Der Energiesektor befindet sich weltweit im Umbruch. Neue Technologien, Geschäftsmodelle und ein gesellschaftlicher Wandel erfordern mehr Flexibilität und eine ganzheitliche Denkweise. Das hat auch Einfluss auf eine männerdominierte Arbeitswelt.
Energie wird vielfach nur mit Begriffen wie Watt, Halbleiter und Lastspitze verbunden. Energie ist aber mehr – darauf wird oft vergessen. »Die Technologie ist in der Energiebranche nicht mehr Hauptfokus. Für die Verbreitung bestehender Lösungen in der Gesellschaft braucht es andere Kompetenzfelder, weg vom reinen Hightech-Segment hin zu sozialen Kompetenzen und kaufmännischem Know-how«, informiert Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds. Mit der offenen und breiteren Sichtweise auf die Branche werden zusätzliche Arbeitskräfte attrahiert, die vom rein technischen Aspekt möglicherweise abgeschreckt werden würden.
Der Frauenanteil in der gesamten Technik hat bislang keine rasanten Veränderungen erfahren, es gibt aber zunehmend Plattformen, die das Thema Frauen in der Energiewirtschaft aufgreifen, etwa das Technologieprogramm der International Energy Agency (IEA) »C3E Clean Energy Education & Empowerment«. Insgesamt nehmen Frauennetzwerke im Energiebereich, Partizipationsverfahren und Round-Tables mit weiblicher Beteiligung zu. Fazit: Rollenbilder und Berufe verändern sich und wachsen mit der gesamten Energiebranche.
Monika Panek, e5
Monika Panek, Programmleiterin von e5 in der Energie- und Umweltagentur NÖ, wünscht sich mehr Frauen bei ihren Beratungsgesprächen in den Gemeinden – leider ist das Thema Energieeffizienz in der Gemeindestruktur noch sehr männerdominiert. Damit das Thema Energie stärker von Frauen angenommen wird, empfiehlt sie eine breitere Vermittlung schon in den Schulen. »Das Energiethema ist nicht nur Technologie.
Natürlich braucht es Forscherdrang für die Weiterentwicklung, aber eine fachliche Beratung, die auch zur Umsetzung führt, hängt von vielen Parametern ab. Die Fachexpertise ist nur ein Teil«, meint Monika Panek, die Architektur studiert hat und über ihre Planungstätigkeit zur Energiebranche gekommen ist. Ob sie bei ihren Gesprächen in den Gemeinden immer ernst genommen wird? »Ich denke schon, natürlich sind viele Jahre Erfahrung auch hilfreich.«
Theresia Vogel, Klimafonds
Eine Idee, wie vermehrt Quereinsteigerinnen in Energie und Technik geholt werden können, hat Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds. »Wir brauchen Studienabbrecherinnen von zum Beispiel HTLs und TUs. Fast ein Drittel der Studienanfängerinnen kommt mit dem technischen Studium nicht zurecht, fällt nach kürzester Zeit heraus, ist aber technisch interessiert und begabt. Ihnen muss ein Angebot gemacht werden, das derzeit noch fehlt.«
Vogel kann sich vorstellen, dass die Wirtschaftskammer als beratende Anlaufstelle hier einspringt. Als Energieexpertin, die Bauingenieurwesen studiert hat, weist sie auch darauf hin, dass etwa beim Roll-out von PV-Anlagen viele nicht-technische Schritte den Erfolg beeinflussen, etwa Vertrieb, Organisation und Logistik. »Dafür muss ich keine technischen Daten abspulen oder Verkabelungen durchführen können«, schmunzelt sie. Beim Klima- und Energiefonds erlebt sie ein sehr ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern, es zählt die Kompetenz. Beispielsweise hat sich für die Leitung der Koordinierungsstelle Energiegemeinschaften zuletzt eine ausgewiesene Expertin, Eva Dworak, durchgesetzt.
