bei der Einführung des Landesrabatts in Niederöstereich (Anm. 11 Cent pro kWh) und Preisen der EVN, teilweise auch bei Anbietern im Burgenland „auffällig gewesen“.
Im Zuge nächster Schritte will die Taskforce nun prüfen, ob und wie eine solche unterschiedliche Behandlung von bestimmten Kundengruppen bezweckt war bzw. bewusst in Kauf genommen wurde. Die BWB verlangt nun Auskunft in verschiedenen Themenfeldern, unter anderem zu Beschaffungsstrategien und Beschaffungsportfolios der Energieversorgungsunternehmen.
Als problematisch hat sich jedenfalls die Rechtsunsicherheit in diesem Bereich herausgestellt. Auch für Unternehmen war nicht immer klar, wie rechtlich korrekt Preisänderungen durchgeführt werden konnten. Inzwischen haben viele der betrachteten Lieferanten ihre Preisanpassungspolitik auf das gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 80 Abs 2a ElWOG 2010 geändert. „Klare gesetzliche Vorgaben, die das Prozedere für Preisänderungen von Energielieferverträgen vorgeben, könnten hier Klarheit schaffen“, fordert Urbantschitsch.