Sonntag, Mai 19, 2024

Nachgefragt bei den österreichischen Branchengrößen und -Experten: Welche Erwartungen haben Sie für den Markt im Jahr 2023? Welche Trends bei Technologie und dem Umbau unserer Energiesysteme sehen Sie in diesem Jahr?

Titelbild: Michael Baminger (Salzburg AG) und Barbara Schmidt (Oesterreichs Energie) (Credit: Leo Neumayr/ Regina Hügli).

Michael Baminger
CEO und Vorstandssprecher Salzburg AG

Die aktuelle internationale Lage auf den Energiemärkten zwingt uns auch im Jahr 2023 auf Sicht zu fahren. Wir wissen, dass die derzeitige Situation für die Gesellschaft eine große Herausforderung ist. Daher versuchen wir unsere Kundinnen und Kunden in verschiedenen Bereichen bestmöglich zu unterstützen.  Es ist aber auch ein Beweis mehr, dass der Ausbau von unabhängigen, erneuerbaren Energiequellen jetzt nicht schnell genug gehen kann. Dabei wollen wir weiterhin Schrittmacher sein.

Barbara Schmidt
Generalsekretärin Oesterreichs Energie

Die E-Wirtschaft blickt auf ein Jahr der Krisen zurück, die wohl auch die kommenden Monate bestimmen werden. Angesichts dieser Entwicklungen ist rasches Handeln weiterhin geboten. Gleichzeitig dürfen aber langfristige Ziele nicht aus den Augen verloren werden: In sieben Jahren soll Österreich vollständig mit erneuerbarem Strom versorgt werden, 2040 soll das Land klimaneutral sein. Dafür muss sich die erzeugte Strommenge verdoppeln, die installierte Leistung verdreifachen, Netze und Speicher müssen massiv ausgebaut werden. Gleichzeitig soll die Versorgung gesichert und der Strompreis stabilisiert werden. Damit all das gelingen kann, brauchen wir ein stabiles Umfeld und Rahmenbedingungen, die umfassende Investitionen in die Energiewende ermöglichen. Dafür werden wir uns 2023 einsetzen – die E-Wirtschaft kann und will ihren Beitrag zu unserer Energiezukunft leisten.

Michael Strebl
Vorsitzender Geschäftsführung, Wien Energie

Klimakrise, Energiekrise, Inflation: Die aktuellen Herausforderungen sind groß und werden uns wohl das ganze Jahr beschäftigen. In dieser Zeit ist die sichere Versorgung mit Strom und Wärme besonders wichtig und viel diskutiert. Klar ist: Die einzige langfristige Lösung für eine nachhaltige und preisstabile Energieversorgung ist der Weg raus aus Gas. Diesen gehen wir mit vollem Tempo, indem wir die erneuerbaren Energien ausbauen und die Umstellung der Fernwärme auf erneuerbare Quellen vorantreiben. Auch das Thema Wasserstoff wird 2023 an Fahrt aufnehmen. Wien Energie beginnt noch in diesem Jahr selbst mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff. Wir haben die Technologien für die Energiewende in der Hand, jetzt gilt es, unseren Plan für die Klimaneutralität 2040 konsequent umzusetzen.

Wolfgang Hribernik
Head of Center for Energy am AIT Austrian Institute of Technology

Das Jahr 2023 wird auch im Energiebereich weiterhin geprägt sein von den aktuellen Preisdynamiken auf den internationalen Märkten. Die mittelfristigen Zielsetzungen im Klima- und Energiebereich erfordern komplexe Investitionsentscheidungen, wofür Forschung die sachlichen Entscheidungsgrundlagen beitragen soll. Bei der Umsetzung des Green Deals ist die Dekarbonisierung der produzierenden Industrie weiterhin die große Herausforderung am Weg zur Klimaneutralität 2040. Im Innovationsprogramm New Energy for Industry (NEFI) als Teil der Vorzeigeregionen Energie haben erste Demoprojekte bereits aufgezeigt, wie die technologische Umstellung auf erneuerbare Energieträger im industriellen Kontext erfolgreich gelingen und somit den Wirtschaftsstandort Österreich stärken kann. 

