Laut einem Bericht des deutschen nova-Instituts werden sich die Kapazitäten heute von rund 1,3 Millionen Tonnen für Produkte auf CO2-Basis voraussichtlich bis 2030 vervierfachen.
Die Vermeidung von CO2-Emissionen steht an erster Stelle von Maßnahmen zur Eindämmung der Klimaerwärmung weltweit. Einen Nebenschauplatz bilden bislang Verfahrung zur Entnahme, Speicherung und Nutzung von CO2 in Stoffkreisläufen. Letztere werden in Zukunft ebenfalls eine große Rolle spielen, sind Expert*innen des nova-Institut für politische und ökologische Innovation überzeugt. In dem aktuellen Bericht »Carbon Dioxide as Feedstock for Chemicals, Advanced Fuels, Polymers, Proteins and Minerals – Technologies and Market, Status and Outlook, Company Profiles« geben die Forscher*innen einen Einblick in den wachsenden Markt von »CO2 Capture and Utilisation (CCU)«.
Hintergrund: In dem 2022 veröffentlichten sechsten Sachstandsbericht nennt der Weltklimarat die Abscheidung und Nutzung von Kohlenstoff erstmals als geeignete Lösung zur Eindämmung des Klimawandels. Zukunftsszenarien für eine Netto-Null-Chemieindustrie bis zum Jahr 2050 zeigen, dass zwischen 10 und 30 % der Nachfrage des produktgebundenen Kohlenstoffs aus der Nutzung von CO2 stammen könnten.
Das Potenzial von CCU wird in dem nova-Bericht auch der wachsenden Zahl der Unternehmen festgemacht, die ihre Rohstoffportfolios dahingehend erweitern. Die konventionelle chemische Umwandlung von CO2 wird seit Jahrzehnten auf kommerzieller Ebene zur Herstellung von Chemikalien wie Salicylsäure, Harnstoff, Ethylen und Propylencarbonat genutzt. CO2 kann auch direkt verwendet werden, beispielsweise zur gesteigerten tertiären Ölgewinnung (»Enhanced Oil Recovery«), als Feuerlöschmittel oder als Wachstumsbeschleuniger für Pflanzen in Gewächshäusern.
Neuartige chemische Verfahren konzentrieren sich hierbei auf die CO2-Umwandlung, während die CO2-Hydrierung zu Methan oder Methanol derzeit die vielversprechendsten Ergebnisse zeigt. Erstere kann in das Erdgasnetz eingespeist werden und auf diesem Wege die Abhängigkeit von Erdgaslieferanten verringern. Letztere bietet einen hocheffizienten Kraftstoff für den Transportsektor oder kann als chemischer Baustein verwendet werden.
Großes Interesse besteht auch an der Fischer-Tropsch-Technologie zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe und Chemikalien. Diese Technologie ist bereits hundert Jahre alt und fand primär zur Kohlevergasung und -verwertung Einsatz. In Verbindung mit CO2-basiertem Synthesegas lassen sich damit »nachhaltig« CO2-basierte Kohlenwasserstoffe wie Kerosin, Diesel, Naphtha und Wachse herstellen. Aktivitäten lassen sich auch im Bereich CO2-basierten Kerosins zu beobachten. Dieses ist der aktuell wichtigste nachhaltige Flugkraftstoff (»Sustainable Aviation Fuel«). Auch Polycarbonate, Polyurethane und Polyethylen auf CO2-Basis sind auf dem Markt erhältlich. CO2 kann zudem zu einem Karbonat für Baumaterialien mineralisiert werden. Die auf dem Markt befindlichen Technologien nutzen den Karbonisierungsprozess zur Herstellung von Ersatzprodukten der Zementindustrie.
Die bekanntesten biotechnologischen Umwandlungsansätze auf CO2-Basis erzeugen Methan und Ethanol. Letzteres wird in kommerziellem Maßstab hergestellt und dient als Kraftstoff und Baustein der chemischen Industrie – zum Beispiel für Ethylenglykol – und der Polymerindustrie (Polyethylen). Durch Gasfermentation können zudem biologisch abbaubare Polymere, sogenannte Polyhydroxyalkanoate (PHA), hergestellt werden, die im Handel erhältlich sind.