Beatrix Hausner, ÖGUT
»Nach dem Studium der Publizistik/Politikwissenschaften habe ich bei der Österreichischen Computergesellschaft den Themenbereich IT und Gesellschaft aufgebaut. Damals bin ich erstmals auf die Technikbarrieren für Frauen gestoßen«, berichtet Beatrix Hausner, Genderexpertin bei der ÖGUT. Seitdem arbeitet sie an Initiativen, Projekten und Forschungen zu diesem Bereich und empfiehlt Unternehmen unter anderem die Änderung der Recruiting-Strategie; denn für weitreichende Sichtweisen, langfristiges und neues Denken und Handeln braucht es gemischte Teams.
Stereotype Vorstellungen zu den Rollen von Frau und Mann müssten abgelegt werden. »Viele Studien zeigen, dass Mädchen vom Kindergarten bis in den Ausbildungsbereich anders behandelt werden. Ihnen wird von Anfang an weniger technische Kompetenz und weniger handwerkliches Rüstzeug zugetraut. Dabei ist es so wichtig, von Anfang an Chancengleichheit zu schaffen, damit dieser Unterschied gar nicht entsteht – auch vom Elternhaus.« Aktuell forscht Beatrix Hausner an einer gender- und diversitätsfreundlichen Homeoffice-Kultur.
Nicole Walther, FiT
Positives zur Forderung nach Quereinsteigerinnen für den Energiebereich berichtet Nicole Walther, Projektleiterin bei Frauen in Handwerk und Technik (FiT). »Firmen kommen aktiv auf uns zu und wollen mit unseren Damen zusammenarbeiten.« Frauen werden sehr gern aufgenommen, das habe sich schon in den letzten Jahren gezeigt. Sie hätten einen großen Bonus hinsichtlich Kommunikation, was den Austausch innerhalb des Teams erleichtert.
»Arbeitgeber berichten uns, dass durch den verstärkten Austausch der Innovationsgeist steigt.« FiT fördert Frauen mit Pflichtschulabschluss in der Facharbeiterinnenintensivausbildung ebenso wie mit Matura. Das TGM bietet das Kolleg Erneuerbare Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit. »Uns wurde rückgemeldet, dass 90 bis 100 Prozent der Frauen sofort von den Firmen akquiriert werden.« Die FH Technikum Wien bietet den Bachelor-Studiengang Urbane Erneuerbare Energietechnologien.
Heidrun Kopp, Inafina
»Frauen sind besonders an nachhaltigen Geldanlagen interessiert«, weiß Heidrun Kopp, Finanzexpertin und Gründerin des Instituts für nachhaltiges Finanzwesen Inafina. Diskussionen bei zahlreichen Veranstaltungen zeigen, dass Frauen umfangreiche Informationen benötigen, um sich von der Seriosität des Angebots – Stichwort Green-Washing –, dem damit verbundenen Risiko und den Ertragsmöglichkeiten zu überzeugen. Durch die zunehmenden regulatorischen Anforderungen und aufgrund der steigenden Kundennachfrage wird Nachhaltigkeit bereits in vielen Unternehmen integriert.
Das betrifft beinahe alle Bereiche: Controlling, Compliance und Risikomanagement, Marketing und Produktmanagement, um nur einige zu nennen. Daraus ergeben sich spannende neue Aufgaben und Berufsfelder. Also eine interessante Perspektive für alle, die Know-how, Erfahrung und nachhaltiges Engagement in einer sinnvollen, zukunftsorientierten Tätigkeit verbinden möchten. Die Expertin für ESG im Finanzbereich studierte in Wien, London und den USA, ist Gastgeberin des Women’s Money Club sowie Podcasterin von »Green Money Talks«.
Frauen in der Technik – ein Blick in die E-Wirtschaft
Viele Unternehmen in der Energiewirtschaft sind überzeugt: Für eine gesunde und zukunftsfähige Unternehmenskultur brauchen Betriebe eine starke Vielfalt bei ihrer Belegschaft. Wir haben nachgefragt, wie es um den Frauenanteil in den Unternehmen steht – und welche Maßnahmen für die Ansprache von Frauen in der Technik getroffen werden.
Die Ergebnisse unserer Umfrage finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Energie-Reports auf Seite 20-22.