Gerd Hesina
Geschäftsführer der VRVis Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung Forschungs-GmbH

2023 wird mit Sicherheit ein Jahr, in dem in Österreich, so wie in ganz Europa, das Thema Erneuerbare Energien auf allen Ebenen stark im Fokus stehen wird. Der Ausbau von und die Investition in Wind-, Solar- und andere saubere Energien, aber auch Netzperformance und Digitalisierung sind wichtige Bausteine für eine klimafreundliche, CO2-reduzierte Energieversorgung der Zukunft. Zugleich wird es auch immer wichtiger, nicht nur neu geschaffene Energiequellen optimal zu nutzen, sondern auch die Instandhaltung und Modernisierung bestehender Infrastrukturen, etwa von Wasserkraftwerken, von denen in Österreich insgesamt rund 5.000 in Betrieb sind, voranzutreiben. Dabei gewinnen die Komponenten der intelligenten Datenvisualisierung, effizienten Datenauswertung und nachhaltigen Netzoptimierung ökonomisch wie ökologisch an Bedeutung. 

Harald Hauke
Vorstandssprecher Altstoff Recycling Austria AG

Europa soll – so das Ziel des Green Deals – der erste klimaneutrale Kontinent werden. Um das zu erreichen, bedarf es einer kompletten Transformation des ökonomischen Handelns in Richtung Kreislaufwirtschaft. Jede Verpackung, die ihren Weg zurück in den Kreislauf findet, ist ein Beitrag zur Erreichung der Recyclingquoten. Bei Kunststoffverpackungen müssen wir die Quote bis 2025 verdoppeln. Durch die vereinheitlichte Sammlung von Kunststoffverpackungen rechnen wir mit einem Sammelplus von 20 Prozent an Verpackungen. Darüber hinaus müssen wir die Qualität und Ausbeute bei der Sortierung steigern. Dazu errichten wir gemeinsam mit zwei Partnern die modernste und größte Sortieranlage Österreichs mit einer Sortierkapazität von rund 100.000 Tonnen Leichtverpackungen. Der Bau der Sortieranlage im oberösterreichischen Ennshafen stärkt den Wirtschaftsstandort Österreich, schließt eine große Sortierlücke und hält wertvolle Ressourcen bei uns im Land. 

Wolfgang Weidinger
Geschäftsführer Weidmüller

Wir gehen von einer leichten Rezession in der zweiten Jahreshälfte aus, allerdings wird die Elektrifizierung und der Bedarf an elektrotechnischen und elektromechanischen Komponenten weiterhin hoch bleiben. Aus diesem Grund planen wir in Österreich mit einem zweistelligen Wachstum im Jahr 2023. Die Energiewende nimmt Fahrt auf. Die Nutzung fossiler Brennstoffe wird und muss enden, um unseren Lebensraum für nachfolgende Generationen zu erhalten. Auch Energieeinsparung ist in aller Munde. Die Zukunft im Bereich der Personenbeförderung im Kraftfahrzeug ist aus meiner Sicht entschieden und wird elektrisch. Bei Güter- und Schwertransporten ist auch Wasserstoff eine Option. Wir verbinden umfangreiche Erfahrung in der traditionellen Verbindungs- und Schutztechnik sowie der Anlagensteuerung in der Prozessindustrie, mit einem umfangreichen Engagement in der Photovoltaik-, Elektromobilitäts- und Windindustrie. Das macht uns zum idealen Partner, um diesen Wandel mitzugestalten.

Nikolaus Kawka
Geschäftsführer Zühlke Österreich

Die aktuelle Lage ist geprägt von geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Um positiven Wandel zu schaffen, braucht es Mut zu Innovation, ein flexibles Mindset und gemeinschaftliche Anstrengungen im Rahmen von »Ecosystem Innovation«. Wir wollen unseren Kunden den Mut und die Fähigkeiten geben, in großem Maßstab und viel effizienter Innovationen zu schaffen, neue Geschäftsmodelle zu kreieren und diese zu skalieren. Gemeinsam schaffen wir es, ökologisches Wachstum wieder voranzutreiben. Es ist schön zu sehen, dass die Themen, mit denen wir uns bereits in den vergangenen Jahren zusammen mit unseren Kunden und Partnern verstärkt auseinandergesetzt haben, jetzt endlich breitenwirksam Fahrt aufnehmen. Dazu gehören beispielsweise die Umsetzung von Datenplattformen, AI, die Suche nach radikalen Innovationen, nachhaltige Produktentwicklungen und last but not least die Nachfrage nach Sustainable Software Solutions.

