Bis 2030 soll der Strombedarf bilanziell zu 100 % über erneuerbare Energien gedeckt werden. Dafür braucht es zusätzlich 27 TWh, leistungsfähige Netze und innovative Speichersysteme.
Das Thema ist hochaktuell – das war nicht nur auf der Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung, veranstaltet von Technologieplattform Photovoltaik und dem Bundesverband Photovoltaic Austria, Anfang Dezember zu hören. Um die Energiewelt auf ein solides erneuerbares Fundament zu stellen, braucht es auch Energiespeicher, die temporär und lokal schwankende Erzeugung ausgleichen. Diesem Thema widmete sich im November auch der World Energy Council Austria bei der Präsentation des Arbeitsberichts »Speicher & Netze« der Young Energy Professionals.
Immer stärker wird dezentral eingespeist, neue Verbraucher mit hohen Gleichzeitigkeiten und geändertem Verbrauchsverhalten sind in das Energiesystem einzubinden, was die Komplexität erhöht und die Netzinfrastruktur-Betreiber vor Herausforderungen stellt. Erforderlich wird eine strategische Anpassung der Verteilnetzplanung sowie des Netzbetriebs, möglich durch den Netzausbau, aber auch durch Netzspeichersysteme bestehend aus Batteriespeicher und Umrichter. Diese präsentieren sich als verlustarme leistungselektronische Schaltungstechnologien. Energiequellen, die nur über ein geringes Speichervolumen verfügen, können unterstützen, zum Beispiel Laufwasserkraftwerke. Möglich ist eine Leistungssteigerung bis zu 25 %.
Bild oben: »Die wichtigste und auch aus Anreizsicht sinnvollste Förderung für Speicher ist und bleibt die Gebührenbefreiung, durch welche die ausgleichende Wirkung von Stromspeichern erleichtert wird«, betont Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie.
Batteriespeicher sind auch eine Lösung für die lokale Einspeisung. Laut einer Studie des Forschungs- und Beratungsunternehmens CE-Delft wird EU-weit bis zum Jahr 2050 knapp die Hälfte des Strombedarfs aus Energieanlagen gedeckt, die BürgerInnen, Klein- und Mittelbetriebe selbst betreiben. In Österreich sollten auf diese Weise rund 37 TWh an Elektrizität produziert werden. Dezentrale Speichersysteme können eine temporäre Überproduktion speichern oder Schwankungen im Energienetz ausgleichen.
Thematisch passend ist das Projekt »R2EC« unter der Projektleitung der FH Technikum Wien, das ein System interagierender Energiezellen mit einer hohen Konzentration an erneuerbaren Energien, Speichern und E-Mobilitäts-Integration entwickelt. Als Energiezellen werden dabei Gruppen von Prosumers und Konsumenten gesehen, die lokal produzierte Energie teilen und austauschen.
Franz Strempfl, Geschäftsführer von Energie Netze Steiermark, fordert in diesem Zusammenhang verstärkte Automatisierung. »Früher war der Umgang mit Höchstlast im Netz am anspruchsvollsten, mittlerweile sind es jene Tage mit höchster Produktion.« Dazu verweist Strempfl auf ein Projekt in der südsteirischen Gemeinde Heimschuh, wo eine Batterie mit einer Speicherkapazität von 100 kWh installiert wurde, die von mehreren Haushalten genutzt werden kann.
Nächster Level der Batterie
Batteriespeicher sind eine aufstrebende Industrie, erfordern aber jahrelange Forschung und Entwicklung. Die Entwicklung vom Bleiakkumulator bis zur Li-Ionen-Batterie hat laut Stefan Freunberger, Forscher am Institute of Science and Technology Austria IST in Klosterneuburg, 200 Jahre in Anspruch genommen. Künftige Speicher werden sich laut Freunberger durch höhere Energiedichten auszeichnen.
Bild oben: Ein bedeutender Erfolg bei Redox-Flow-Batterien ist einem Forscher-Team an der TU Graz mit dem Ersatz von Schwermetallen und seltenen Erden durch Vanillin gelungen. Die Weihnachts-Vanillekipferl werden es verschmerzen.
Dabei verweist er unter anderem auf die Kombinationen Zink-Luft, Lithium-Schwefel und Lithium-Sauerstoff, die sich noch in der Grundlagenforschung oder bereits in der technologischen Entwicklung befinden. Innovation gibt es auch bei der Bio-Batterie, deren Elektrolyt aus dem Holzinhaltsstoff Lignin besteht, sowie bei der Salzwasserbatterie. Intensiv wurde in den vergangenen Jahren an Festkörperelektrolyten gearbeitet, die eine ähnlich hohe Ionen-Leitfähigkeit besitzen wie Flüssigelektrolyte.
