Ein Kommentar anlässlich des Verkaufs von Viessmann an Carrier. Von Martin Hagleitner, CEO der Austria Email AG und Groupe Atlantic Konzernleitung DACH-Region sowie ausgewählte CEE Märkte (Bild: APA-Fotoservice/Martin Hörmandinger)
Große mediale Aufregung sowie viele Spekulationen und Deutungen in sozialen Medien, was denn Viessmann zum Verkauf des Geschäftsbereich Climate Solutions bewogen haben mag, waren die Folge der Veröffentlichungen zur Übernahme durch Carrier.
Warum? Fakt ist, dass Viessmann selbst seit 2019 an die 36 Übernahmen getätigt hat, um sich für die Energiewende, Digitalisierung und Globalisierung zu rüsten und die Systemkompetenz auszubauen. Insofern überrascht es, dass Viessmann nach 106 Jahren den Geschäftsbereich Climate Solutions verkauft hat, und nicht selbst z.B. eine transatlantische Akquisition getätigt oder eine Allianz geschlossen hat.
Ein Kaufpreis von zwölf Milliarden, der den dreifachen Jahresumsatz überschreitet, stellt möglicherweise eine einmalige Gelegenheit dar. Inwiefern das für die Eigentümerfamilie ausschlaggebend war, oder ob es eher an der Demut vor der globalen Schlacht um Marktpositionen und den dazu erforderlichen Investitionen lag, kann und soll von außen nicht beurteilt werden.
Motive von Carrier zur Übernahme von Viessmann, die Aufschluss über Erwartungen zum künftigen Markterfolg geben:
Aus einer von Carrier an Investoren und Aktionäre gerichteten Präsentation ergeben sich aufschlussreiche Hinweise zum Wärmepumpenmarkt in Europa, die auch den exorbitant hohen Kaufpreis für Viessmann erklären:
• Stärkung der globalen Marktposition von Carrier und Ausbau der Systemkompetenz im Bereich „intelligent climate & energy solutions“.
• 75.000 Viessmann Partner-Installateure in 25 Ländern.
• 1.300 Viessmann Service-Techniker und 90.000 Wartungsverträge.
• 500.000 „Connected“ Devices.
• Geringe Abhängigkeit von Viessmann im 3 stufigen Vertriebskanal (12% des Umsatzes).
• Deutliches Wachstumspotenzial durch den politischen Push zu höherer Energieeffizienz, Elektrifizierung und Erneuerbaren Energien in Europa.
• Insgesamt wird eine Verdreifachung des Europäischen Wärmepumpenmarktes bis 2027 erwartet.
In der großflächigen medialen Berichterstattung sind allerdings einige positive Aspekte der Transaktion untergegangen, wie z.B.:
• Die Verpflichtung von Carrier, bis 3 Jahre nach Übernahme keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen,
• Standortgarantien von Carrier zwischen 5 und 10 Jahren,
• Aufnahme von Max Viessmann in das „Board of Directors“ von Carrier,
• sowie die Produktion von Wärmepumpen für Europa vor Ort in Europa.
Diese Übernahme, die auch als Ausverkauf eines deutschen Industrie Flaggschiffes an ein US-Unternehmen gesehen wird, ist ein weiterer Weckruf, dass Europa als Industriekontinent und als relevanter Akteur in der global vernetzten Welt an Bedeutung zu verlieren droht.
Der Verkauf von Viessmann, sowie das generelle Interesse asiatischer und amerikanischer Player an Energiewende-relevanten Unternehmen, bestätigt auch, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten mittels großzügiger Fördertöpfe für die Bürger:innen und durch forsche Vorgaben zur Dekarbonisierung „den Boden gut aufbereitet“ haben.
Aber die Rahmenbedingungen für europäische Firmen, die zögerliche Handelspolitik und auch fehlender Unternehmergeist hinken den Möglichkeiten, global relevante, europäische Green Tech-Champions zu schaffen, weit hinterher. Aktuell führen dieses Match stark von Subventionen in ihren Ursprungsländern subventionierte Player aus den USA und China an.
Fazit: Nachdem nicht einmal ein Jahr verstrichen ist, seit die Deutsche Bundesregierung einen „Wärmepumpengipfel“ zelebriert hat, und nur wenige Woche seit dem „Verbrenner-Gipfel“ des Österreichischen Bundeskanzlers, schafft diese Übernahme nicht nur Fakten.
Sie sollte für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Europa ein wichtiger Weckruf dafür sein, endlich entschlossen und im gemeinsamen Schulterschluss den Kampf sowohl gegen die Klimakrise als auch gegen den globalen Bedeutungsverlust aufzunehmen.