Michaela Sadleder
Geschäftsführerin und Country Sales Managerin Eaton Österreich

Die große Energiekrise ist bislang zum Glück ausgeblieben. Dennoch bleibt der Ausbau erneuerbarer Energien eines der dringendsten Anliegen im Jahr 2023. Wir müssen die dezentrale Erzeugung durch private Haushalte und Unternehmen weiter fördern und durch eine Flexibilisierung der Netze unterstützen. Wenn ehemalige Verbraucher zu sogenannten »Prosumern« werden, muss Energie innerhalb des Netzes in beide Richtungen fließen können. Gleichzeitig müssen Speicherkapazitäten für grünen Strom massiv ausgebaut werden. Hierbei sollten auch dezentrale Lösungen gefördert werden, wie Heimspeicher oder die Vehicle-to-Grid-Technologie, bei der die Batterien momentan nicht genutzter Elektrofahrzeuge eine Pufferfunktion für das Netz wahrnehmen können.

Thomas Maderbacher
Geschäftsführer der Wiener Netze

Netzausbau und Digitalisierung – das sind die zwei Aufgaben, die wir auch 2023 mit voller Kraft verfolgen. Zu Jahresbeginn konnten wir den 800.000sten Smart Meter installieren. Die Hälfte unserer Kund*innen ist damit bereits für die Zukunft vorbereitet. Der Trend zur eigenen, privaten PV-Anlage wird 2023 weiterwachsen. Und das ist gut so! Wir unterstützen hier mit schnellen und einfachen Netzanschlüssen. Der Netzausbau erfolgt auf allen Ebenen von der Hochspannungsleitung, über Umspannwerke, Verstärkung der Kabelinfrastruktur und durch »intelligente«, ferngesteuerte Transformatorstationen, von denen es schon mehr als 250 gibt. Also volle Kraft voraus als Ermöglicher der Energiewende! 

Bernd Vogl
Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds

Die Klimakrise beschäftigt Menschen weltweit und sie verändert die Wirtschaft und auch unsere Gesellschaft in riesigem Ausmaß. Damit geht natürlich auch die weitere Veränderung unseres Energiesystems in den kommenden Jahren einher. Taktgeber für Österreich ist dabei das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 den gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu decken. 2023 wird sich daher fortsetzen, was in den letzten Jahren begonnen hat: Die steigende Nachfrage nach sauberer und gleichzeitig sicherer Energie wird dazu beitragen, dass der Markt für erneuerbare Energien weiter wachsen wird. Energieinnovationen und die fortschreitende Digitalisierung ermöglichen es darüber hinaus, Erneuerbare noch effizienter und kosteneffektiver zu produzieren und zu nutzen.

Wolfgang Hesoun
CEO Siemens AG Österreich

Die Dringlichkeit, eine klimafreundliche Wirtschaft und Infrastruktur aufzubauen, erscheint mir unstrittig. Der Weg dorthin steht allerdings auf einem anderen Blatt. Die Umstellung des Energiesystems ist ein langwieriger Prozess – das reicht vom Bau der notwendigen Netzinfrastruktur über Genehmigungsprozesse bis zu dem Umstellen von Gewohnheiten. Wir alle sind geforderter denn je, den Energieverbrauch zu analysieren und in Richtung effektiver und effizienter Nutzung zu optimieren. Hierin liegt auch enormes Potenzial, wenn man bedenkt, dass rund 30 Prozent der Energie ineffizient verwendet werden. Dies zu realisieren, wäre mit Hilfe des Einsatzes moderner Technologien möglich. Basis dafür sind – wie in so vielen Fällen – jedoch auch die notwendigen Rahmenbedingungen und Genehmigungen.

Leonhard Schitter
CEO Energie AG Oberösterreich

Das Jahr 2023 bringt einige Herausforderungen mit sich: Wir stehen in Europa vor großen Umbrüchen und erleben Zeitenwenden. Nicht nur in unserer Branche, sondern überall. Die massive Abhängigkeit von russischem Erdgas, der fortschreitende Klimawandel, der demografische Wandel in unserer Gesellschaft und der damit zusammenhängende Arbeitskräftemangel sind nur einige der großen Herausforderungen, die wir zu stemmen haben. Zudem gilt es, die Energiewende in Richtung mehr Erneuerbare und mehr unabhängiger Energiequellen aktiv voranzutreiben und neue Wege in Richtung Digitalisierung und Innovation zu gehen. Die Energie AG forciert seit Jahren die Entwicklung und Anwendung zukunftsweisender Technologien und versucht dabei, im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu handeln.

(Bilder: Wien Energie/Martina Draper, Energie AG/Robert Maybach, VRVis/Wirlphoto, AIT/Wolf, Wolfgang R. Fürst, Zühlke, ARA, Wiener Stadtwerke/Ian Ehm, Klaus Ranger, Siemens)

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