Die TU Graz forscht derzeit an der Reduktion der Grenzflächenwiderstände innerhalb der Festkörperbatterie, was zu einer höheren Performance führen soll. Das Karlsruher Institut für Technologie entwickelt im Projekt »BiFlow« ein Hybridspeichersystem, das die Vorteile der Lithium-Ionen und der Redox-Flow-Batterie kombinieren und die gleichzeitige Nutzung als Wärmespeicher erreichen soll. Die Hauptherausforderung liegt für Freunberger aktuell im Aufbau einer Batterie-Produktion in Europa. Derzeit befinden sich die größten Hersteller in Asien. Erste Schritte werden gesetzt: Ziel der europäischen Forschungsinitiative »Battery 2030+« ist, dass Europa bei der Entwicklung und Produktion von Batterien der Zukunft aufholt.
Bild oben: »Die Speicherlandschaft in Österreich ist sehr vielfältig«, urteilt Vera Immitzer, Geschäftsführerin von PV Austria. »Vor allem viele größere Anwendungen werden erprobt und befinden sich noch in der Entwicklungsphase.«
Speicher kombinieren
Kombination steht in der Energiebranche generell für höhere Performance. Im Laufe der letzten Jahre sind etliche Hybridprojekte mit Kombinationen aus Wind-, Sonnen-, Wasserkraft und Batterien realisiert worden. Einige Beispiele: Auf der Kanareninsel El Hierro wurden ein 11,5-MW-Windpark und ein Wasserkraftwerk vereint, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen und eine kohlenstofffreie Energieversorgung sicherzustellen. Andritz lieferte für dieses Projekt die elektromechanische Ausrüstung des Wasserkraftwerks.
Hornsdale Power Reserve in Australien kompensiert Netzunbeständigkeiten durch eine 100-MW-Batterieanlage.
Auf der Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung präsentierte Kadam Serdar, Energieexperte bei Andritz, das Forschungsprojekt »XFlex Hydro«. In diesem Projekt wird ein Batteriespeicher-Turbinen-Hybridsystem optimiert, um die Stellbewegungen der Turbine aufgrund der Primärregelung um 90 % zu reduzieren.
Bereits mit Batteriespeichern als Unterstützung der Wasserkraftleistung arbeitet der Energieversorger Verbund im Zuge des Projekts »Blue Battery« beim Donaukraftwerk Wallsee-Mitterkirchen.
Bild oben: Der zunehmende Anteil an erneuerbaren Energien im Stromnetz erfordert mehr Speicherkapazitäten.
Wasserstoff als Speicher
»Raus aus Öl« ist ein aktuelles Motto, demnächst ergänzt durch »Raus aus Gas«. Davon betroffen ist auch der Speicherbereich, da Gas eine sehr hohe Puffermasse darstellt. Mit Wasserstoff bietet sich hier eine Alternative zu Erdgas, da die unterirdischen Gaslager für die Speicherung genutzt werden können. Wasserstoff wird als einer der bedeutendsten Energieträger für die Dekarbonisierung des Energiesystems in der Zukunft gesehen. Das enorme Potential von Wasserstoff hat bereits Jules Verne erkannt: »Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist.«
Derzeit spielt der energetische Einsatz von Wasserstoff eine untergeordnete Rolle. Die Wirtschaftskammer sieht das Problem in der Verfügbarkeit. Die Produktion von Wasserstoff erfolgt unter hohen Energieverlusten. Die voestalpine betreibt gemeinsam mit Verbund und weiteren Partnern das europäische Leuchtturmprojekt »H2Future« zur Dekarbonisierung der Stahlherstellung in Linz. »Österreich muss das Thema grüner Wasserstoff deutlich voranbringen«, fordert Herfried Harreiter, Leiter Asset Management bei Verbund Hydro Power.
Alternative Speicher
Als Ausgleich volatiler Energieproduktion sind Pumpspeicher bereits seit mehr als einem Jahrhundert in Einsatz. Das Prinzip der Batterie war schon in der Antike bekannt. Es mangelt aber nicht an neuen Ideen für Speicher.
In einem ehemaligen Kohlekraftwerk in Deutschland geht nun der aus Elektroauto-Batterien bestehende stationäre Batteriespeicher »Advanced Battery Storage« in Betrieb. Die Idee dahinter: Nach dem Einsatz im Elektroauto können Akkus noch mindestens zehn Jahre genutzt werden, 80 % der Leistung bestehen noch. Die Möglichkeit einer saisonalen Energiespeicherung bei einem großen Industriebetrieb wird mit dem Projekt »InFlexLab« in einer Papierfabrik in Bayern erprobt.
Speichereffizienz
Künftige Speicher werden sich durch höhere Energiedichten auszeichnen. Aktuell bieten Speicher folgende Energiedichten:
Mechanische Speicher
❏ Pumpwasserspeicher (1 kWh/m³ bei 360m Höhe)
❏ Druckluftspeicher (1,3 kWh/m³ bei 30 bar)
Thermische Speicher
❏ Wasser, Beton (20-80 kWh/m³)
❏ Latentwärmespeicher (ca. 100 kWh/m³)
❏ Sorptionsspeicher (100-300 kWh/m³)
Elektrochemische Speicher
❏ Lithium-Ionen-Batterie (ca. 200 kWh/m³)
Chemische Speicher
❏ Gasförmiger Wasserstoff (700 kWh/m³)
❏ Flüssiger Wasserstoff (2.400 kWh/m³)
Benzin (12.000 kWh/m³)