Mehrere Pilotanlagen zur Herstellung von Chemikalien und Proteinen durch Gasfermentation sind bereits in Betrieb. Die fortgeschrittensten elektrochemischen Verfahren ermöglichen die Umwandlung von CO2 in CO oder Synthesegas, Methanol, Ameisensäure oder Ethylen. Die CO- oder Synthesegas-Produktion über diesen Weg wird bald in einer kommerziellen Anlage in Kombination mit der Fischer-Tropsch-Technologie zur Produktion einer breiten Palette von Kohlenwasserstoffen eingesetzt werden.
Die aktuelle Gesamtproduktionskapazität neuartiger CO2-basierter Produkte wird für das Jahr 2022 auf weltweit rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Hier wird die Produktionskapazität von der Herstellung CO2-basierter aromatischer Polycarbonate, Ethanol aus abgeschiedenem CO/CO2, aliphatischem Polycarbonat und Methanol dominiert. Die Kapazitätsprognose CO2-basierter Produkte bis zum Jahr 2030 beträgt geschätzt mehr als sechs Millionen Tonnen jährlich (siehe Grafik).
Produkte auf CCU-Basis erzeugen im Vergleich zu vergleichbaren Produkten auf fossiler Basis geringere Treibhausgasemissionen. Dies greift, sofern die gesamte zur Abscheidung und Umwandlung von CO2 genutzte Energie aus erneuerbaren Quellen und grünem Wasserstoff stammt. Schon heute erreichen viele Technologien im Vergleich zu fossilen Technologien hohe Treibhausgasemissionsreduzierungen von bis zu 90 %. Der Bericht des nova-Instituts untersucht diese erneuerbare Kohlenstoffquelle auf 240 Seiten im Detail und fasst den aktuellen Markt zu Technologien, Nutzungsmöglichkeiten und kommerziellen Akteuren – insgesamt 116 Unternehmen – zusammen.
CO2-basiertes Methanol
Methanol auf der Basis von CO2 ist derzeit eine der fortschrittlichsten und vielversprechendsten CCU-Technologien zur Herstellung von Kraftstoffen und chemischen Grundstoffen. Diese Technologie kann als Speichersystem für Solar- und Windenergie oder als Ausgangsstoff für erneuerbare Chemikalien, etwas Formaldehyd, oder Polymere verwendet werden. Methanol kann ferner als Kraftstoffzusatz verwendet werden und ist auch für die Schifffahrtsindustrie als alternativer Kraftstoff für Schiffe von großem Interesse – um Schweröl zu ersetzen, ohne dass die Motoren ausgetauscht werden müssen. Das nova-Institut hat rund 25 Unternehmen identifiziert, die Methanol auf CO2-Basis entwickeln, meist auf der Grundlage der CO2-Hydrierung, einige von ihnen entwickeln elektrochemische Verfahren.
Run auf CO2
Viele Unternehmen arbeiten an der Nutzung von CO2-basiertem Synthesegas mithilfe von Fischer-Tropsch-Technologien zur Herstellung maßgeschneiderter CO2-basierter Kohlenwasserstoffe wie Kerosin, Diesel, Naphtha und Wachsen. Als Schwerpunkt gilt hierbei die Kerosinfraktion, bei der die Quote nachhaltig produzierter Flugtreibstoffe entsprechende Projekte vorantreibt, Märkte sichert und hohe Investitionen in den europäischen Chemieparks fördert.
Auch Produkte wie Naphtha oder Wachse können mit dem Verfahren für die chemische Industrie verfügbar gemacht werden. Insbesondere Wachse erzielen gute Marktpreise. Eine der ersten kommerziellen Anlagen auf Basis CO2-basierter Fischer-Tropsch-Kohlenwasserstoffe soll im Jahr 2025 in Betrieb gehen und wird von dem norwegischen Unternehmen Nordic Electrofuel betrieben. Dieses plant, eine Anlage mit einer Kapazität von 10 Millionen Liter Jahresproduktion in Betrieb zu nehmen und zukünftig schrittweise zu erweitern. Insgesamt ermittelte das Institut 15 Unternehmen in diesem Bereich.
Umwandlung
Die biotechnologische CO2-Umwandlung ist nach wie vor von großem Interesse und bietet großes Potenzial zur Herstellung zahlreicher chemischer Grundstoffe und Polymere. 13 Unternehmen sind aktuell bei der biotechnologischen Umwandlung von CO2 in Chemikalien tätig. Die Hauptakteure verfügen über ein großes Portfolio und könnten Chemikalien wie Methan, Ethanol, Milchsäure oder Butanol anbieten. So betreibt das Unternehmen LanzaTech drei kommerzielle Anlagen für Ethanol auf CO2-Basis in China und Belgien, die für Kraftstoff- und Ethylensynthese verwendet wird. Ein weiteres ist das Unternehmen Electrochaea, das Methan produziert, welches in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Electrochaea verfügt über mehrere Pilotanlagen in Europa und den USA im industriellen Maßstab und will bis 2025 jährlich mehr als 320.000 Tonnen Methan produzieren.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Verbesserungen bei der elektrochemischen Umwandlung von CO2 in Chemikalien erzielt, was zu einem steigenden Interesse der wichtigsten Akteure und zur Gründung mehrerer Start-ups in diesem Bereich führte. Das nova-Institut ermittelte 18 Unternehmen, die in diesem Entwicklungsbereich aktiv sind und sich primär auf CO2 oder Synthesegas, Methanol, Ameisensäure oder Ethylen konzentrieren. Viele Pilotanlagen sind bereits in Betrieb.
Wichtigste CO2-Nutzung für Polymere
Verschiedene Anbieter machen CO2-basierte Polycarbonate (PC) bereits kommerziell erhältlich. Eine der größten verfügbaren Mengen sind aromatische PC, die auf einer von Asahi Kasei lizenzierten Technologie basieren. Die Gesamtproduktionskapazität von etwa 900.000 Tonnen pro Jahr entspricht zirka 16 % der weltweiten Produktionskapazität für aromatisches PC. Darüber hinaus bieten mehrere Unternehmen weltweit aliphatische Polycarbonate wie Polypropylencarbonat (PPC) für eine breite Palette von Anwendungen an.
CO2-basierte Proteine
Einzellige Proteine (»Single Cell Proteins«, SCP) beschreiben Mikroorganismen oder isolierte Proteine, die mikrobiell synthetisiert werden. Mikroorganismen sind nicht nur in der Lage, große Mengen an Proteinen – bis zu 70 % – zu produzieren, sondern liefern auch große Mengen an Fettsäuren, Vitaminen und Mineralsalzen. SCP auf CO2-Basis kann eine vielversprechende Alternative sein, um den wachsenden Proteinbedarf zu decken und gleichzeitig einen Anstieg tierischer Futtermittel für die Proteinproduktion auf Tierbasis zu vermeiden. Das nova-Institut hat dazu 13 Unternehmen identifiziert.
Bauen mit CO2-basierten Mineralien
Die Ex-situ-Mineralisierung oder »enhanced rock weathering« kann in Laborumgebungen oder Industrieanlagen eingesetzt werden. Derzeit befinden sich Technologien auf dem Markt, die den Karbonisierungsprozess nutzen, um Ersatzprodukte für die Zementindustrie herzustellen. Als Ausgangsmaterial können Industrieabfälle wie Hochofen- und Stahlschlacke dienen.
Das Institut ermittelte 15 Unternehmen, die eine verstärkte auf Gesteinsverwitterung-basierende Mineralisierung entwickeln. Die meisten dieser Unternehmen sind in Europa und Nordamerika ansässig. Einige Technologien haben bereits den kommerziellen Maßstab erreicht, beispielsweise das Unternehmen GreenOre, und werden häufig in Verbindung mit anderen industriellen Abfallquellen eingesetzt. Mehrere weitere kommerzielle Anlagen sind bis zum Jahr 2030 geplant.